Zwischen den Wellen und Welten

Es ist ein hei­ßer und ruhi­ger Sonn­tag­nach­mit­tag in die­ser afri­ka­ni­schen Hafen­stadt. Zwi­schen zwei Häu­ser­zei­len tre­ten eini­ge Kin­der gegen einen abge­wetz­ten Leder­ball. Eine alte Frau sitzt in einem Haus­ein­gang und schaut dösend auf die Stra­ße, eini­ge Hun­de und Kat­zen haben sich schat­ti­ge Plätz­chen gesucht und atmen schwer: unter einem der weni­gen Bäu­me, oder unter dem Wrack eines VW-Käfers, der am Stra­ßen­rand schon seit Jahr­zehn­ten vor sich hin zu ros­ten scheint. Aus eini­gen Küchen strö­men mir Gerü­che ent­ge­gen, deren Her­kunft ich nicht zuord­nen kann. Gele­gent­lich lau­fen Frau­en über die Stra­ße, sie tra­gen Wan­nen und Kör­be auf ihren Köp­fen. Was mag da drin sein, fra­ge ich mich, wäh­rend ich durch die Gas­sen bumm­le. Ich füh­le mich wie in Afri­ka.

korb

Rein offi­zi­ell bin ich das auch: Ich bin in Min­de­lo auf der kap­ver­di­schen Insel São Vicen­te. Kap Ver­de wird all­ge­mein zu Afri­ka gerech­net. Nach Afri­ka jedoch, zum Fest­land, ist es weit, über 1000 Kilo­me­ter. Eigent­lich gibt es um die Kap­ver­den her­um nichts als Wel­len: Ich bin mit einem Segel­boot hier ange­kom­men, der Törn von den Kana­ren dau­er­te neun Tage. Min­do­lo ist nur eine Zwi­schen­sta­ti­on für mich, vor mir liegt noch ein See­weg von 3000 Kilo­me­tern über den Atla­ni­schen Oze­an. Ich möch­te nach Süd­ame­ri­ka segeln.

mindelomarina

Plötz­lich füh­le ich mich, als sei ich dort schon ange­kom­men. Beim Bum­meln durch Min­de­lo höre ich auf ein Mal Geräu­sche, die so gar nicht zu die­sem afri­ka­ni­schen Sonn­tag­nach­mit­tag pas­sen. Ich bie­ge um zwei Ecken und schlag­ar­tig ändert sich mein Bild: Eine rie­si­ge Men­schen­mas­se schiebt sich durch die enge Stra­ße und mich gleich mit. Viel­leicht zwei oder drei­tau­send Kin­der, Män­ner und Frau­en tra­gen Kos­tü­me und bun­te Perü­cken, sie sin­gen, lachen und schrei­en ihre Freun­de in die Stadt hin­aus. Ein Tromm­ler­zug mar­schiert mal vor­ne­weg, mal hin­ter­her und mal ver­liert er sich kom­plett in der tan­zen­den Men­ge, wäh­rend unun­ter­bro­chen Sam­ba­rhyth­men trom­melt. Immer, wenn ein bekann­ter Rhyth­mus ange­trom­melt wird, nimmt das Geschrei zu, die Tän­ze wer­den rich­tig wild und es fühlt sich an, als wür­de die Stim­mung jeden Moment wirk­lich über­ko­chen. Selbst die ört­li­chen Poli­zis­ten, die den Zug eigent­lich sichern sol­len, las­sen sich dann zu Spä­ßen und eini­gen Tanz­schrit­ten hin­rei­ßen. Eigent­lich wird hier ein gewon­ne­nes Fuß­ball­spiel gefei­ert, die Men­schen nut­zen die­se Gele­gen­heit ein­fach auch als Vor­be­rei­tung für den Kar­ne­val, der hier in eini­gen Wochen groß gefei­ert wer­den soll.

karneval

Lan­ge Zeit waren die Inseln hier im Atlan­tik unbe­wohnt, dann kamen zunächst die Por­tu­gie­sen, spä­ter Afri­ka­ner und Süd­ame­ri­ka­ner auf die klei­nen Eilan­den. Die Ein­woh­ner misch­ten sich über die Jahr­hun­der­te, her­aus­ge­kom­men ist ein Schmelz­tie­gel der Kul­tu­ren aus Euro­pa, Afri­ka und Süd­ame­ri­ka – und das kann man an jeder Stra­ßen­ecke beob­ach­ten.

Irgend­wann lan­det die Fei­er­ge­mein­schaft am Strand von Min­de­lo und lässt hier den Sonn­tag aus­klin­geln. Es wird Bier getrun­ken, die Tromm­ler haben ihre Instru­men­te zur Sei­te gelegt, eine klei­ne Dis­ko an der Ufer­stra­ße beschallt den Stadt­strand von Min­de­lo – west­li­che Pop­mu­sik! Ich schlen­de­re lang­sam am Was­ser ent­lang in Rich­tung Boots­ha­fen, wo das Schiff liegt, das mich nach Süd­ame­ri­ka brin­gen wird. Der Hafen wird von einem Deut­schen geführt, bemer­ke ich, als ich in gebro­che­nem Por­tu­gie­sisch mein letz­tes Bier für heu­te an der Hafen­bar unter frei­em Him­mel bestel­le. Wo bin ich hier eigent­lich, die­se Fra­ge geht mir heu­te nach mei­nem Aus­flug zwi­schen die Wel­ten nicht mehr aus dem Kopf. Irgend­wie gefällt mir das.

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Antwort

  1. Avatar von Matthew

    Hi Timo, dei­ne Beschrei­bung von Kap­ver­den und dein Erleb­nis klingt span­nend und erweckt eine rie­si­ge Wan­der­lust in mir. Kap­ver­den ist eine der schoe­nen afri­ka­ni­schen Inseln, die ich in der nae­he­ren Zukunft ger­ne back­pa­cken wer­de. I can’t wait!

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