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Erbil, Irak: 53° C, heiter bis wolkig

Die­ser Wind. Durch die stau­bi­gen Stra­ßen fegt er, uner­bitt­lich. Wie ein rie­si­ges Heiz­ge­blä­se zer­mürbt er den letz­ten Rest Hirn­ak­ti­vi­tät. Syn­ap­sen. Ver­kle­ben. Nie hät­te ich gedacht, dass Wind bei Hit­ze so uner­träg­lich sein kann!

Unser Hotel­zim­mer hat kein Fens­ter. Es ist ein hal­be Bau­stel­le. Der Mann, der das Bad in unse­rem Bei­sein putzt, tut dies offen­sicht­lich zum ers­ten Mal in sei­nem Leben. Er ver­braucht eine kom­plet­te Fla­sche Des­in­fek­ti­ons­mit­tel, und am Ende ist alles immer noch ekel­haft dre­ckig. Ver­kleb­te Haa­re am Boden, ein schmie­ri­ges Klo. Ser­vice für sieb­zig US-Dol­lar.

Aber wir haben Air­con­di­tio­ning. Alles Ande­re ist neben­säch­lich.

Es ist Frei­tag, der Sonn­tag für Mus­li­me. Fast alles ist zu. Ver­zwei­fel­te Suche nach Bana­nen. Es ist so heiß! Ah, ein Saft­la­den hat wel­che. Der Besit­zer wei­gert sich vehe­ment uns etwas zu ver­kau­fen, was nicht im Stand­mi­xer mit dre­cki­gem Was­ser zu Baby­brei ver­ar­bei­tet wur­de. Er wür­de sie mit sei­nem Leben ver­tei­di­gen, bin ich mir sicher. Alex ist außer sich. Er hat Hun­ger!

Essen. Wie über­all bis­her im Iraq gibt es die Aus­wahl zwi­schen Fleisch­spie­ßen aus Chi­cken, oder Fleisch­spie­ßen aus Fleisch­pam­pe. Auf Reis mit Rosi­nen, dazu außer­dem (unge­fragt und stan­dard­mä­ßig) Was­ser, Salat, ein oder zwei Sup­pen, ein­ge­leg­tes Gemü­se in Varia­tio­nen und ver­brann­tes Brot. In einem über­füll­ten Laden esse ich Chi­cken, Alex besteht sei­nem Magen zulie­be auf Reis und ver­brann­tem Brot. Über­all wird geschrien, wild ges­ti­ku­liert oder Jun­gen mit Essen wuseln her­um. Habe ich schon erwähnt, dass das Gefühl für Hygie­ne kei­ne dem Men­schen ange­bo­re­ne Eigen­schaft zu sein scheint? Nur Imo­di­um akut hält mei­nen Magen­in­halt am rech­ten Fleck.

In der Mit­te von Erbil, der Haupt­stadt des kur­di­schen Iraq, liegt auf einer Erhö­hung die von einer hohen Stadt­mau­er umschlos­se­ne Alt­stadt. Seit 8.000 Jah­ren ist die­ser Ort bewohnt – bis 2006. Da wur­den die Flücht­lin­ge und armen Fami­li­en umge­sie­delt, nur eine ein­zi­ge Fami­lie lebt noch dort (damit es immer noch als »bewohnt« gilt…). Alles scheint flucht­ar­tig ver­las­sen wor­den zu sein. Der freund­li­che Sol­dat lässt uns vor­bei. Die stau­bi­ge Geis­ter­stadt ist eine groß­ar­ti­ge Kulis­se für unser Video-Pro­jekt. Es ist ein Wun­der, dass wir dafür die Ener­gie auf­brin­gen kön­nen!

