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Mit ohrenbetäubendem Getöse rauscht das aufgeschäumte Wasser des Dettifoss in die Tiefe. Wir stehen da und blicken voller Ehrfurcht auf die grau-braune Wasserwand, so hoch wie ein zehnstöckiges Gebäude. Inzwischen haben wir schon einige Tage auf Island verbracht, aber so etwas wie den mächtigen Dettifoss haben wir noch nicht gesehen. Weder auf Island noch sonst wo auf der Welt.
Der Dettifoss ist der leistungsstärkste Wasserfall Europas
Vor wenigen Tagen saßen wir noch zuhause im warmen München – bei weit über 30 Grad. Hier auf Island herrscht aber selbst im Hochsommer ein anderes Klima. Die Nacht verbrachten wir im Zelt. Wo genau? Das wissen wir nicht. Dichter Nebel nahm uns die Sicht. Vor Nebel konnten wir die Hand vor Augen kaum sehen. Dazu Temperaturen um den Gefrierpunkt und der Wind kam direkt aus der Eishölle, so schien es uns zumindest.
Nein, Island ist kein Land für feine Gemüter. Das mussten wir schon bei unserer Ankunft vor wenigen Tagen erleben. Die raue Vulkaninsel im hohen Norden empfing uns mit einer steifen Brise. Unsere erste Nacht im Zelt irgendwo an der schroffen Südküste war kurz und unbequem. Dass es zu dieser Jahreszeit nie dunkel wird, das störte uns nicht. Es war der unbarmherzige Wind, der die ganze Zeit an unserem Zelt rüttelte – und dazu die Kälte, die durch Mark und Bein ging.
Am Morgen weckte uns die Sonne und der Wind hatte sich gelegt. Ein seltenes Ereignis, wie wir in den nächsten Tagen feststellen werden. Strahlend blauer Himmel, leuchtend grüne Wiesen und riesige Lupinenfelder – so empfing uns Island am zweiten Tag.
Auf Island kann man sein Zelt beinahe überall aufbauen
Nach gut einer Stunde Fahrt erreichen wir den Nationalpark Þingvellir. Es sind nur wenige Gehminuten zum Oxarafoss, dem ersten Höhepunkt auf unserer Island-Rundreise, die wir entgegen dem Uhrzeigersinn abspulen. Ein guter Bekannter riet uns dringend dazu. Er muss es wissen, er ist Isländer und weiß um die Naturgewalten und Besonderheiten hier auf der Insel. Im Norden regnet es noch öfter als im Süden – daher sollte der Süden immer am Anfang einer Rundreise stehen. Nasse Klamotten und ein durchweichtes Zelt trocknen bei den klimatischen Bedingungen auf Island nur schwer – und je länger wir unsere Ausrüstung trocken halten, um so besser.
Der Oxarafoss
Leider macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Eine Anhalterin erzählt uns, dass dieser Sommer außergewöhnlich kalt und nass sei – im Hochland hatte es zuletzt sogar geschneit.
Die atemberaubende Landschaft macht das wett. Überall blubbert es und Geysire schießen laut zischend in den Himmel. Im Heißwassertal Haukadalur am Fuße des Berges Laugarfjall brodelt die Erde. Die heißen Quellen liegen in einem Vulkangebiet und zeugen noch heute von der Entstehungsgeschichte der Erde. Empfindlichen Nasen sei gesagt, dass der übel riechende Schwefelgeruch nur schwer zu ertragen ist.
Der Strokkur schießt alle paar Minuten eine riesige Wasserfontäne in den Himmel
Ganz anders beim Gullfoss, der mit dem Auto einen Katzensprung entfernt ist. Die Luft ist kühl und klar – eine Wohltat für unsere von Abgasen geschundenen Großstadtlungen. Die Gischt des riesigen Wasserfalls erreicht uns noch in einigen hundert Metern Entfernung – je nachdem, wie der eisige Wind gerade steht. Es ist ein erhabenes Gefühl, hier oben an der Klippe zu stehen, vor unseren Füßen einer der beeindruckendsten Wasserfälle Islands. Die pure Kraft spüren wir aber erst direkt am Gullfoss. Ein bequemer Wanderweg führt bis an die Abbruchkante, an der das Wasser über zwei Stufen um über 30 Meter in die Tiefe rauscht.
