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Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Ushuaia, das Ende der Welt (6)

Bue­nos Aires. Ich hab zwar drei Wochen bei einem Freund gewohnt. Auf einer Dach­ter­asse inmit­ten der Stadt mit Blick auf die Sky­line. Er war Musi­ker und Lebe­mann. Die Feie­rei ist auf Rei­sen am gefähr­lichs­ten für den Geld­beu­tel. Da wacht man schon­mal auf, nach einer durch­zech­ten Nacht und fragt sich, ob man wirk­lich 100 € aufn Kopp gehauen hat. Das ist sehr viel Geld für mich. Ein­mal die Kon­trolle ver­lo­ren. Aber Spaß gehabt.

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Meine Kamera war inzwi­schen kaputt gegan­gen und ich hab mir eine neue aus Deutsch­land gekauft. Weil das unge­fähr vier mal bil­li­ger ist, als Tech­nik in Süd­ame­rika zu kau­fen. Ich hatte den Feh­ler gemacht, diese Kamera zu einer Freun­din nach Bue­nos Aires zu sen­den und auch noch ihren Namen drauf zu schrei­ben. Argen­ti­ni­sche Post. Eine unglaub­li­che Odys­see begann. Ich war ins­ge­samt vier mal an der Haupt­post in Bue­nos Aires, bis ich letzt­end­lich mein Paket ent­ge­gen neh­men konnte. Beim vier­ten Mal bin ich extra 3200km von Ushuaia zurück getrampt. Ging lei­der nicht anders. Klei­ner Umweg. Aber ich brauchte unbe­dingt eine neue Kamera für meine Tour. Und hier war ich gerade am Ende der nächs­ten Etappe angekommen.

Ushuaia ist die süd­lichste Stadt von Süd­ame­rika. Hat den Charme eines Alpen­ski­or­tes. Dort kann man das „Fin del mundo“ (Ende der Welt) besu­chen. Natür­lich stand das ganz oben auf mei­ner Liste. Den Weg­punkt, für die süd­lichste Stadt des Kon­ti­nen­tes, musste ich auf jeden­fall mit­neh­men. Die 3200km von Bue­nos Aires bin ich in 3,5 Tagen run­ter­ge­knallt. Zwi­schen Bue­nos Aires Stadt­grenze und Rio Gal­le­gos hab ich 2532 km in 38 Stun­den und 49 Minu­ten getrampt, ehe ich von einer geschlos­se­nen Grenze auf­ge­hal­ten wurde. War ein Höl­len­ritt. Eine mei­ner schnells­ten Pas­sa­gen ever.

Argen­ti­nien hat mir zum Tram­pen sehr gut gefal­len. Im Süden erstre­cken sich die pata­go­ni­schen Step­pen ent­lang der Küste. Hun­derte Kilo­me­ter lange, gerade Stra­ßen pflü­gen sich durch das tote Land. Schöne Orts­um­ge­hun­gen. Tag und Nacht Ver­kehr. Viele Leute fah­ren Lang­stre­cken. Was will das Tram­per­herz mehr? Der argen­ti­ni­sche Süden ist eher flach und trost­los. Land­schaft­lich nicht so über­ra­gend, wie auf der chi­le­ni­schen Seite. Kann man aber schön durch­knal­len. 200 km vor Ushuaia gibt’s auch wie­der ein paar Bäume und zum Ende der Route, bin ich durch atem­be­rau­bende Land­schaft gefah­ren. Aller­dings nur am Ende… der Welt.

In Ushuaia kam ich Abends an. Es war bereits dun­kel. Ich klebte einen Sti­cker ins Stadt­zen­trum und freute mich, dass ich nun von Deutsch­land an die Süd­spitze von Süd­ame­rika getrampt bin. Zur Feier des Tages suchte ich mir ein Hos­tel. Nach fast 6 Mona­ten auf der Straße, war dies die zweite Nacht, die ich in einer bezahl­ten Unter­kunft ver­bracht hatte. Dachte mir, dass kann man sich mal gön­nen nach 3,5 Tagen auf der Straße. Am nächs­ten Mor­gen bin ich direkt wie­der zurück nach Bue­nos Aires auf­ge­bro­chen. Musste ja noch meine Kamera abholen.

Ich hatte zu die­ser Zeit schon voll akzep­tiert, dass mein natür­li­ches Wesen auf der Straße sein will und in Bewe­gung blei­ben muss. Pause, rela­xen und so war schwer für mich. Die letz­ten paar km zum offi­zi­el­len „Fin del mundo“-Touristendenkmal bin ich auch nicht mehr gefah­ren. War nicht so wichtig.

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Die nächs­ten Wochen sollte ich es aller­dings etwas ruhi­ger ange­hen las­sen. Von Bue­nos Aires machte ich mich auf nach Chile. Ich blieb ca. eine Woche in Men­doza. Eine wun­der­bar ent­spannte Wein­stadt im nord­wes­ten Argen­ti­ni­ens. Es war Spät­som­mer und das war reins­tes Urlaubs­fee­ling dort. Nicht zu heiß, schöne Archi­tek­tur und Wein-Flat­rates in den ansäs­si­gen Hos­tels für die, die es nötig haben.

