Mit Gasmasken zum Sonnenaufgang

Drei Tage, zwei Näch­te, ein Vul­kan. Das war der Plan. Ich war auf Java, Indo­ne­si­en, und hat­te mir in einem Anflug von Aben­teu­er­lust eine Vul­kan­tour gebucht. „Wird bestimmt ganz ent­spannt“, dach­te ich. Spoi­ler: wur­de es nicht.

Los ging’s mit einem Was­ser­fall, der nicht nur rie­sig, son­dern auch wild war – so rich­tig Ava­tar trifft Dschun­gel­camp.

Der Gui­de strahl­te uns an: „We go insi­de now!“ – und ich nur so: „Wie bit­te?“ Aber ja, offen­bar stand auf dem Pro­gramm, durch den Was­ser­fall hin­durch­zu­lau­fen. Ich natür­lich – wie immer – in mei­nen treu­en Flip-Flops, bewaff­net mit einem Ruck­sack vol­ler Din­ge, die auf gar kei­nen Fall nass wer­den durf­ten, unter ande­rem mein Rei­se­pass.

Der Abstieg war glatt, mat­schig und ein ein­zi­ges Rutsch­fest. Ich habe mich unge­fähr 17-mal fast lang­ge­legt, hab dabei in mei­nem Kopf schon sämt­li­che Rei­se­ver­si­che­run­gen durch­ge­rech­net und irgend­wann ein­fach nur noch gelacht.

Unten ange­kom­men – klatsch­nass, außer Atem, mit nas­sem Aus­weis – war alles ver­ges­sen. Es war magisch. So kit­schig das klingt, aber in die­sem Moment stand ich da, vor einer don­nern­den Wand aus Was­ser, mit Adre­na­lin bis in die Zehen­spit­zen, und fühl­te mich ein­fach leben­dig. Für genau zehn Minu­ten. Dann muss­ten wir wie­der hoch.

Aber das war ja erst der Auf­takt.

In der Nacht danach ging’s um 1 Uhr mor­gens los Rich­tung Vul­kan Ijen. Vor Ort erwar­te­te uns… ein Gesund­heits­check.

Kein Scherz.

Bevor man da hoch darf, wird erst mal geprüft, ob du kör­per­lich über­haupt dazu in der Lage bist, dir frei­wil­lig fast die Lun­ge raus­zu­wan­dern.

Also gab’s so einen Mini-Atem­test mit so einem Plas­tik­ding, in das wir rein­pus­ten muss­ten. Ich dach­te kurz, wir wären beim Lun­gen­funk­ti­ons­test in der Haus­arzt­pra­xis. Aber: bestan­den.

Danach: Instant­kaf­fee, Toast und Stei­gung. Steil, stei­ler, Todes­angst.

Ich hat­te mei­ne aus­ge­latsch­ten Puma-Snea­k­er an, die so viel Pro­fil hat­ten wie ein abge­fah­re­ner Auto­rei­fen.

Also rutsch­te ich mal hier, mal da, wur­de panisch und gleich­zei­tig wütend auf mein frü­he­res Ich, dass kei­ne Wan­der­schu­he ein­ge­packt hat­te, weil „die so viel Platz im Ruck­sack weg­neh­men“.

Ein­hei­mi­sche Män­ner zogen Tou­ris in selbst­ge­bau­ten Bug­gys den Berg hoch. Gegen Geld. Har­ter Kon­trast. Ich bin gelau­fen, gerutscht, gestol­pert. Und war irgend­wann oben.

Aber damit nicht genug – jetzt ging es in den Kra­ter rein. Dafür bekam jeder eine Gas­mas­ke auf, weil der Schwe­fel­ge­halt dort unten so hoch ist, dass man nicht mal atmen kann. Kein Scherz.

Ich hat­te einen Puls von 180, mei­ne Knie zit­ter­ten, ich roch nur noch Schwe­fel und Todes­angst. Aber ich hab’s gemacht. Wir stan­den mit­ten im Kra­ter, als die Son­ne auf­ging – oran­ge, rosa, sur­re­al. Ein Moment für die Ewig­keit. Ich fühl­te mich kurz wie nach einem Mara­thon ohne Medail­le – leer in der Tasche, weich in den Knien.

Der Auf­stieg zurück war die reins­te Flucht – denn kaum hat­te man die Mas­ke abge­nom­men, kamen die gif­ti­gen Dämp­fe zurück. Ich hab geweint, weil mei­ne Augen so brann­ten, gleich­zei­tig gekeucht, gelacht, geschnauft. Irgend­wann war ich oben.

Und dann run­ter. Wie­der rut­schen, stol­pern, beten.

Als wir zurück im Bus saßen, kam der Gui­de an und mein­te ganz läs­sig: „Some­ti­mes peo­p­le die. If they don’t fol­low the rules.“

Ah ja. Nett, dass man das danach erfährt.

Fazit: Ich hat­te Mus­kel­ka­ter, nas­se Kla­mot­ten, ein hal­bes Trau­ma – aber auch einen Moment, der sich ein­ge­brannt hat wie Lava in Stein.

Und Flip-Flops? Tra­ge ich jetzt nur noch am Pool.

Wür­de ich es noch­mal machen? Zu 100% ja!


Antworten

  1. Avatar von zorse
    zorse

    Ich fin­de Ceci­li­as Erzäh­lung unglaub­lich authen­tisch und fes­selnd! Die Beschrei­bung der Vul­ka­nober­fahrt ist atem­be­rau­bend und gleich­zei­tig so leben­dig, dass man die Gefüh­le direkt nach­voll­zie­hen kann. Ein tol­ler Ein­blick in eine extre­mes Aben­teu­er!

  2. Avatar von grow a garden
    grow a garden

    Ceci­lia, dein Bericht ist unglaub­lich leben­dig und hat mich sofort mit­ge­ris­sen! Die Beschrei­bung des Abstiegs und der Vul­kan­auf­stiegs ist atem­be­rau­bend rea­lis­tisch – ich spür­te förm­lich die Erschüt­te­rung und den Adre­na­lin­schub. Beein­dru­ckend, wie du auch die klei­nen Details wie den Atem­test oder die Schu­hen humor­voll fest­hältst. Ein tol­les, ener­ge­ti­sches Stück!

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