Es gibt diese Momente im Leben, da muss man etwas Verrücktes gerade stellen. Wenn man zu weit ging, Gefühle verletzte, Vertrauen zerstört hat. Heute ist für mich ein solcher Moment gekommen, und ich werde mich von der Last befreien, die seit einiger Zeit auf meinen schmalen Schultern lastet.
I’m sorry, Lonely Planet
So vollmundig hatte ich mich vor der Reise von dir losgesagt (»Auf Nimmerwiedersehen, Lonely Planet«), der Diktatur deiner gesiebten Informationen würde ich entfliehen, meine eigenen Wege gehen. Frei sein!
Oh, wie stolz war ich, als ich die ersten Monate reiste, durch Osteuropa und den Balkan, ohne Reiseführer! Mit einem feinen Lächeln dachte, „so reist der wahre Reisende!“. Und gut lief es, ja, die Wege öffneten sich mit Leichtigkeit, Reisetipps kamen von Reisekollegen und die besten Hostels fand ich im Internet.
Der Sündenfall
Ein perfides australisches Paar kreuzte meinen Weg und schenkte mir einen Reiseführer über Albanien. Ich kämpfte kurz, sehr kurz, mit den Dämonen der Bequemlichkeit, und verlor. Das Teufelswerk begleitete mich, bis ich es an eine andere verdammte Seele weitergab. Der Beginn meines moralischen Verfalls war nicht mehr aufzuhalten…
Heute sieht meine Welt anders aus. Scheinbar bin ich frei! – doch versteckt vor den Augen der Menschen sammeln sich Lonely Planet-Reiseführer als pdf’s auf meiner Festplatte! Georgien, Armenien, Iran, Jordanien und Türkei, ich hab sie alle dabei!
Jetzt ist es raus! Doch hört mich an, bevor ihr mich verurteilt.
Ich benutze dich, Lonely Planet, und das ist gut so.
Dort, wo viele eine verständliche Sprache verstehen, wo die Zivilisation der Backpacker ihr Netz gebaut hat, wo es Landkarten für Besucher gibt, wo Unterkünfte sich im Internet präsentieren – dort bist du nur Ballast, oder eine Datei aus 1en und 0en, immer veraltet und sicherlich deswegen etwas deprimiert.
Doch in fernen, abgelegenen Gegenden, in denen die Eingeborenen etwa russisch lernen statt englisch, Besitzer von Pensionen nicht wissen, was dieses Internet zum Teufel sein soll und Straßenschilder in Hieroglyphen verfasst sind (falls sie existieren) – da entfaltest du deine Macht, wirst mein Ratgeber und listenreicher Einflüsterer meiner nächsten Ziele. Nicht so allgegenwärtig wie in Buchform, auch glaube ich deinen schmeichelnden Worten nur selten – und doch unverzichtbar in vielen Momenten.
Ich brauche dich. Ich will dich. Danke, dass es dich gibt.


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