Nass und Salzig

Ein Sturm zog über das Meer und ich mir die Bett­de­cke über den Kopf.
Der Kata­ma­ran mit Dop­pel­kiel lag zwar noch ruhig auf dem Was­ser, aber die grau­en Wol­ken gefie­len mei­nem Magen so gar nicht. Der Kapi­tän kämpf­te allei­ne mit dem Segel, wäh­rend wir alle unter Deck lagen und mit unse­rer Übel­keit zurecht kom­men muss­ten. „Es ist wohl ein evo­lu­ti­ons­his­to­ri­scher Reflex,“ ver­mu­te­te der Kapi­tän spä­ter. „Selbst gestan­de­nen Seg­lern wird schlecht wenn sie graue Wol­ken auf See sehen.“ Hier kannst du auch nichts machen. Unter dir Was­ser, über dir Was­ser, und nir­gend­wo ein fes­ter Ort. Da signa­li­siert das Gehirn „Hau ab.“
Flucht unter Deck.

31-w9g2yqp

Eine Stun­de spä­ter wach­te ich wie­der auf. Unser Skip­per Jan­kov hat­te uns durch den Sturm gebracht, die Son­ne schien rot über dem Was­ser und mach­te sich bereit für die Nacht. Es war ruhig. Ich stand allei­ne mit unse­rem Kapi­tän am Bug und wir schau­ten still aufs Meer. Jan­kov mach­te ab und an ein Foto und ich tat es ihm gleich. Seit zwölf Jah­ren segelt er schon durch das Meer vor Kroa­ti­en, genau wie sein Vater es sein Leben lang gemacht hat. Hat er denn in der Zeit nicht genug Fotos vom Meer gemacht, frag­te ich ihn. „Natür­lich“ sag­te er und schaut wei­ter Rich­tung Hori­zont. „Doch jede Minu­te ist das Meer anders.“

21-czhdavu

Kroa­ti­en mit einem Segel­boot zu berei­sen ist wirk­lich die bes­te Art das Land zu ent­de­cken. Man fährt vor­bei an hun­der­ten Inseln auf denen Römer, Grie­chen und Ita­lie­ner schon vor Jahr­hun­der­ten Fel­der anleg­ten und Gewür­ze pflanz­ten. Die uralten Stein­mau­ern, wel­che die Fel­der trenn­ten, deko­rie­ren heu­te noch die Inseln. Unser Boot schlän­gel­te sich an ihnen vor­bei und ich erwar­te­te jeden Moment rie­si­ge Sta­tu­en an den Ufern, wie sie in Herr der Rin­ge auf­tau­chen. Kroa­ti­en hat etwas ursprüng­li­ches, etwas anti­kes. Es ist kein Wun­der, dass die Serie Game of Thro­nes hier gedreht wird.

01-naxnb2o

Wir leg­ten in Skra­din an, einen klei­nen Ort in der Nähe vom Krka Natio­nal­park. Von unse­rem Boot betra­ten wir direkt den Markt­platz, an dem ein jun­ger Mann Gitar­re spiel­te. Die Archi­tek­tur ist seit Jahr­hun­der­ten aus­ge­legt für den Schiffs­ver­kehr – vom Boot aus ist man direkt im Zen­trum.

40-ykx14ha

End­lich wie­der fes­ten Boden unter den Füßen lie­hen wir uns ein paar Fahr­rä­der und bra­chen auf zum soge­nann­ten Eth­no Vil­la­ge – einem Jahr­hun­der­te alten Dorf hin­ter einem Was­ser­fall. Das Was­ser ist hier all­ge­gen­wär­tig und der Fluss läuft teil­wei­se durch die Häu­ser. Frü­her wur­den so Müh­len betrie­ben, heut ist das Dorf nur eine Tou­ris­ten-Attrak­ti­on. Aller­dings eine wun­der­schö­ne.

02-b3ocyfs

Die Gelas­sen­heit auf See hat­te mich wirk­lich über­rascht. Wenn wir schwim­men woll­ten, wur­de kurz der Anker gesetzt und wir hiel­ten an auf dem kla­ren Meer. Hielt der Wind, wur­de das Segel raus­ge­holt. War es still, trieb uns der Motor vor­an. Ab und zu grüß­te ein ande­res Segel­boot oder ein Muschel­far­mer, aber ansons­ten gab es nur uns und den Hori­zont.

04-bt22wfs

Es war bereits Abend als wir Kor­na­ti erreich­ten, ein Archi­pel aus unbe­wohn­ten Inseln. Wobei… Nicht ganz unbe­wohnt. Unser Skip­per erzähl­te uns von vier bis fünf Fami­li­en, die hier wäh­rend der Sai­son leb­ten und Rei­sen­den mit Brannt­wein und Essen ver­sor­gen. Mit dem Strom, den jedes Haus selbst erzeu­gen muss, wer­den dann teil­wei­se gro­ße Licht­de­ko­ra­tio­nen betrie­ben, wel­che die Seg­ler locken sol­len. Unser Skip­per wink­te oft nur ab. „Ich ken­ne einen guten Laden“ sag­te er und wir leg­ten an.

08-e2ilcdz

Es gab geba­cke­nen Fisch, am Mor­gen erst gefan­gen und in den guss­ei­ser­nen Topf gelegt als wir anleg­ten. Das Filet schmolz von den Grä­ten.
Die kroa­ti­sche Küche ist nicht gera­de welt­be­kannt, aber wenn man sucht, kann man rich­ti­ge Geheim­tipps fin­den. Unser Skip­per muss­te nicht mehr suchen, er kann­te alle Orte schon. Am Tag zuvor führ­te er uns in ein Restau­rant, wel­ches uns ein Risot­to ser­vier­te, das acht Stun­den lang koch­te und so durch­tränkt mit Geschmack war, dass ich allein des­we­gen schon noch ein­mal nach Kroa­ti­en kom­men wür­de.

23-ofukepc

Am nächs­ten Mor­gen frag­te ich den Skip­per, wie denn das Was­ser sei, für eine kur­ze Run­de Schwim­men. Er lach­te schwach und resi­gniert. „Das fra­gen mich Rei­sen­de jedes Mal“ sagt er etwas genervt und amü­siert. „Ich sag dir, was ich immer sage: Es ist nass und sal­zig. Pro­biers aus!“

Er hat­te recht. Und etwas frisch war es auch.

Wir schau­ten uns noch schnell die anlie­gen­den Häu­ser an und stie­gen zum höchs­ten Punkt der Insel.

25-yhcskbd

Und dann ging es auch schon wie­der Rich­tung Hafen.

27-hpzausy

Bevor wir Kroa­ti­en ver­lie­ßen, hat­te unser Skip­per noch den größ­ten Schatz für uns vor­be­rei­tet. Einem Freund von ihm gehör­te eine Insel, auf der auch nur eine klei­ne Hüt­te stand. Jede Sai­son, an zwei Tagen in der Woche, berei­te­te er dort eine klei­ne Aus­wahl an Gerich­ten für Rei­sen­de zu. Man muss­te schon wis­sen, wo man ihn fin­den kann, denn nir­gends war es aus­ge­schil­dert oder mit gro­ßer Rekla­me bewor­ben. Es gab Okto­pus in Rot­wein­so­ße und Pfann­ku­chen in kom­plet­ter Dun­kel­heit. Glück­lich und mit vol­len Magen pad­del­ten wir im Bei­boot wie­der zurück zu unse­rem Kata­ma­ran und lie­ßen uns unterm Ster­nen­him­mel von den Wel­len in den Schlaf schau­keln.

48-hz0hkyk

Erschienen am



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert