Ich habe ein Boot in Afrika

Manch­mal öff­net uns das Leben für eine begrenz­te Zeit eine Tür, durch die wir hin­durch­ge­hen kön­nen – oder auch nicht. Das Span­nen­de dar­an ist die Tat­sa­che, dass man nicht weiß, was sich hin­ter der Tür ver­birgt: Gutes? Schwie­ri­ges? Ist man ein­mal hin­durch­ge­gan­gen, geht es nie mehr ganz zurück…

Entscheidungen, die das Leben verändern

Wenn ich zurück­den­ke an Kind­heit und ers­tes Erwach­se­nen­al­ter in Deutsch­land, stan­den zwar von Anfang an Türen offen, aber doch in einem gewis­sen Rah­men. Auf­ge­wach­sen in der behü­te­ten Welt des Bil­dungs­bür­ger­tums, wo Väter klas­si­sche Beru­fe aus­üb­ten wie Arzt oder Rechts­an­walt und Müt­ter eher zu Hau­se für das Fami­li­en­le­ben sorg­ten. Sehr geliebt von eben jenen Eltern und unter­stützt in fast allen Lebens­be­rei­chen.

Mei­ne Erin­ne­run­gen rei­chen aller­dings auch bis dahin zurück, dass ich bereits ers­te Türen durch­schritt, bei denen klar war, dass sie in eine ande­re Rich­tung füh­ren wür­den.

Zunächst war da die Ent­schei­dung, mein Stu­di­um abzu­bre­chen, das eben­falls der Fami­li­en­tra­di­ti­on und damit der Juris­te­rei gewid­met war, und statt­des­sen mei­nen Nei­gun­gen zu fol­gen – dem Stu­di­um der deut­schen und fran­zö­si­schen Spra­che. Der ers­te Spa­gat zwi­schen „Ver­nunft“ und „Gefühl“, der zu mei­nem Lebens­the­ma wer­den soll­te.

Ich durch­schritt die Tür, ers­te Kon­se­quen­zen waren das Ent­set­zen und die Vor­wür­fe mei­ner Eltern – die sich aber abmil­der­ten, als das zwei­te Stu­di­um wenigs­tens erfolg­reich absol­viert wur­de. Es gab einen Abschluss.

Die zwei­te Tür war gra­vie­ren­der. Ich ent­schied mich im Pri­vat­le­ben nicht für den ver­meint­lich zur Fami­lie pas­sen­den Part­ner, son­dern für einen ganz Ande­ren, der weder vom Alter noch vom Beruf her zu pas­sen schien. Ich durch­schritt die Tür – mit der Kon­se­quenz, dass ich für län­ge­re Zeit aus der Fami­lie mehr oder weni­ger aus­ge­sto­ßen wur­de; das heißt, ich fiel aus dem Nest und muss­te mir ein eige­nes bau­en.

Auch dies gelang erfolg­reich und folg­te schluss­end­lich durch­aus den gut­bür­ger­li­chen Mus­tern mei­ner Kind­heit. Eige­ne Kin­der, ein Beruf, ein „ganz nor­ma­les“ Leben, das schluss­end­lich auch wie­der zu einer Groß­fa­mi­li­en­ver­söh­nung führ­te.

Aber das Leben bleibt nicht ste­hen, und ich war schon immer über­zeugt davon, dass es noch mehr geben muss­te – was auch immer „mehr“ war. Von vorn­her­ein aus­ge­stat­tet mit Fern­weh und Rei­se­ge­nen stand ich plötz­lich an der nächs­ten Tür: Mein Leben in Deutsch­land zu unter­bre­chen und nach Ägyp­ten zu gehen. Ein Job­an­ge­bot sorg­te für den „ver­nünf­ti­gen“ Rah­men, und ehe ich es mich ver­sah, hat­te ich die Tür durch­schrit­ten und befand mich in Kai­ro mit einer Anstel­lung als Deutsch­leh­re­rin an einer deut­schen Schu­le. Und was als eine Aus­zeit von einem Jahr gedacht war, mün­de­te in mei­nem heu­ti­gen Leben – die Tür, die nach Ägyp­ten führ­te, blieb weit offen.

Nach und nach ver­pflanz­te ich alle Lebens­be­rei­che – auch im Pri­va­ten. „Wahn­sinn“, sag­ten die deut­schen Freun­de – „es ist, was es ist“, sag­te mein Gefühl – und setz­te sich durch. Trotz­dem blieb das „ver­nünf­ti­ge“ Ele­ment bestehen, denn ich arbei­te­te erfolg­reich als Leh­re­rin, erst an einer Schu­le, dann noch an einer ande­ren, sogar grö­ße­ren und renom­mier­te­ren.

Von der Lehrerin zur Bootseignerin

Doch die nächs­te Tür stand bereits offen, durch die ich erst vor Kur­zem gegan­gen bin – ich habe mit der Schu­le auf­ge­hört und bin nun stol­ze Besit­ze­rin eines Safa­ri­boo­tes auf dem Nas­ser­see. Und damit hat eine ganz neue Geschich­te begon­nen.

