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Warum das Reisen uns begeistert – trotz Massentourismus und Selfie-Wahnsinn

Das Rei­sen war noch nie so vol­ler Wider­sprü­che. Wir suchen die letz­ten authen­ti­schen Orte, um sie für alle Welt zu insze­nie­ren. Die Sehn­sucht nach Schön­heit pro­du­ziert zuneh­mend Unschö­nes, weil zu viele Men­schen sie tei­len müs­sen – Lärm, Müll, Kom­merz. Wir wol­len die größ­ten Indi­vi­dua­lis­ten sein, aber prü­fen skep­tisch, wie all die ande­ren unser Hotel im Inter­net bewer­tet haben. Das Aben­teuer lässt sich über­all vor­bu­chen. Alles ist mög­lich, aber die Zeit reicht nie. Fear of miss­ing out – die Angst, immer etwas zu ver­pas­sen. Das Rei­sen ist so ein­fach und rasant gewor­den, aber die Gedan­ken blei­ben langsam.

Man könnte mei­nen, zum Rei­sen wäre alles gesagt. Aber das stimmt nicht. Erst recht nicht in die­sen Zei­ten. Die Ferne rückt näher, die Welt scheint zu schrump­fen, doch sie kommt uns trotz­dem immer unüber­sicht­li­cher vor. Die gro­ßen Fra­gen stel­len sich neu oder anders: Warum hier­hin und nicht dort­hin? Was zeich­net eine Reise wirk­lich aus? Wel­che Sehens­wür­dig­kei­ten kann man sich bes­ser spa­ren? An wel­chem Ort war­tet das Para­dies? Wer ist ein ech­ter Aben­teu­rer? Wo ist es noch ursprüng­lich? Und warum sieht der Strand auf Insta­gram immer schö­ner aus als in Wirklichkeit?

Denn eines hat sich nicht ver­än­dert: die sagen­hafte Ener­gie des Rei­sens, eine Kraft, die das eigene Leben, wenn man will, ein­mal durch­schüt­telt und neu auf die Füße stellt. Nie hörte man von einem, der sagte, er habe seine Zeit mit Rei­sen ver­geu­det. Rei­sen als uni­ver­sel­les Bedürf­nis des Men­schen, als Frei­heits­ver­spre­chen, roman­ti­sche Ide­al­welt, als Abkehr von der All­täg­lich­keit des Lebens, als Ver­such sich selbst zu fin­den oder ein ande­rer zu wer­den – aber auch als Mil­li­ar­den­ge­schäft und ulti­ma­ti­ves Sta­tus­sym­bol. Wir schul­tern rie­sige Erwar­tun­gen ans Rei­sen und bre­chen auf mit wei­chen Knien.

Urlaub, Tou­ris­mus, Rei­sen: Wenig ist so stark mit posi­ti­ven Asso­zia­tio­nen auf­ge­la­den. Wird davon erzählt, war meist alles schön, auf­re­gend und span­nend. Was meist fehlt in den Berich­ten: die Rei­bung, das Schei­tern, Scham und Tra­gik. Rei­sen ist toll, jeder mag es und fast jeder macht es. Was gibt es da groß zu berich­ten, außer dem ewig glei­chen Geschwur­bel von Schön­heit und Exo­tik? Rei­se­un­ter­neh­men und Influen­cer zei­gen uns Traum­bil­der, denen wir nach­ja­gen, obwohl wir spü­ren, dass sie fake sind. Doch Rei­sen ist viel mehr als diese Wohl­fühl­welt aus hoh­len Kulis­sen. Es bedrängt uns mit dem Wesent­lichen, weil wir ganz auf uns selbst zurück­ge­wor­fen sind. Was ist anzu­fan­gen mit der Zeit, die wir haben, bis wir ster­ben? Und wie sieht es aus, das gute Leben? Wie könnte es gelingen?

Kon­ven­tio­nelle Rei­se­füh­rer erklä­ren, wohin man fah­ren soll. Die­ses Rei­se­hand­buch will nach­spü­ren, wie man das Unter­wegs­sein grund­sätz­lich anstel­len könnte – und warum. Ein Buch für jeden Ort und viele Gemüts­la­gen: für bren­nende Eupho­rie, lethar­gi­schen Schwer­mut, nagende Zwei­fel, tiefe Ver­bun­den­heit. Für rast­lose Ein­stei­ger, die noch eini­ges vor­ha­ben, und für Kön­ner, die schon viel ken­nen, aber genau wis­sen, dass sie nie­mals satt sein wer­den, nie­mals fer­tig mit die­ser wun­der­vol­len, erstaun­li­chen, bestür­zen­den Welt. Es geht nicht darum, Län­der abzu­ha­ken. Was zählt, ist die innere Einstellung.