Der mächtige Gullfoss
Am nächsten Abend stehen wir am schwarzen Lavastrand von Vík í Mýrdal – wohl einem der magischsten Orte auf Island. Brachiale Brecher schlagen immer wieder an Strand. Gerade im Winter passieren hier oft tragische Unglücke mit allzu unvorsichtigen Touristen, die die Naturgewalten unterschätzen. Wie aus dem Nichts schwemmen plötzlich tsunamiartige Wellen an den Strand und reißen alles und jeden mit.
Der Lavastrand von Vík í Mýrdal
Auch ein Stop im Vatnajökull Nationalpark darf auf unserer Island-Reise nicht fehlen. Die Wanderschuhe müssen unbedingte ins Gepäck, will man das riesige Gebiet erkunden. Mit einer Fläche von über 14.000 Quadratkilometern kann man den größten Nationalpark Europas zwar nur ankratzen, aber das alleine ist eine einmalige Erfahrung. Zu den leichten Wanderungen zählt die Tour zum Svartifoss. Der Wasserfall ist weder der höchte noch der mächtigste auf Island, liegt aber inmitten einer einmaligen Basaltlandschaft, was ihn so einzigartig macht.
Der Svartifoss ist eines der Highlights im Vatnajökull Nationalpark
Einzigartig ist wohl auch die Wanderung zur Skaftafellsjökull-Gletscherzunge, zu der wir am Abend aufbrechen. Anfang passieren wir einen riesigen See, der sein Wasser vom Vatnajökull, dem größten Gletscher Islands, bezieht. Überall knarzt und knirscht es und riesige Eisblöcke krachen in das braune Wasser. Das Eis ist ständig in Bewegung – ein einmaliger Anblick und ein unbeschreibliches Erlebnis. Der Gletscher zieht immer wieder Abenteurer an, die den Naturgewalten trotzen wollen. Am Zustieg zum Gletscher erinnert eine Gedenktafel an zwei deutsche Bergsportler, die hier ihr Leben verloren und nie gefunden wurden. Ein beklemmendes Gefühl überkommt mich, als ich mich in die aussichtslose Lage der beiden versetze, eingeschlossen von Millionen Tonnen von Eis.
Der Schmelzwassersee am Ende der Skaftafellsjökull-Gletscherzunge
50 Kilometer entfernt liegt der Gletschersee Jökulsárlón, der ebenfalls vom riesigen Vatnajökull gespeist wird. Die Sonne ist längst untergegangen und die Temperaturen sind empfindlich gesunken. Den Seehunden ist das herzlich egal. Immer wieder lugt ein Kopf zwischen den riesigen Eisbergen aus dem Wasser, um gleich danach wieder abzutauchen.
Eisberge im Gletschersee Jökulsárlón
An der Küste liegen unterdessen hunderte riesiger Diamanten, so scheint es zumindest. Die Eisberge strömen mit brachialer Gewalt aufs offene Meer, um dann als Eisdiamanten an den schwarzen Lavastrand gespült zu werden. Ein atemberaubendes Schauspiel, das mir in dieser Nacht den kompletten Schlaf raubt. Ich eile im Dämmerlicht der Nacht stundenlang von einem Eisdiamanten zum nächsten. Ein erhabenes Gefühl, denn um diese Uhrzeit ist hier weit und breit keine Menschenseele zu sehen.
Eisdiamanten an der Küste von Island
Schneller als ich bis drei zählen kann, schiebt sich die wärmende Sonne schon wieder über den Horizont und verwandelt die kühle Landschaft in ein farbenprächtiges Meer aus Eis und Wasser.
Sonnenaufgang in der Gletscherlagune Jökulsárlón
Unsere Reise führt uns ein ganzes Stück weiter zum Dettifoss im Nordosten der Insel. Im Osten Islands ist kaum noch etwas los – ein krasser Gegensatz zum Westen, wo die Reisebusse Heerscharen von Touristen zu den Top-Spots chauffieren. Wir fahren an zerfallen Häusern vorbei, an Pferdeherden und hunderten Schafen, die auf saftigen Wiesen grasen, an schroffen Bergen, steilen Klippen und hohen Wasserfällen. Gegen Mitternacht erreichen wir endlich den Dettifoss. Es ist Geisterstunde. Die Nacht verbringen wir wie auf der gesamten Reise im Zelt. Dichter Nebel nimmt uns die Sicht. Wir können die Hand vor Augen kaum sehen. Dazu Temperaturen um den Gefrierpunkt und der Wind kommt direkt aus der Eishölle, so scheint es uns zumindest.
