Der Geschmack der Küste

War ja eine recht spon­ta­ne Geschich­te als Nor­we­gens Natio­nal­held Roald Amund­sen und sei­ne Mann­schaft 1910 mit ihrem For­schungs­schiff Fram gen Süden auf­ge­bro­chen sind. Gut ein­ein­halb Jah­re spä­ter soll­ten sie die ers­ten Men­schen am Süd­pol sein. Der eisi­ge Wind der Ant­ark­tis schnitt tie­fe Fur­chen in ihre gegerb­ten Gesich­ter. Das Equip­ment war im Ver­gleich zu den moder­nen North­face-Jack-Wolfs­kin-Bergans-Arc­te­ryx-Ther­mo-Soft­s­hell-Wind­brea­k­er-Slee­ves eher kon­ser­va­tiv. Eit­ri­ge Bla­sen haben sich die toug­hen Kerls in ihren schwe­ren Leder­schnür­schu­hen gelau­fen. Und dann auch noch die­ser Eng­län­der Scott mit sei­nem Kon­kur­renz­wahn.

Für einen sol­chen Trip muss man sich stär­ken. Was die Aben­teu­rer bei Lau­ne hielt? Essen! Gutes, war­mes Essen. Amund­sen hat sich für die Expe­di­ti­on den Koch Adolf Lind­ström an Bord geholt, der die Jungs mit herz­haf­ten Fleisch­bäll­chen, mit Pfann­ku­chen und süßem Mol­te­bee­ren­kom­pott ver­wöhn­te. Fleisch, Fett, Zucker. So weni­ge Zuta­ten rei­chen zum Glück.

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lindstroemDie­ses Prin­zip wirkt noch heu­te. Das Schiff heißt zwar nicht mehr Fram, son­dern Nordn­or­ge. Das Ziel ist nicht der Süd­pol, son­dern das Nord­kap. Der Koch heißt nicht Lind­ström, son­dern Gör­ans­son, und der kann zau­bern.

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Anders Gröans­son ist Chef­koch auf einem der Post­schif­fe der Hur­tig­ru­ten. Bin­nen 22 Tagen schip­pert es die Küs­te Nor­we­gens hin­auf und wie­der hin­ab – von Ber­gen bis Kir­kenes und zurück. Nicht ein­fach nur eine Kreuz­fahrt, son­dern ein Erleb­nis, das die durch­furch­te Küs­te schmack­haft macht.

Zuge­ge­ben, so kräf­te­zeh­rend wie damals ist eine moder­ne Schiff­fahrt heu­te nicht mehr. Doch bei den vie­len Aus­flü­gen an Land, durch tie­fen Schnee und bei eisi­gem Wind, knurrt der Magen. Für das leib­li­che Wohl sei­ner Pas­sa­gie­re hat die Ree­de­rei ein ganz eige­nes Kon­zept: „Coas­tal Kit­chen“.

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An den 34 Häfen, die Hur­tig­ru­ten wäh­rend der Rei­se anläuft, bezie­hen die Schif­fe fri­sche Pro­duk­te und natur­be­las­se­ne Zuta­ten loka­ler Erzeu­ger: atlan­ti­scher Lachs, Kabel­jau, Ren­tier, Wild­lamm, die typi­sche Mol­te­bee­re, Käse von den Lofo­ten, sogar Aqua­vit-Eis­creme. Mehr als 80 Pro­zent der Spei­sen und Geträn­ke, die an Bord ser­viert wer­den, stam­men aus Nor­we­gen. Loka­le Erzeug­nis­se aus den Dör­fern ent­lang der Post­schif­frou­te und tra­di­tio­nel­le Rezep­te sind die Basis der echt nor­we­gi­schen Küche.

hurtigrutenDie Zuta­ten kom­men ger­ne auch nachts per Motor­boot. Loka­le Fischer hie­ven gera­de gefan­ge­ne Königs­krab­ben über die Reling. Tags dar­auf liegt die in mund­ge­rech­ten Stü­cken beim Mit­tags­buf­fet. Grau­sam aber lecker.

