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Ich erwische mich selbst immer wieder bei Gedanken, die Pakistan in ein schlechtes Licht rücken. Oft befürchte ich, als Ausländer erkannt und dann abgezockt zu werden. Doch die Realität überrascht mich. Selbst auf dem kleinen Rummel neben dem Hotel gibt es Tickets für die Fahrgeschäfte – 50 Rupien pro Fahrt, kein Verhandeln, einfach organisiert. So, wie wir Deutschen es lieben: klare Regeln, transparente Preise. Ein unerwartetes Gefühl von Ordnung in einem Land, das in vielerlei Hinsicht chaotisch wirkt.
Doch nicht alles lässt sich so einfach einordnen. Besonders das Bild der Frau ist ein Thema, das uns während unserer Reise immer wieder beschäftigt. In Islamabad sehen wir viele Frauen – sie fahren Auto, arbeiten in Geschäften, gehen ihrem Alltag nach. In Faisalabad hingegen scheint die Welt eine andere zu sein. Auf den Straßen sehen wir kaum eine Frau. Meine hellhäutige Frau zieht unweigerlich Blicke auf sich. Männer starren sie an, einige halten ihr Handy verstohlen hoch, um heimlich Fotos von ihr und den Kindern zu machen.
Wenn eine junge Frau im Hotel arbeitet, hat sie es dann „geschafft“? Ist das ein Zeichen von Emanzipation? Oder wird von ihr trotzdem erwartet, nach der Hochzeit zu Hause zu bleiben?
Bei meiner Großfamilie ist die Antwort klar. Die Frauen werden auf ihre Rolle als Ehefrau vorbereitet. Sie gehen zur Schule – aber nur so weit, wie es notwendig ist. Ihr Leben ist vorbestimmt: Haushalt, Kinder, Kochen. Eine Rollenverteilung, wie sie auch in Deutschland noch vor nicht allzu langer Zeit existierte. Ich frage mich, ob sich auch hier die traditionellen Rollen ändern – und wie lange es dauern wird, bis sich eine Gleichberechtigung durchsetzt. Falls ja – es wirkt für mich zumindest nicht danach, als würde es schnell gehen.
Einkaufen zwischen zwei Welten
Früher haben wir vor unseren Pakistan-Reisen die deutschen Supermärkte regelrecht geplündert: Zahnpasta, Duschgel, Schokolade – Dinge, die es damals in Pakistan kaum gab. Heute ist das anders. Pakistan hat sich entwickelt, internationale Marken sind überall erhältlich. Doch das Label Made in Germany hat nach wie vor einen besonderen Stellenwert. Man freut sich über deutsche Produkte, als wären sie ein kleines Stück Luxus.
Dieses Mal haben wir beschlossen, nur den Kindern Geschenke mitzubringen. Doch als es um Kleidung geht, stehen wir vor einem Dilemma. Die meisten Textilien in Deutschland stammen aus Asien – warum also dort kaufen und sie hierher bringen, wenn wir direkt vor Ort einkaufen können? Also entscheiden wir uns, den Shoppingtrip mit den Kindern lieber in Faisalabad zu machen.
Faisalabad hat sich gewandelt. Drei neue Malls sind in den letzten sechs Jahren entstanden. Unser Ziel: die Lyallpur Galeria. Für einige der Kinder ist es das erste Mal in einem Einkaufszentrum. Ihre großen Augen, die vorsichtigen Schritte, das Gefühl, in einer ganz anderen Welt zu sein. Viele von ihnen wurden extra für diesen besonderen Ausflug zurechtgemacht. Stolz laufen sie durch die breiten Gänge, zwischen internationalen Modemarken und glitzernden Schaufenstern.
