Menorca: die stille Schöne

Menor­ca gilt als unschein­bar. Dabei hat die nörd­lichs­te Insel der spa­ni­schen Balea­ren viel unbe­rühr­te Natur und uralte Kul­tur. Bei einer Genie­ßer­tour zeigt die „Klei­ne“ ihre vie­len Geheim­nis­se zwi­schen Him­mel und Meer.

Sanf­te Hügel mit Wäl­dern, end­lo­se Stein­wäl­le, ver­streu­te Bau­ern­hö­fe und schwarz-wei­ße Kühe auf satt­grü­nen Wie­sen: Wer durch Menor­ca streunt, fühlt sich eher in Irland als im Mit­tel­meer. „Klei­ne“ tauf­ten die Römer das nur 50 Kilo­me­ter lan­ge Eiland mit dem ganz eige­nen Cha­rak­ter. Nicht weit weg schiebt die „Gro­ße“ Mal­lor­ca ihre Ber­ge in den Him­mel. Doch ver­schie­de­ner könn­ten Schwes­tern kaum sein.

Bet­ten­bur­gen und Bal­ler­mann gibt es nicht auf Menor­ca, statt­des­sen wer­den Tou­ris­mus und Natur gekonnt ver­wo­ben. Die Menor­qui­ner wol­len es so. Mit Pro­tes­ten ver­hin­der­ten sie schon vor Jahr­zehn­ten mons­trö­se Feri­en­parks. Seit 1993 ist die Insel UNESCO-Bio­sphä­ren­re­ser­vat, fast die Hälf­te steht unter Natur­schutz, daher sind 70 Pro­zent der Küs­te unver­baut – ein herr­li­ches Spiel­feld für Natur­freun­de und Sport­ler.

Durch Menor­ca strei­fen heißt, authen­ti­sche Lebens­art und uralte Kul­tur erfah­ren. Dazu gehö­ren die scheue, aber herz­li­che Art der Kata­la­nen, spek­ta­ku­lä­re Rei­ter­fes­te, Käse­spe­zia­li­tä­ten, fei­ner Wein sowie hun­der­te archäo­lo­gi­sche Fund­stät­ten, die über 4.000 Jah­re alt sind. Stein­dör­fer und zu einem T auf­ge­türm­te Mono­li­then sind Zeu­gen der Urein­woh­ner, auf die Phö­ni­zi­er, Mau­ren, Spa­ni­er, Eng­län­der und Fran­zo­sen als Erobe­rer folg­ten. Hob­by-Archäo­lo­gen stol­pern auf der klei­nen Insel gera­de­zu durch gro­ße Geschich­te.

Ein wun­der­sa­mes Fens­ter in die Früh­zeit Menor­cas öff­net sich am Tala­tí de Dalt. Die prä­his­to­ri­sche Sied­lung erzählt die Geschich­te der talayo­ti­schen Kul­tur, die ihre Blü­te zwi­schen dem 4. und 2. Jahr­hun­dert vor Chris­tus hat­te. Im Zen­trum des Ritual­le­ben stan­den Mega­li­then. Die Tau­la genann­ten, turm­ar­ti­gen Stein­bau­ten waren Wach­tür­me, Ver­samm­lungs­or­te und Sta­tus­sym­bo­le.

Tala­tí de Dalt: über 3.000 Jah­re alt sind die Sied­lun­gen der Urein­woh­ner auf Menor­ca (© Mat­thi­as Kutz­scher)

Strän­de ohne Ende

Bade­fans ste­cken in Menor­ca aller­dings in einem Dilem­ma. Sie kön­nen aus über 100 Strän­den wäh­len – und kaum einer ist wei­ter weg als eine Stun­de. An der Süd­küs­te mün­den lieb­li­che, fast sub­tro­pi­sche Schluch­ten in Buch­ten mit wei­ßem Sand und tür­kis schim­mern­dem Was­ser. Eini­ge wie Mac­a­rel­le­ta, Tur­que­ta oder Binig­aus sind nur zu Fuß erreich­bar und ohne Ser­vices. Fami­li­en zie­hen eher den kilo­me­ter­lan­gen Son Bou oder die gut erschlos­se­nen Strän­de in Gald­a­na und Por­ter vor.