Am Mückensee erwartet uns so etwas wie Luxus: Duschen und warmes Wasser auf dem Campingplatz – ein Hochgenuss. Das heiße Wasser prasselt uns auf den Kopf. Wir hatten schon vergessen, wie sich das überhaupt anfühlt. Wir tanken Energie für das nächste Abenteuer, das uns in Húsavík erwartet. Trotz Wind und Regen stechen wir mit einem Segelschiff in See. Zwei Stunden geht das gut, dann überkommt mich die Übelkeit. Immer wieder tauchen Walflossen in der zerklüfteten See auf – genießen kann ich das nicht. Nein, ich verfluche jede Sekunde auf dieser Nussschale. Erst als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, realisiere ich, das wir hier eben Wale gesehen haben. Mit den großen Meeressäugern ist das wie mit dem ersten Kuss oder der ersten Island-Reise: das erste Mal vergisst man nie.
Fluke eines Wals beim Abtauchen
Spät am Abend machen wir uns auf den Weg zum Aldeyjarfoss, der mit einem normalen Auto zumindest offiziell nicht zu erreichen ist. Um nichts zu riskieren, machen wir uns zu Fuß auf den beschwerlichen Weg. Der Wind peitscht uns ins Gesicht und würden wir nicht einer Schotterpiste folgen, wir würden uns in dieser Nebelsuppe wohl hoffnungslos verlaufen. Dann liegt der Aldeyjarfoss plözlich vor uns. Der Fluss Skjálfandafljót stürzt zwar nur 20 Meter in die Tiefe. Durch den starken Kontrast zwischen den dunklen Basaltsäulen und der weißen Gischt des eisigen Wassers strahlt dieser Ort aber eine ganze besondere Magie aus. Der Aldeyjarfoss zieht uns so in seinen Bann, dass wir am nächsten Tag noch einmal auf dem hohen Kliff stehen, von dem aus man den besten Blick auf den Wasserfall hat.
Der Aldeyjarfoss
Eine ganz besondere Magie geht auch vom Basaltfelsen Hvítserkur aus, den wir tief in der Nacht erreichen. Der Wind an der Steilküste ist brutal. Der Zeltaufbau artet ist ein Geduldsspiel aus, aber am Morgen hat sich der Sturm gelegt – und dann liegt er vor unseren Füßen, der Hvítserkur. Wie ein urzeitlicher Dinosaurier ragt das schwarze Ungetüm an dem feinen Sandstrand in den Himmel. Unzählige Vögel schwirren um das Urvieh, immer auf der Jagd nach Beute für den Nachwuchs.
Der Basaltfelsen Hvítserkur scheint vollkommen fehl am Platz
Wir brechen auf in Richtung Westfjorde. Wir durchqueren tiefe Täler und schneebedeckte Berggipfel ziehen an uns vorbei. Am Himmel zieht sich eine bedrohliche Wolkenfront zusammen. Wir fahren eine Ewigkeit durch die mystische Landschaft, die uns in einem Teil der „Herr der Ringe“ wähnt. Wir folgen der Küstenstraße, die immer wieder atemberaubende Ausblicke gewährt. Linkerhand geht es ungesichtert teils mehrere hundert Meter in die Tiefe, rechts türmen sich hunderte Meter hohe Fels- und Geröllwände auf.
Nach ein paar Stunden Schlaf und völlig erschöpft machen wir uns auf den Weg zum riesigen Dynjandi Foss. Die Natur ist unwirtlich und überall neben der staubigen Piste zeugen riesige Schneefelder davon, wie brutal der Winter hier ist. Der Dynjandi Foss ist ein weiteres Highlight auf unserer Reise. Überall plätschert es und über allem trohnt der riesige, 100 Meter hohe und 60 Meter breite Wasserfall, dessen Gischt hunderte Meter weit ins Land getragen wird.
Der Dynjandi Foss in den Westfjorden Islands
Am äußersten Westzipfel Islands erwartet uns eine riesige Vogelkollonie. Millionen Vögel sind es, die hier in der steilen Felsklippe brüten und für eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse sorgen. Man braucht nicht viel Glück, um auf Papageientaucher zu stoßen. Die etwas tollpatschig anmutenden Vögel haben keine Angst vor Menschen und sind ein dankbares Motiv für jeden Fotografen. Wer dem Trubel entkommen will, zieht sich seine Wanderschuhe an und folgt dem schmalen Pfad an der Steilküste hoch über dem Meer. Schon nach wenigen Minuten sind wir vollkommen alleine – nur die Vögel, die werden wir nicht los.