Ich war nicht so in Par­ty­stim­mung und zog wei­ter in die Anden. Dort tat ich mich mit einer Gruppe Israe­lis zusam­men und wir gin­gen Berg­stei­gen. Ich erklomm mei­nen ers­ten 4000er und pin­kelte vom Gip­fel, mit einem Pan­ora­ma­blick auf den Acon­ca­gua, wäh­rend über uns ein Con­dor kreiste.. Wir schlie­fen die erste Nacht auf 3200m in einem klei­nen Stein­haus ohne Fens­ter, dass da irgend­je­mand auf den Berg gesetzt hat. Und da gab es die­sen merk­wür­di­gen Moment. Ich bin Nachts aus mei­nem Schlaf­sack gekro­chen, um aufs Klo zu gehen. Als ich nach drau­ßen trat, bin ich vor Begeis­te­rung fast in Ohn­macht gefal­len. Wir waren umzin­gelt von 4000 bis 5000ern, die ehr­fürch­tig auf uns Her­ab­schau­ten, kein Mond und ein Ster­nen­him­mel, der mir total den Ste­cker gezo­gen hat. Und das sage ich, nach­dem ich drei Wochen, jede Nacht für Ster­nen­him­mel auf dem Atlan­tik geschaut habe. Aber am Berg wirkte das noch­mal anders. Es war lei­der so kalt, dass ich mir das nicht län­ger wie drei Minu­ten anschauen konnte und schnell wie­der in mei­nen Schlaf­sack kroch.

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Durch die Anden bin ich dann nach Chile. Hab mir eine Nacht Sant­iago de Chile ange­schaut. Die wohl schwie­rigste Stadt der Welt, wenn man einen Schlaf­platz sucht. Alles zuge­baut und mit Zäu­nen gesi­chert. Aber nicht sol­che Zäune die ein­fach nur „soda“ sind, son­dern Zäune mit fie­sen Spit­zen, die nur dar­auf war­ten, sich in irgend­ei­nen Kör­per zu boh­ren. Es fin­det sich auch der gute, alte Elek­tro­zaun. Die ärme­ren Fami­lien kle­ben Glas­split­ter auf ihre Mau­ern. Das wird dann ergänzt, durch eine all­ge­gen­wär­tige Secu­rity, die jeden eurer Schritte beob­ach­tet. Nor­ma­ler­weise liebe ich Urban Cam­ping, aber nicht in Santiago.

Ich machte daher schnell weite, in den chi­le­ni­schen Nor­den und zu den Aus­läu­fern der Ata­cama Wüste. Gene­rell stand ab jetzt „Wüste“ auf dem Pro­gramm. Nicht nur hier, eigent­lich über­all. Wenn ihr mal zwei Kon­ti­nente auf dem Land­weg durch­quert habt, dann wer­det ihr fest­stel­len, dass wir ver­dammt viel Wüste auf der Erde haben. Ca. 30% der Land­flä­che, um genau zu sein. War mir vor­her nicht bewusst. Aber in Chile Begriff ich lang­sam, das es nicht über­all so grün und bewal­det ist, wie in Deutschland.

Es gab nicht viel mehr zu erzäh­len aus die­sem Abschnitt. In Chile ver­stand ich keine Sau, weil die da so ein unmög­li­ches Spa­nisch spre­chen. Viel­leicht sollte ich eher sagen, dass die so ein umög­li­ches Spa­nisch nuscheln. Ich kam dann irgend­wann nach Boli­vien.

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Boli­vien, wo man anschei­nend nicht tram­pen konnte. Mein Kol­lege meinte schon, dass es keine Schande wäre, wenn ich hier auf einen Bus umstei­gen würde. Er hatte sehr sehr schlechte Erfah­run­gen gemacht. Und außer­dem sei es ja so gefähr­lich da. Boli­via­ner so arro­gant. Und über­haupt, alles schlimm. Ich machte mir wochen­lang Gedan­ken, wie ich die­ses Land über­le­ben sollte. Hab mich so ein­ge­schis­sen, dass ich meine Route fast um Boli­vien herum ver­legt hätte.

Als ich schließ­lich in Boli­vien ankam und mei­nen Dau­men raus­hielt, hatte ich ab der ers­ten Minute einen Bom­ben­trip. Tramp­t­ech­nisch defi­ni­tiv eines mei­ner Lieb­lings­län­der! Super Leute! Das klarste Spa­nisch und dazu wohl auch das bil­ligste Land in Süd­ame­rika. Rück­bli­ckend muss ich sagen, dass hier eine der bes­ten Zei­ten mei­ner Expe­di­tion began.

 

Leipzig-Alaska-Karte

Cate­go­riesArgen­ti­nien
    1. Stefan says:

      Ja, I know. Ushuaia hat die­sen Titel nur, weil es die süd­lichste „Stadt“ von Süd­ame­rika ist, da Puerto Wil­liams fak­tisch als Dorf gilt. ;)

  1. Ich verfolge/verschlinge die Rei­se­de­pe­schen nun schon ziem­lich lange – aber diese Arti­kel­Se­rie ist ein wah­res High­light und liest sich so schön, dass ich es jetzt schon schade finde, wenn der Super­Tram­per oben in Alaska eintrifft…alle Dau­men hoch ! Danke !

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