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An kaum einem anderen Ort der Welt lässt sich die Steinzeit so hautnah erleben wie auf dem Orkney-Archipel. Das Leben auf den rauen Inseln im Norden Schottlands ist von Geschichte geprägt und vom Meer geformt.
Die Häuser drängen sich vor Wind und Kälte schützend aneinander. Überdachte Gänge führen in Räume mit Betten, Schränken und Herd. An einem Regal lehnt ein Becken. Davor liegt die Feuerstelle, die das Zimmer gewärmt und beleuchtet hat. Alles ist aus Stein. Kunstvoll geschichtet. Als wäre es eben verlassen worden. Wie auf einer Bühne zeigt das Dorf „Skara Brae“, wie die Menschen vor rund 5.000 Jahren lebten. Hunderte uralte Orte liegen auf Orkney. Die Inseln sind ein Tempel der Steinzeit und mit ihren einsamen Klippen, Stränden und Heidewiesen eine Naturoase.
Auf dem fruchtbaren Archipel wohnten im Neolithikum wohl über 10.000 Leute. Vor allem auf der größten Insel „Mainland“. Sie pflasterten Wege, bemalten Keramik und schufen beeindruckende Bauten. Nicht weit von Skara Brae thront auf einer Landzunge umgeben von Seen und sanften Hügeln der „Ring of Brodgar“. Morgens umhüllt das Rosa der aufgehenden Sonne den Steinkreis. Soweit nördlich sind die Tage im Sommer lang und die Nächte kurz. Austernfischer lärmen. Die katzengroßen Vögel mit den langen, roten Schnäbeln brüten in den Salzwiesen. 60 Megalithen standen hier einst, 27 recken sich noch immer dem Himmel entgegen.
Steinkreise und Grabhügel
Wie bescheidene Brüder verstecken sich die „Stones of Stenness“ daneben fast. Vier spitz zulaufende Steine ragen sechs Meter auf. Dieser Kreis ist der älteste des Archipels und wohl Teil einer Siedlung, die noch unter der Heide ruht. Dazu dürfte auch „Maeshowe“ gehört haben. Der Eingang des massigen, weit sichtbaren Grabhügels ist so ausgerichtet, dass die Strahlen der untergehenden Sonne um den 21. Dezember die Hauptkammer erleuchten. Huldigten die Menschen auf den feucht-windigen Inseln am kürzesten Tag des Jahres dem Licht und der Wärme? Das Steinzeit-Herz der schottischen Orkneys ist eine geheimnisvolle Landschaft, in der Leben, Tod und Kosmos untrennbar verbunden zu sein scheinen.
„Unsere Inseln lagen damals im Zentrum von Handelswegen. Die Menschen waren kultiviert und fähige Handwerker“, erzählt Andy Penn. Der Archäologe führt mit seiner Frau Karen über Westray im Norden des Archipels. Die Fähre aus dem Hauptort Kirkwall braucht 1,5 Stunden, die Flieger von Loganair 15 Minuten. Die beiden erwarten mich an der Landebahn und schließen eine Wette ab. Das machen hier alle. Zur Nachbarinsel Papa Westray geht laut Guinness-Buch der kürzeste Linienflug der Welt. Zwischen 50 und 120 Sekunden dauert er, je nach Wind. Darauf lässt sich setzen.
Obwohl sie nah beieinander liegen, unterscheiden sich die Inseln. Einige wie Hoy sind bergig, karg, rau. Westray ist eher flach und fruchtbar, mit Muschelbuchten und weißen Stränden. In den Dünen verstecken sich Ruinen der Wikinger. Die Siedlung Quoygrew war von 950 bis 1930 fast 1.000 Jahre durchgehend bewohnt. Die Mythen der Nordmänner von Robbenmenschen und Seeschlangen erzählen sie sich bis heute. „Storytelling“ ist eine geschätzte Kunst auf Orkney. „Für eine Geschichte ist immer Zeit“, lacht Karen, die auf Westray geboren ist und nie wegwollte. „Warum auch?“, fragt sie und zeigt mit dem Finger auf sattgrüne Hügel, Häuser aus Naturstein und den Horizont, an dem sich Nordsee und Nordatlantik treffen.
Sommergerste und Seevögel
Nur drei Familien haben auf der Insel keinen Blick auf das Meer, das bei Sonne über den Seegrasflächen Smaragdgrün schimmert und bei Sturm Gischtwolken über tiefschwarze Monsterwellen jagt. Alle kennen sich. Alle helfen sich. Doch das Leben kann hart sein. Neun Monate im Jahr regnet es, die übrige Zeit ist das Wetter schlecht. So unken die Einheimischen, die Schafe züchten, für Touristen oder in der Fischerei arbeiten. Wer angestellt ist, erhält zum Gehalt oft noch einen Zuschlag. Die „Distant Islands Allowance“ gibt es in einigen abgelegenen schottischen Inselregionen wie Orkney, Shetland oder auf den Äußeren Hebriden.
Früher hätten sie Kabeljau gefangen, sagt Karen. Als der weggeblieben sei, wurden Krabben gejagt. Vor ein paar Jahren musste auch die Shrimps-Fabrik schließen, weil die Netze leer blieben. Jetzt schuften 28 Leute auf Lachsfarmen. Etwa ein halbes Dutzend Aquakulturen ankert in den glasklaren Gewässern. Mittags reichen Karen und Andy in ihrem Haus, was sie und Nachbarn herstellen: geräucherte Makrele, warmen Dattelkuchen, Orangen-Chutney, Käse aus Kuhmilch, Kekse aus Sommergerste, ein Weizenbrot mit dicker Kruste aus der Inselbäckerei. Morgens hat Karens Mutter noch schnell frischen Salat aus dem Treibhaus gebracht.