Die Papageientaucher sind dankbare Fotomodelle
Wanderung in den Westfjorden
Tags darauf stehen wir vor dem mächtigen Berg Kirkjufell, in dessen Vordergrund sich ein imposanter Wasserfall ergießt. Diese atemberaubend schöne Landschaft stammt aus der Feder des größten Designers der Geschichte: der Natur. Als die Sonne gegen Mitternacht hinter dem Horizont verschwindet, leuchtet der Himmel in den schönsten Farben – ein für alle Zeiten unvergesslicher Moment. Hier – und es ist nicht das erste Mal auf dieser Reise – wird uns wieder einmal vor Augen geführt, wie klein und unbedeutend wir doch alle sind.
Der Berg Kirkjufell nach Sonnenuntergang
Das gleiche Gefühl überkommt uns, als wir hoch über dem Meer vor einer riesigen Felswand stehen, an der ein imposanter Wasserfall steil nach unten rauscht. Ob wir die Erstentdecker sind? Viele scheuen wohl den steilen weglosen Aufstieg bis zum Fuße des Wasserfalls, von dem aus man über die gesamte Küste blickt.
Überall auf Island findet man imposante Wasserfälle
Den krönenden Abschluss unserer Island-Reise markiert der 200 Meter hohe Glymur.
Der Glymur stürzt 200 Meter in die Tiefe
Die Wanderung zu Islands inzwischen nur noch zweithöchten Wasserfall hat es stellenweise durchaus in sich. Uns macht vor allem der eisige Wind in dieser Höhe zu schaffen. Viele Wanderer kämpfen aber mehr mit den teils recht steilen Passagen, die es auf dem Weg zum Glymur zu überwinden gilt. Nein, Island ist kein Land für feine Gemüter. Das wissen wir jetzt.
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Antworten
Danke für den tollen Bericht.
Island ist ein geniales Land. Wir waren 2011 dort und dieses Jahr geht es wieder hin.
Da das Wetter im Norden meist anders als im Süden ist, ist einfach treiben lasen und nichts verbuchen eine gute Option.
Speziell wenn man auch ein Zelt dabei hat.Geniale Fotos und perfekte News beim Suchen nach Infos zu Island – vielen Dank für den tollen Bericht 🙂
Tolle Fotos und ein super Artikel! Danke dafür! Nächsten Monat geht es für mich zum zweiten Mal nach Island und die Vorfreude ist riesig! Mal sehen, ob man das zweite Mal Island auch nie vergisst! 😉
Viel Grüße,
WilliHallo Florian,
danke für den Einblick ins wunderschöne Island.
Bilder sagen mehr wie tausend Worte. Die Natur der rauen Insel scheint unberührt und einzigartig. Wandern und campen in Island, klingt nach Abenteuer. Ich bin begeistert!
Grüße aus Laos
AlexHi Alex,
vielen Dank
Island ist schon noch ein Abenteuer, auch wenn inzwischen natürlich wirklich viele Leute hinfahren. Man muss halt die großen Touristenströme halbwegs umgehen
Viele Grüße
Florian
Anne Junker 🙂
Daniel Bühler … packst Du das ?
Wow – klasse Beitrag und wirklich beeindruckende Bilder !!
Dankeschön 🙂
Wie herrlich, Florian. Du hast mich soeben in meinen Islandurlaub im September zurückversetzt. Vor allem die Westfjorde haben mich begeistert und am liebsten möchte ich sofort wieder hin.
Der Hvítserkur und der Aldeyjarfoss standen leider nicht auf meinem Programm, aber beim nächsten Mal möchte ich dort gerne hin 🙂 Vielen Dank für die Anregung.
Island ist wirklich traumhaft und die raue Natur einfach unbeschreiblich. Wir hatten leider auch großes Pech mit dem Wetter im September: nass, kalt, Sturm. Witzigerweise war bei uns der Süden total verregnet und der Norden etwas besser. Obwohl wir im Camper unterwegs waren, war es sehr schwierig unsere Sachen wieder irgendwie trocken zu bekommen. Dennoch war der Islandurlaub ein Wahnsinn und wird mir ewig in Erinnerung bleiben.
Viele Grüße
DoriHi Dori,
bei uns war es auch so, dass der Süden noch problematischer war als der Norden. Manchmal spielt das Wetter eben verrückt 🙂 Aber nur so macht es doch auch Spaß
Viele Grüße
Florian
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