Ich muss Geschäfts­frau wer­den, ohne bis­lang wirk­lich eine Ahnung davon zu haben. Viel Ver­nunft ist hier sicher gefragt – doch im Moment ist es haupt­säch­lich eine Lie­bes­ge­schich­te.

Ich habe ein Boot in Afri­ka, es heißt „Dabu­ka Blue“ und sei­ne fili­gra­ne Gestalt, sei­ne leuch­ten­den Far­ben, sei­ne wei­chen Bet­ten, gemüt­li­chen Stüh­le und ein­la­den­den Räu­me wur­den von Beginn an mein Zuhau­se und mein „Hap­py Place“.

Ein Tag auf der Dabuka Blue

Ich lie­ge noch gemüt­lich in mei­ner Kabi­ne im Bett, ein­ge­ku­schelt in wei­che Decken und gewiegt vom leich­ten Schau­keln des ankern­den Boo­tes. Da wird der Motor ange­wor­fen – zunächst natür­lich ein Krach, der aber schnell in ein freund­li­ches Hin­ter­grund­brum­men über­geht, das die­se klei­nen Glücks­bläs­chen in mei­nem Bauch hoch­stei­gen lässt: Ich weiß, gleich wer­den die Lei­nen los­ge­macht und wir neh­men wie­der Fahrt auf in einen neu­en Tag, zu neu­en Zie­len, dem Hori­zont ent­ge­gen.

Vol­ler Vor­freu­de sprin­ge ich aus dem Bett, freue mich am Luxus mei­nes Bade­zim­mers mit hei­ßer Dusche und stei­ge her­auf an Deck. Ohne zu den­ken, neh­me ich ein­fach Licht wahr, blau­en Him­mel, Son­ne, Wind – und den bereits lie­be­voll vor­be­rei­te­ten Früh­stücks­tisch. Hier kommt die nubi­sche Crew ins Spiel, die dem Boot wei­te­res Leben ein­haucht. Unauf­dring­lich, aber immer auf­merk­sam küm­mert sie sich dar­um, dass es an nichts fehlt – Speis und Trank, Rat­schlä­ge, Hil­fen, Orga­ni­sa­ti­on – ich bin manch­mal allein, aber nie ein­sam.

Der Tag nimmt mich mit – je nach Pro­gramm mit Tem­pel­be­su­chen, Spa­zier­gän­gen, Schwimm­pau­sen oder auch lan­gen Fahr­ten über den See, wo das Ufer nur weit in der Fer­ne zu sehen ist und wir gleich­mä­ßig und ruhig durch die Wel­len tuckern. Stun­den­lang könn­te ich auf dem Son­nen­deck sit­zen und mit mei­nen Träu­men gemein­sam über den See fah­ren. Die Glücks­bläs­chen sind sehr aktiv, ich freue mich auf jede neue Minu­te – unter­stützt von freund­li­chen Crew­mit­glie­dern, die dem Kör­per auch immer wie­der Nah­rung in Form von beson­de­ren Geträn­ken, Snacks und Ähn­li­chem anbie­ten.

Je nach Wind und Wel­len spie­geln sich vor­bei­glei­ten­de Land­schaf­ten manch­mal auch glas­klar im Was­ser. Alles hin­ter­lässt Abdrü­cke in mei­nem Inne­ren und leuch­tet nach.

Ein Gefühl von Ewig­keit stellt sich ein, Ein­klang mit mir und der Welt und dem Gefühl des wunsch­lo­sen Glück­lich­seins.

Wenn der Tag sich neigt, das Abend­essen vor­über ist und der Him­mel sich ein Ster­nen­kleid anzieht, wird es in mir und um mich noch ein­mal ganz still. Der Motor ist aus­ge­schal­tet, man hört das Glu­ckern des Was­sers, das ver­schla­fe­ne Piep­sen eines Vogels oder den Ruf einer nacht­ak­ti­ven Krea­tur irgend­wo da drau­ßen. Ein Lachen aus dem Bereich der Crew­mit­glie­der zeigt an, dass man nicht ganz allein ist und die Welt in Ord­nung.

Ich schaue in die Ster­ne, füh­le mich einer­seits ganz klein in die­sem Uni­ver­sum, ande­rer­seits behü­tet und beschützt und genau am rich­ti­gen Platz.

Und schließ­lich krab­be­le ich wie­der in mei­ne Kabi­ne und wer­de von den Wel­len in den Schlaf gewiegt.

Ich habe ein Boot in Afri­ka, es ist mein Freund und Part­ner, und nun muss ich es natür­lich nicht nur lie­ben, son­dern auch beschäf­ti­gen, damit es sich nicht lang­weilt und irgend­wo lang­sam Staub ansetzt. Also wer­de ich eine Geschäfts­frau sein und uns bei­den – hof­fent­lich – zu einer Erfolgs­ge­schich­te ver­hel­fen.

Ich weiß nicht, wel­che Tür mich als Nächs­tes locken wird, die­se war sicher noch nicht die letz­te. Ich hof­fe, dass Ver­nunft und Gefühl immer in Balan­ce blei­ben wer­den, obwohl ich sicher bin, dass die Dabu­ka Blue ein magi­scher Ort ist – das kön­nen auch Besu­cher füh­len. Sagt mir Bescheid, wenn ihr es ver­su­chen wollt!


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