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coastkitchen3Die Spei­sen leben von Land und Leu­ten und sind geprägt von der rau­en Küs­te. Jeder Ort und jede Jah­res­zeit hat einen ganz eige­nen Geschmack. Die Menüs vari­ie­ren je nach Sai­son und Ver­füg­bar­keit. Im Win­ter folgt das kuli­na­ri­sche Kon­zept dem Mot­to „Hun­ting the Light“ – auf der Jagd nach dem Polar­licht.

Da sit­ze ich nun vor einem Ren­tier­fi­let an Prei­sel­beer­schaum mit kara­me­li­sier­ten Schar­lot­ten. Schon beim ers­ten Bis­sen ver­spü­re ich orgas­ti­sche Wel­len in mei­nen Hirn­win­dun­gen. Über das, was wäh­rend des Haupt­gangs und beim Des­sert pas­siert ist, möch­te ich lie­ber schwei­gen.

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Das schmeckt ein­fach nur schön und rund, rau und wikin­ger­haft – egal ob skan­di­na­vi­sches Buf­fet oder À‑la-car­te-Din­ner. In den zwölf Tagen auf See kann man locker drei Kilo zule­gen, vor­aus­ge­setzt man bewegt sich tat­säch­lich nicht.

Har­tes Leben so an Bord, kann ich euch sagen. Die Plau­ze spannt. Mit letz­ter Kraft schlep­pe ich mich in einen der Ses­sel auf dem Pan­ora­ma­deck und öff­ne mit Müh und Not den obers­ten Hosen­knopf. Erleich­te­rung. Bis zum nächs­ten Mor­gen am Früh­stücks­buf­fet.

Nichts gegen den alten Lind­ström, aber was heu­te so auf Nor­we­gens Schif­fen ser­viert wird … damit hät­ten Amund­sen und sei­ne Crew noch schnel­ler den Süd­pol erreicht.


 

Herz­li­chen Dank an Hur­tig­ru­ten für die Unter­stüt­zung.

Bild Nr. 1: © Natio­nal­bi­blio­thek Nor­we­gen
Bil­der Nr. 3, 6, 8 und 9: © Odd Roar Lan­ge von thetravelinspector.no
Bild Nr. 5: © Hur­tig­ru­ten


Antworten

  1. Avatar von Nord-Peru Reisen

    Oh Mann, jetzt habe ich aber Hun­ger ! Tol­le Pho­tos von tol­len Gerich­ten.

  2. Avatar von Chris
    Chris

    Ich will hier kei­nen Wer­be­pro­spekt lesen, sor­ry! Die meis­ten Bil­der sind auch nicht selbst geschos­sen. Mei­ne Loya­li­tät zur Sei­te geht mit sol­chen Arti­keln ver­lo­ren, was ich doch eigent­lich Scha­de fin­de.
    Außer­dem fin­de ich die­sen Hype um Kreuz­fahr­ten alles ande­re als unter­stüt­zens­wert. Ich selbst bin vor 3 Jah­ren mit dem Fahr­rad ans Nord­kapp gefah­ren und immer schön schnell aus den klei­nen Küs­ten­stätt­chen ent­flo­hen, wenn die Hur­tig­rou­ten ihre woh­lig rund­be­bäuch­ten Pas­sa­gie­re dort­hin aus­ge­kippt haben. Aber da hat wohl jeder so sei­ne Vor­lie­ben.

    1. Avatar von Pia Röder

      Klar, ich wär auch viel lie­ber mit dem Kajak ans Nord­kap gepad­delt. Aber wenn sich schon mal die Gele­gen­heit bie­tet, das ganz auf die fau­le Tour zu machen … Und ja stimmt, ein paar der Bil­der hab ich nicht selbst gemacht. Ich hab das gan­ze lecke­re Essen gese­hen, und bevor ich dran dach­te, die Kame­ra zu zücken, hab ich’s auch schon auf­ge­ges­sen. Man muss Pri­os set­zen. In die­sem Fall: rund­bäu­chig wer­den, um Kreuz­fahrt-Kli­schees zu ent­spre­chen. 😀

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