Der Rückweg und noch einmal Islamabad bei Regen
Als ob der liebe Gott es ahnte: Es regnet in Strömen, als wir uns von meiner Familie verabschieden. Ein Abschied voller Fragen – ist es das letzte Mal, dass ich einige von ihnen sehe? Werden wir uns in sechs Jahren noch einmal so wiedersehen, oder sind einige dann bereits verheiratet, Eltern geworden, in einem anderen Lebensabschnitt? Man weiß es nicht. Doch eines ist sicher: Es darf nicht noch einmal sechs Jahre dauern.
Es ist kein einfacher Abschied. Kein „Tschüss, bis bald!“, sondern ein Lebewohl über eine Distanz von über 6.000 Kilometern. Während ich diese Zeilen schreibe, steigen mir die Tränen in die Augen. Familie in Pakistan bedeutet Verbundenheit, enge Freundschaft, füreinander da sein – eine Art von Nähe, die mir in Deutschland oft fremd erscheint.
Der Fahrer bringt uns durch den strömenden Regen zurück nach Islamabad. Der Himmel ist grau, die Straßen sind nass, und mit jeder Kurve durch den Punjab werden die Gedanken schwerer. In Islamabad checken wir ins Marriott Hotel ein – ein Hotel mit Geschichte. 2008 wurde es Ziel eines verheerenden Bombenanschlags. Das Wissen darum sorgt für ein mulmiges Gefühl, doch es bleibt eines der renommiertesten Hotels des Landes. Hier treffen wir auf Geschäftsleute, Diplomaten, Reisegruppen – und plötzlich, völlig unerwartet, tippt mich jemand auf die Schulter. Ein Bekannter aus Berlin. Wir haben uns 2016 dort getroffen, nun sehen wir uns zufällig in einem Hotel in einem Land mit 220 Millionen Einwohnern. Ein Moment, der die Welt plötzlich klein erscheinen lässt.
Der Abschied am nächsten Tag fällt schwer. Die Fahrt zum Flughafen dauert 45 Minuten – Zeit, um ein letztes Mal die Stadt aufzusaugen. Die Straßenverkäufer mit ihren bunten Waren, die kleinen schwarzen Taxis, die Gebetsrufe der Moscheen, die uns fünfmal täglich begleitet haben. Am Flughafen angekommen, folgen vier letzte Sicherheitskontrollen. Und immer wieder die neugierige Frage: Wie fanden Sie es in Pakistan?
Ein Sicherheitsbeamter erkundigt sich, wohin unsere Reise geführt hat. Als wir Faisalabad erwähnen, strahlt er. „Ich komme von dort!“, sagt er voller Stolz. Zum Dank für unseren Besuch lädt er uns zum Tee ein – eine kleine Geste, die so viel über die Gastfreundschaft dieses Landes aussagt.
Doch unsere Reise endet nicht am Gate. Auch im Flugzeug gehen die Geschichten weiter. Der Flugbegleiter, der sich besonders liebevoll um unsere Kinder kümmert, erzählt von seinem eigenen Leben. „Als Mann in Pakistan hat man immer Verantwortung“, sagt er. „Für die Familie, für das Einkommen, für die Versorgung. Und wenn man denkt, es sei vorbei, muss man seine Kinder verheiraten und sich weiter kümmern.“
Er erzählt von seinen Kindern, mit leuchtenden Augen. Doch er hebt sie nicht mehr auf den Arm – sie sind mittlerweile 14.
„Wenn man etwas für sich selbst tun will“, fügt er hinzu, „gilt man als egoistisch.“
Ein weiteres Gespräch führen wir mit einem Mann, der eine Norwegerin geheiratet hat. In Norwegen wachsen Kinder sehr behütet auf, erzählt er. „Wie in einem Kokon“, sagt er. „Sie haben keine Chance, das echte Leben kennenzulernen.“ Deshalb überzeugte er seine Frau, nach Paris zu ziehen, wo sie ihre Kinder mit mehr Realitätssinn aufwachsen lassen.
Bei all der Unterschiede zwischen unseren Lebenswelten gibt es eine Konstante, die uns verbindet: die Liebe zu Pakistan.
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