Wie­der ein­mal in die­sem Land tref­fen wir die net­tes­ten Men­schen der Welt. Nie­mals zuvor wur­de uns der­ar­tig oft eine unbe­schreib­li­che Freund­lich­keit und Hilfs­be­reit­schaft gezeigt. Kom­bi­niert zumeist mit unfass­ba­rer Inef­fek­ti­vi­tät und kind­li­chem Unver­ständ­nis unse­rer Wün­sche… manch­mal fehl­te nur noch, dass wir um Auto­gram­me gebe­ten wür­den…

Ein König­reich für einen Super­markt! Alles, nur kein Chi­cken bit­te! Ohne Taxi kei­ne Chan­ce, ver­ste­he einer war­um. Um neun Uhr abends geben wir auf und fah­ren in einen Vor­ort, ein Para­dies! Joghurt und Früch­te, spä­ter im Hotel­zim­mer auf dem Boden ver­speist. Gren­zen­lo­ser Genuss…!

Erschienen am



  1. […] Sprach­kurs in Frank­reich habe ich vie­le Freun­de in Kur­di­stan (Nord­irak) und über­le­ge des­we­gen nach Arbil zu fah­ren. Soll ich oder nicht? Sogar das Aus­wär­ti­ge Amt gibt grü­nes […]

  2. Avatar von Caroline

    53 Grad und die Men­schen tra­gen Socken. Ver­rück­tes Land

  3. Avatar von julie
    julie

    I can feel the heat by just loo­king at ur pic­tu­re!

    1. Avatar von klys

      hey julie, thanks! best gree­tings to new york!

  4. Avatar von Anni

    Um Allahs Wil­len kein Immo­di­um, Immo­di­um ist der Teu­fel! Brot ist gut, immer schoen Brot, Broooot…

    1. Avatar von klys

      haha ich erin­ne­re mich an eine schö­ne geschich­te dei­ner­seits zum the­ma 😀 ich mag mein immo­di­um trotz­dem… eine tablet­te, drei tage ruhe im kar­ton!

  5. Avatar von Antrophologe
    Antrophologe

    Sind wir nicht in unse­rem tiefs­ten Wesen ein­ache Schwei­ne und ledig­lich durch moder­ne Kul­ur­tech­ni­ken ver­saut?
    Nur durch Ent­kul­tu­ra­ti­on ist das Ekel­ge­fühl zu über­win­den. Daher, schmei­ße weg das Imo­di­um und raus mit dem Magen.
    Los­las­sen gibt Kraft zum Wei­ter­ge­hen.

    1. Avatar von Prediger
      Prediger

      Beden­ke bei dei­nen klu­gen Wor­ten aber Mat. 7,6:
      Gebet nicht das Hei­li­ge den Hun­den; wer­fet auch nicht eure Per­len vor die Schwei­ne, damit sie die­sel­ben nicht etwa mit ihren Füßen zer­tre­ten und sich umwen­den und euch zer­rei­ßen.

    2. Avatar von Bademeister
      Bademeister

      Dir hat die Hit­ze wohl die Schä­del­de­cke ver­brannt! Spin­ner!!

    3. Avatar von klys

      das ist har­ter tobak! 😀

  6. Avatar von Sittenwächter
    Sittenwächter

    Afri­ka­ni­sche Lurch­krö­ten wer­den ab 53 Grad erst rich­tig ram­me­lig und lau­fen zu Höchst­form auf.
    Also bit­te etwas mehr con­ten­an­ce, mei­ne Her­ren.

    1. Avatar von klys

      dan­ke für die wert­vol­le auf­klä­rung, wir wer­den sie bei unse­ren nächs­ten aus­flü­gen recht­zei­tig kon­sul­tie­ren, um nicht wei­te­re sol­cher faux­pas zu bege­hen…

  7. […] auch auf einem, sagen wir mal, unge­wöhn­li­chen Weg durch die Welt. Heu­te kommt sein Bericht aus Erbil im Irak, und da ist es nicht nur etwas bizarr, son­dern im Som­mer auch sehr, sehr […]

    1. Avatar von klys

      wel­che ehre… 🙂

  8. Avatar von alex
    alex

    klingt nach spass;-)

    1. Avatar von klys

      aber hal­lo!

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