Da der Nord­wind Tra­m­un­ta­na oft und hef­tig über die Insel fegt, pil­gern auch die Menor­qui­ner an Wochen­en­den ger­ne zur geschütz­ten Süd­küs­te. Fragt man Ein­hei­mi­sche aber nach ihren Favo­ri­ten, nen­nen sie Buch­ten auf der Nord­sei­te wie Tor­tu­ga, Pilar und Pre­gon­da. Die wil­den Strän­de lie­gen ver­steckt zwi­schen Steil­klip­pen und Fel­sen aus Schie­fer und rotem Ton, die die Natur bizarr ver­formt hat. Schot­ter­pis­ten und Esel­pfa­de füh­ren zur rau­en Küs­te, die von Fjor­den tief ein­ge­schnit­ten wird.

Binig­aus: vie­le Strän­de an der Süd­küs­te haben Kari­bik­flair (© Mat­thi­as Kutz­scher)

Wo die Majo her­kommt

Die Bucht von Mahón ist sogar einer der größ­ten Natur­hä­fen der Welt. In der Insel­me­tro­po­le kann man pri­ma shop­pen und schlem­men. Im Fisch­markt ober­halb des Hafens gibt es exqui­si­te Tapas – mit und ohne Mayon­nai­se. Die Sau­ce aus Ei und Öl wur­de auf Menor­ca erfun­den, und von den Fran­zo­sen Ende des 18. Jahr­hun­derts aus dem Stadt­na­men „Mahón“ abge­lei­tet. An den Stän­den des „Mer­cat des Pes­ca­dos“ las­sen sich auch vie­le Wei­ße, Rote und Rose der jun­gen Insel­kel­le­rei­en ordern. Die Insel­wei­ne sind noch ein Geheim­tipp, nur klei­ne Märk­te sowie aus­ge­such­te Restau­rants und Bars ver­kau­fen die Rari­tä­ten.

„Die Super­markt-Ket­ten neh­men kei­ne loka­len Mar­ken. Das bringt zu wenig Pro­fit“, erklärt Clau­de Gey­er von „Tor­ral­benc“. Das Gut bei Mahón kel­tert seit 2016 etwa 35.000 Liter per Anno. Ein hart erkämpf­ter Erfolg. „Zehn Jah­re dau­er­te es, bis wir den har­ten Boden in einen pro­duk­ti­ven Wein­berg ver­wan­del­ten“, sagt Gey­er und schwenkt sein Glas. Der kirsch­ro­te Trop­fen duf­tet nach Gewür­zen und Bal­sa­mi­co. Dass Menor­ca eher still ist, fin­det der Ver­kaufs­ma­na­ger gut und erklärt: „Wir wol­len unse­re Umwelt erhal­ten und über­stür­zen nichts.“ A poc a poc, Schritt für Schritt, ist Insel­mot­to und Lebens­phi­lo­so­phie.

Bum­meln, schlem­men, genie­ßen: die denk­mal­ge­schütz­te Alt­stadt und der Hafen von Ciuta­del­la loh­nen am Tag und nachts (© Mat­thi­as Kutz­scher)

Wenn Diven strei­ten

Den Wein brach­ten die Römer auf die Insel. Unter der Herr­schaft der Eng­län­der im 18. Jahr­hun­dert wur­den über drei Mil­lio­nen Liter jähr­lich vor allem an die Armeen des Empire gelie­fert. Als die Reb­laus Ende des 19. Jahr­hun­derts über Euro­pa her­fiel, ver­nich­te­te die Seu­che jedoch den Anbau kom­plett. Erst in den 1980ern wur­den neue Güter gegrün­det – wie die Bode­gas „Menor­qui­nas“ bei Mer­ca­dal im Lan­des­in­ne­ren oder „Bini­fa­det“ bei Sant Luis, das heu­te mit gut 100.000 Fla­schen im Jahr größ­ter Pro­du­zent ist.

