Backpacker – Was für Typen! (1)

Als Mar­tin neu­lich von sei­ner Back­pa­cker-Welt­rei­se heim­kehr­te und so von unter­wegs erzähl­te – so, als sei er nur für eine Woche zum Strand­ur­laub auf Mal­lor­ca gewe­sen – beschloss ich ihn zu has­sen.

Mar­tin, der mit dem Ruck­sack auf dem Rücken, und der Mar­tin, den mei­ne Freun­din nun seit einer gefühl­ten Ewig­keit mit leuch­ten­den Augen anhim­melt, als er gera­de wie­der zu einer sei­ner Schwär­me­rei­en ansetzt – dies­mal über den Teava­ro Beach, sei­nen abso­lu­ten Favo­ri­ten in Fran­zö­sisch-Poly­ne­si­en. Wo sonst.

Die­sen Back­pa­cker-Typen, der nun bereits 192 der 193 UN-Mit­glieds­staa­ten bereist hat und der sich aus­kennt. Nur Gui­nea Bis­sau feh­le ihm noch, weil dort kürz­lich ein Mili­tär­putsch tob­te, es ganz uner­war­tet Pro­ble­me mit der Ein­rei­se gab und er zu der Erkennt­nis gekom­men sei, daß die feucht­hei­ße Regen­zeit ohne­hin sei­ne Sucht nach Aben­teu­er sabo­tiert hät­te. Nor­mal mache es ihm als Back­pa­cker gar nichts aus, auch ein­mal aus einem Kri­sen­ge­biet mit dem Hub­schrau­ber aus­ge­flo­gen zu wer­den.

„Echt nicht?“ fragt mei­ne Freun­din unbe­küm­mert nach und ich kann nicht ein­mal mehr die Augen ver­dre­hen. Mei­ne größ­te Ent­de­ckung des ver­gan­ge­nen Jah­res beschränkt sich auf den neu­en Grie­chen der Ein­kaufs­pas­sa­ge, der in dem schma­len Haus, zwi­schen H und M und Zara.

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Wir hat­ten die­ses Jahr in der Pen­si­on Son­nen­wind auf Rügen Urlaub gemacht. Mar­tin macht kei­nen Urlaub. Mar­tin schläft im On On Hotel, in dem vor ihm schon Leo­nar­do DiCa­prio in »The Beach« abstieg. Wer Mar­tin so zuhört, könn­te auf die Idee kom­men, nicht der Aus­tra­li­er Tony Whee­ler, son­dern Mar­tin habe die Back­pa­cker-Bibel, den Lonely Pla­net, erfun­den. Mar­tin ist der per­fek­te Rei­se­füh­rer. Er ist einer von 6 Back­pa­cker-Typen, die einem immer wie­der über den Weg lau­fen. Er kennt sich aus, in der Welt und mit den Kul­tu­ren.

Ich hat­te par­tout geglaubt, dass Joghurt-Kul­tu­ren gut für die Ver­dau­ung sind und pfle­ge den put­zi­gen Glau­ben, eine WPA-Ver­schlüs­se­lung sei sicher. Mar­tin packt sei­ne Ben­to – sei­ne japa­ni­sche Lunch-Box – aus und schiebt sich genüß­lich eine Ina­go – eine mari­nier­te Heu­schre­cke – in den Mund, eine Deli­ka­tes­se in Japan. Ein ech­ter Rei­se-Samu­rai eben.

Dass ich im vor­letz­ten Herbst beim Wan­der­ur­laub in den Alpen… ach was soll es. Wenn doch nur die gif­ti­ge Inland­tai­pan in den Aus­tra­li­schen Alpen mei­nen Weg kreu­zen könn­te und kein Alpen­sa­la­man­der in Bad Tölz!

Aber sind wir doch mal ehr­lich: Eigent­lich geht es Mar­tin doch nur dar­um, vie­le Kom­men­ta­re auf sei­nem Face­book-Pro­fil ein­zu­heim­sen. Am Bes­ten von der Mar­ke: „Komm sofort heim, Du musst mal wie­der arbei­ten!“

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Back­pa­cker-Typ 1: Der per­fek­te Rei­se-Füh­rer

Er ist rich­tig rum­ge­kom­men und war schon über­all. Der enor­me Erfah­rungs­schatz die­ses Welt­rei­sen­den ist unend­lich. Wie hieß gleich die­ser klei­ne Ort, ganz im Nor­den der Mon­go­lei, der auf kei­ner Kar­te zu fin­den ist? Und die­se fast unbe­wohn­te Tauch-Insel im Hal­ma­he­ra Meer?