Schreie fliegen durch die warme Luft. Ich stehe mit Karen und Andy an den Klippen von „Noup Head“, die 80 Meter tief stürzen. Regen und Wind haben umkämpfte Brutplätze in den Sandstein modelliert. In Spalten und auf Kanten nistet eine der größten Seevogel-Kolonien Großbritanniens. Tausende Tordalken, Trottellummen und Seeschwalben sitzen wie Kieselsteine auf den steilen Felsen. Papageientaucher sind die Stars. „Für sie kommen Fans selbst aus Australien“, sagt Andy. Die taubengroßen Vögel wirken wie Comicfiguren mit ihren knallroten Flossen, den schwarz-weißen Federn und dem orange-blauen Schnabel. Leicht erstaunt und neugierig schauen die Augen aus dem Clownsgesicht.
Holzkunst und Silberschmuck
Grau und nass hängt der Himmel über Mainland. Böen schütteln die Heide, auf der nur Büsche wachsen. Ich sitze bei Michael Sinclair. Der 63-Jährige war lange Seemann, bevor er sich traute, seine wahre Leidenschaft zu leben. Heute drechselt der stämmige Mann geschickt Gefäße und Objekte aus Holz. In einer Landschaft, in der Steine, Wind und Wasser herrschen, spürt der Holzschnitzer verwitterte Stücke am Strand oder grobe Gartenabfälle auf und verwandelt sie in prächtige Gefäße, Boxen, Skulpturen. Er brennt filigrane Steinzeit-Symbole ein, trägt Blattgold auf und schnitzt Dekorationen, die an die Schuppenpanzer der Wikinger erinnern.
Sammler und Museen haben seine Kunst längst entdeckt. „Die Natur und die Geschichte meiner Heimat inspirieren mich“, sagt Sinclair, der auf Sanday aufgewachsen ist; einer nur spärlich bewohnten Insel mit endlosen Sandstränden. „Jeder konnte da ein Handwerk. Am Haus, am Boot, am Auto wurden Probleme kreativ gelöst. Weil man sich selbst helfen musste“, erzählt Michael und klopft sich die staubigen Hände ab. Ob Trecker oder Trockner, sein Vater habe jede Maschine repariert, ohne das gelernt zu haben.
Anpacken, probieren, unabhängig sein, gehört zu Orkney wie das Meer und der endlose Horizont. Auf den Inseln mit gerade 20.000 Einwohnern arbeiten erstaunlich viele Kunsthandwerker: Glasbläser, Malerinnen, Möbelbauer, Stoffdesignerinnen, Töpfer und etwa ein Dutzend Silberschmiede! „Das gibt uns eine Art Identität. Wir verstehen uns weder als Briten, noch als Schotten“, erklärt Martin Fleet, der mit seiner Mutter Sheila ein Schmucklabel betreibt. Die 100 Mitarbeiter der Firma kommen ausschließlich von den Inseln und jedes Juwel ist eine Hommage an ihre Welt voller Kraft und Magie.
Kanus und Wracks
Über dem Strand von Scapa toben Wolken. Sonnenstrahlen zerreißen das Schwarz und schlucken den Wind. Zwei Dutzend Kanufahrer steuern auf die berühmte Bucht, die ein eisiges Grab für Menschen und Schiffe ist. 1939 torpedierte ein deutsches U‑Boot den britischen Zerstörer „Royal Oak“ und riss über 800 Seeleute in den Tod. 20 Jahre vorher hatte sich die kaiserliche Hochseeflotte in Scapa Flow selbst versenkt.
Kurz vor Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags 1919 war das ein verzweifelter Versuch der deutschen Marine, in der Niederlage die Kontrolle zu wahren. Noch heute liegen einige Wracks als Mahnmal und Paradies für Taucher in den Tiefen des natürlichen Hafens. Ich treffe David Flanagan. Der Autor und Filmemacher sagt, dass fast jeder Fleck auf Orkney eine Geschichte habe. Und die Menschen der Inseln würden sie einfach weitererzählen.

Reiseinformationen
Günstige Flüge nach Edinburgh bieten Eurowings, easyJet, Ryanair; weiter nach Kirkwall dann mit Loganair. Von Aberdeen, Scrabster und Gills Bay fahren Fähren.
Übernachten
Hotels, Zimmer, Hostels, Retreats: über www.orkney.com lassen sich verschiedene Unterkünfte buchen.
Trinken und Essen
Scapa ist ein berühmter Whiskey und die Führung durch die Brennerei mit Verkostung ein Erlebnis. Top-Fischgerichte serviert das „The Murray Arms“ in St Margaret’s Hope.
Touren
Auf den bewohnten Inseln lassen sich Wildlife- und Kulturtrips buchen. Klasse ist die Tour über Westray mit Karen und Andy Penn von Westraak.
Informationen
Auf www.orkney.com stehen viele Tipps, Events, Adressen. Beste Webadresse für Schottland ist www.visitscotland.com
Die Recherche wurde von VisitScotland unterstützt
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This article beautifully captures the mystical charm and resilient spirit of Orkney. The vivid descriptions of the landscapes, history, and people make it feel like a personal invitation to explore.
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The article beautifully captures the mystical charm and resilience of Orkneys people. I felt a deep connection to their rich history and close-knit community. The descriptions of the landscapes and traditions are truly captivating.
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