Als Lieb­ha­be­rei star­te­te Anto­ni Salord sei­ne Kel­le­rei, die unweit von Ciuta­del­la liegt. Wie zwei Diven strei­ten sich seit alters her das schmu­cke Hafenört­chen im Osten und das geschäf­ti­ge Mahón im Wes­ten um den Titel „Schöns­te“ im Land. Für Cla­ra Salord ist das kei­ne Fra­ge. Die 36-Jäh­ri­ge schwärmt von den mit­tel­al­ter­li­chen Gas­sen, Arka­den­gän­gen, Plät­zen, Kir­chen und Paläs­ten in der denk­mal­ge­schütz­ten Alt­stadt ihres Hei­mat­orts.

Die Agrar­ex­per­tin Cla­ra Salord managt das Wein­gut Bini­tord (© Mat­thi­as Kutz­scher)

Cla­ra hat das Wein­gut „Bini­tord“ vom Vater über­nom­men. Vor allem der tro­cke­ne Wei­ße ihrer Bode­ga, der leicht fruch­tig nach Bir­ne, Pfir­sich und Apfel schmeckt, hat längst einen exzel­len­ten Ruf; etwa zur Insel­spe­zia­li­tät „Cald­e­r­eta de Lla­gos­ta“, einem Lan­gus­ten­ein­topf. Sie win­zert streng öko­lo­gisch und lagert die Wei­ne unter­ir­disch in einem uralten Stein­bruch. „Wir haben die Pro­duk­ti­ons­hal­le genau dar­über gebaut, da der Stein per­fek­te kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen schafft“, erklärt die Agrar­ex­per­tin und deu­tet auf Ker­ben an der Wand. Sie bele­gen, dass Men­schen hier Qua­der für Häu­ser oder Kir­chen schon vor lan­ger Zeit per Hand geschla­gen haben.

Fast in Sicht­wei­te von Bini­tord schlän­gelt sich der „Cami de Cavalls“ an der Küs­te ent­lang. Auf 20 Abschnit­ten führt der Weg 185 Kilo­me­ter rund um die Insel – manch­mal hoch über dem Meer auf schrof­fen Klip­pen, über Blu­men­wie­sen oder durch Schluch­ten mit Mis­peln, Kirsch- und Apfel­bäu­men. Der alte Ver­tei­di­gungs­weg wur­de vor allem im 14. Jahr­hun­dert ange­legt. Heu­te tei­len sich Biker, Wan­de­rer und Rei­ter das Ter­rain. Sie erle­ben in der Vor- und Nach­sai­son ein stil­les, herb-schö­nes Land, das wie geschaf­fen ist für Träu­mer und Genie­ßer. 

Rei­se­infor­ma­tio­nen

Anrei­se

Von allen gro­ßen Flug­hä­fen in Deutsch­land gehen Direkt­flü­ge nach Mahón, etwa mit Easy­jet, Ibe­ria oder Euro­wings.

Über­nach­ten

Das Bahia in Cala San­tand­ria ist ein klei­nes Hotel unter Schwei­zer Lei­tung, das rund 80 Euro pro Per­son im Dop­pel­zim­mer kos­tet. Im schö­nen Agro­tu­ris­mo Bini­said bei Fer­re­ries müs­sen pro Per­son etwa 100 Euro ein­ge­plant wer­den und das schi­cke Land­haus Tor­ral­banc in Cala en Por­ter kos­tet rund 220 Euro im Dop­pel­zim­mer.

Wan­dern & Biken

Im Rother Wan­der­füh­rer ste­hen 35 Stre­cken von leicht bis mit­tel – die längs­te Tour dau­ert 6,5 Stun­den und ist die Königs­etap­pe des Cami de Cavalls zwi­schen Bini­mel-là und Els Alocs. Wer mit dem MTB unter­wegs ist, dem ist die Navi­ga­ti­ons-App Komoot zu emp­feh­len.

Wein­pro­ben

Bini­fa­det, Tor­ral­benc und Bini­tord bie­ten nach Anmel­dung Ver­kos­tun­gen an.


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