Einer­lei – er kann Dir ein Ran­king machen und fun­dier­te Aus­sa­gen dar­über, was man gese­hen haben muß und was man sich bes­ser spart: Das bes­te Hotel, das bes­te Restau­rant, der bes­te Strand, Pool, Was­ser­fall, … – you name it. Das Prak­ti­sche: Hat man ihn ein­mal getrof­fen, muss man nicht mehr selbst rei­sen. Es gibt nichts mehr zu ent­de­cken, denn der per­fek­te Rei­se-Füh­rer war schon dort. Und das Bes­te: Er teilt mit Dir, denn er möch­te hören, wie beein­druckt Du bist.

Hakt man ein­mal nach (was man bes­ser nicht tut), stellt man fest, daß er nur die Rei­se­füh­rer-High­lights selbst bereist und den Rest im Natio­nal Geo­gra­phic oder Tchi­bo Rei­se­ma­ga­zin nach­ge­le­sen hat. Reist Du doch selbst, wäre das nicht das­sel­be, nur wie eine ver­blass­te Foto­gra­fie sei­ner einst­mals ein­zig­ar­ti­gen Pio­nier-Erfah­rung. Davor kann er Dich nur war­nen („Schenk Dir das! Fahr gleich nach…“). Alles unge­fragt, natür­lich.

Er ist bes­tens vor­be­rei­tet und mit ihm rei­sen iPho­ne, iPad („Da hab ich ne super Slide­show von der letz­ten Sudan-Rei­se drauf…“), eine Canon EOS 5D Digi­tal­ka­me­ra, GPS und wei­te­re Gad­gets – alles Welt­neu­hei­ten, die man aber nie, nie, nie braucht. Ein typi­scher Satz von ihm: „Koh Phi Phi?! Ist nicht mehr das, was es vor zehn Jah­ren war. Ich war das ers­te Mal vor über 15 Jah­ren dort…“

Sei­ne Rei­se­zie­le: Macht er eine Welt­rei­se, dann besich­tigt er 20 Län­der in 8 Wochen, die zu Hau­se hero­isch auf der gro­ßen Welt­kar­te mit bun­ten Fähn­chen als erobert gekenn­zeich­net wer­den.

Im Foto­al­bum: Ein Foto mit einer Nah­auf­nah­me von einem Tier oder einer Pflan­ze. Etwas, was Kein Mensch je vor ihm zu sehen bekom­men hat und kennt. Der angeb­li­che Name läßt sich auch beim drit­ten Mal nicht feh­ler­frei aus­spre­chen, sodass er Dich jetzt noch­mals kor­ri­gie­ren muss. Dein Bild vom Koa­la Bären? Den »Wie niedlich«-Kommentar darfst Du als gro­ßes Zuge­ständ­nis wer­ten.

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Back­pa­cker-Typ 2: Der Lonely-Pla­net-Gläu­bi­ge

Ohne die­ses Buch traut sich Robin­son Cru­soe nicht aus dem Haus. Die­ses Buch der Bücher ist Lebens­ver­si­che­rung und Bau­spar­ver­trag. Meist hat er nur eine Hand frei, weil er in der ande­ren das Buch hält, einen Fin­ger als Lese­zei­chen in die Sei­ten geklemmt. Weil er gera­de wie­der im „Pla­net“ nach­schlägt, ver­passt er im Vor­bei­lau­fen den schö­nen Tem­pel, nach dem er eigent­lich sucht, weil man den unbe­dingt sehen muss.

Sei­ne gesam­te Rei­se­rou­te besteht aus Lonely Pla­net Kapi­teln, wie die Bau­stei­ne aus dem Kata­log eines Pau­schal-Urlaubs („Also nach Bali will ich unbe­dingt noch nach Lom­bok und auf die Gil­lis!“). Der Pla­net ent­schei­det, was ihn inter­es­siert. Er bucht vor Ort Tou­ren zu Strän­den, Tem­peln, Parks und ande­rem angeb­lich Sehens­wer­tem, das ihm vom Pla­net emp­foh­len wird.

Läuft die Stadt­rund­fahrt in Indi­en nicht ganz so rund wie beschrie­ben, stößt dies zwar auf vor­über­ge­hen­des Unver­ständ­nis („Der Anbie­ter stand doch im Pla­net!“), gibt aber noch lan­ge kei­nen Anlaß, sei­nen Glau­ben zu ver­lie­ren („Die Inder machen hier auch was sie wol­len… Im Pla­net steht…“). Iden­tisch erfolgt die Aus­wahl von Hotels und Restau­rants. In das hotel­na­he Restau­rant schlen­dert er jeden Abend ganz gechillt zu Fuß rüber („Hat­te da ges­tern das bes­te Cur­ry mei­nes Lebens…“). Dass das klei­ne sym­pa­thi­sche Restau­rant direkt neben der Emp­feh­lung auch gut sein könn­te… Es ist nicht im Pla­net. Er urlaubt auf Autopli­ot. Typi­scher Satz, mit­ten in der beleb­ten Markt­stras­se – gespickt mit Stra­ßen-Loka­len: „Also, hier steht, Bam­boo Restau­rant hat das bes­te Bami Goreng. Wir müs­sen die nächs­te dann rechts abbie­gen. Ich sehe aber kei­ne Stra­ße, die nach rechts abbiegt…?!“

Sei­ne Rei­se­zie­le: Asi­en. Gibt es noch ande­re Kon­ti­nen­te, die man berei­sen kann?

Im Foto­al­bum: Ein Foto von einem lee­ren(!) tahi­län­di­schen Strand an dem ein(!) Long­tail Boot ange­legt hat, um zu zei­gen, wie traum­haft indi­vi­du­ell, ein­zig­ar­tig und ruhig sein Ein­sa­me-Insel-Urlaub war, und, um mög­lichst von allen Daheim­ge­blie­be­nen bei Face­book einen „Neid“-Kommentar abzu­stau­ben.

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Back­pa­cker-Typ 3: Der Par­ty-Macher

Er kennt die bes­ten Par­ty-Loca­ti­ons mit kos­ten­lo­sen Drinks. Und alle Frau­en. Er ist auf jedem Urlaubs­bild zu sehen. Nie allein, immer ist jemand mit auf dem Bild. Meist sind alle, die auf dem Foto zu sehen sind, betrun­ken. Denn der letz­te Abend war ein­fach der Ham­mer! („Dass Du daaa noch ste­hen konn­test, bru­taaal!“).

Er ver­bringt den Tag im Hos­tel­bett und die Nacht im Club. Dabei hat er immer Angst etwas zu ver­pas­sen, muss daher in der Hotel­lob­by umher­wu­seln und liebt es jedem bereits beim Che­ckin mit maxi­ma­ler Laut­stär­ke sei­ne Geschich­te zu erzäh­len und dass man will­kom­men sei, spä­ter ordent­lich mit Par­ty zu machen. Mor­gens um 5 Uhr macht er das Decken­licht im Schlaf­saal an und weckt damit alle ande­ren, weil er unbe­dingt jetzt etwas Wich­ti­ges aus sei­nem Schließ­fach unter dem Bett her­aus­ho­len muss, das in eine rascheln­de Plas­tik­tü­te ver­packt ist. Das Schließ­fach hakt lei­der irgend­wie. Dar­um tritt er jetzt häm­mernd mit den Füßen dage­gen und flucht laut­stark lal­lend. Im Ver­lauf des nächs­ten Tages klärt sich auf, dass er Schrank Num­mer 6 und nicht Num­mer 9 besitzt.

Den Urlaubs­ort kennt er nur von den Post­kar­ten, die er vor dem Abflug am Flug­ha­fen kauft. Er fragt Dich zum drit­ten Mal inner­halb einer hal­ben Stun­de nach Dei­nem Namen und woher Du kommst und sagt dann: „Ger­ma­ny, cool! Been to Ams­ter­dam – best place in Ger­ma­ny! I give you two days and you are in my mode.“

Sei­ne Rei­se­zie­le: Alle mit Mal­lor­ca art­ver­wand­ten Land­stri­che in Asi­en und Aus­tra­li­en, mit Strand und gro­ßen Hotel­an­la­gen, in deren Hotel­bars die Hap­py Hour ab 12 Uhr mit­tags ein­lädt.

Im Foto­al­bum: Ein Foto von einem Chi­cken Fight in Bali oder eines, auf dem sich alle mit einer Bier­fla­sche zupros­ten und min­des­tens eine Per­son die Zun­ge her­aus­streckt und eine wei­te­re mit einer Hand fest die Brust einer Frau umfaßt.

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Antwort

  1. […] so steht es zumin­dest im Rei­se­füh­rer. Und wie wir alle seit dem Ein­trag »Der Lonely-Pla­net-Gläu­bi­ge« wis­sen, stimmt alles was in Rei­se­füh­rern steht. Wir haben ehr­lich gesagt nicht so […]

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