Die Welt ist ent­deckt? Mag sein. Aber das ist zweit­ran­gig. Wich­ti­ger ist doch, wie wir die Welt ent­de­cken – und schluss­endlich: die Welt ins uns. Denn das eine ist, was dort drau­ßen vor unse­ren Augen pas­siert, und das andere, was dadurch mit uns geschieht. Bei­des lässt sich nicht von­ein­an­der tren­nen. Denn eine Reise ist immer bei­des zugleich: Bil­dung und Herzensbildung.

In die­sem Buch steht nicht die eine Wahr­heit über das Rei­sen. Es sind meine Erfah­run­gen und Ein­sich­ten, und jeder möge sich davon mit­neh­men, was ihm wert­voll erscheint. Ich schreibe mit der Brille eines wohl­ha­ben­den Mit­tel­eu­ro­pä­ers. Es ist die ein­zige, die ich habe, und ich will auf­rich­tig sein bei einer so per­sön­li­chen Ange­le­gen­heit wie dem Rei­sen. Mei­ner Per­spek­tive sind blinde Fle­cken und Unzu­läng­lich­kei­ten geschul­det, die ich ver­sucht habe, zu reflek­tie­ren. Wo mir das nicht gelun­gen ist, tut es mir leid.

Begin­nen wir nun die Reise, von Deutsch­land nach Paris, Bei­rut und Dakar, in die Ort­ler Alpen und in den Gro­ßen Kau­ka­sus, zu fin­ni­schen Seen und in den Regen­wald des Kon­go­be­ckens, auf Schie­nen durch Europa und zu Fuß auf den hei­li­gen Berg Japans.

Es gibt viel zu erzählen.

Vom Glück zu Rei­sen – Ein Reisehandbuch
Wo liegt das Para­dies? Bin ich ein ech­ter Aben­teu­rer? Warum ist der Strand auf Insta­gram immer schöner?
Hard­co­ver, 304 Seiten

Jetzt lesen: Über­all, wo es Bücher gibt, oder hier im Shop.

Cate­go­riesWelt
  1. Michael Werner says:

    Hallo aller­seits,
    ich habe das Buch letzte Woche fast am Stück gele­sen, was eigent­lich nicht meine Art ist, da ich keine „Lese­ratte“ bin. Das alleine zeigt, wie fes­selnd und nach­denk­lich zugleich das Werk für mich ist. Die aus­ge­wo­gene Kom­bi­na­tion aus Bran­chen-/Selbst­kri­tik, prak­ti­schen Tipps, per­sön­li­chen Rei­se­be­rich­ten und rea­lis­ti­scher Ein­ord­nung des Rei­sen in das heu­tige Inter­net-Zeit­al­ter machen es für mich zu einem sehr nütz­li­chen Nach­schla­ge­werk im Rah­men mei­ner Bera­tung. Vie­len Dank für ein sehr inspi­rie­ren­des Buch, das durch die sehr kluge Kapi­tel-Auf­tei­lung nicht von vorne bis hin­ten am Stück gele­sen wer­den muss. Man kann sprin­gen, was mir als „Wühl­maus“ eher entgegenkommt. :-)

  2. Marlene Unterhofer says:

    Ich mag Laa­ges Bei­träge auf die­ser Seite prin­zi­pi­ell sehr gerne. Hat keine Angst, auch mal Unschö­nes anzu­spre­chen. Das hier vor­lie­gende Vor­wort ist mir dann aber doch zu auf­ge­setzt meta­phy­sisch. Sorry, aber es erin­nert an diese schreck­li­chen Ein­füh­rungs­mo­no­loge von Mar­kus Lanz, der bei Adam und Eva beginnt, die Qua­dra­tur des Krei­ses ver­spricht, Fra­gen über Fra­gen über Fra­gen auf­wirft und am Ende wenig bis gar nichts Brauch­ba­res lie­fert. Keep it real, Phil­lip. Mark Twain war des­halb so gut, weil er eben kein Pla­ton sein wollte.

    1. Mar­kus Lanz und Mark Twain inner­halb von drei Sät­zen, ei. Mein Vor­schlag: Viel­leicht lesen Sie ja das Buch und fin­den dort etwas „Brauch­ba­res“? Schöne Grüße!

  3. Jessica says:

    „Das Rei­sen ist so ein­fach und rasant gewor­den, aber die Gedan­ken blei­ben langsam.“
    Ein gran­dio­ser, klei­ner Satz, mit dem doch alles gesagt ist!
    Hört sich nach einem wun­der­vol­len Buch an!

  4. Guido says:

    Kaufe ich gern – aber nur als eBook. Wor­aus sich die Frage speist: Wird es das als eBook geben und wenn ja: wann, wo, wie (Kindle (Mist, aber bes­ser als nichts), PDF, ePub, ..)? Gedruckt auf Papier mag ich nur noch für die gro­ßen Bild­bände. Die funk­tio­nie­ren als eBook nicht. Lese­stoff ist digi­tal ein­fach ungleich komfortabler.

    1. Hi Guido, ich muss dich ent­täu­schen – wir haben uns gene­rell gegen eBooks ent­schie­den, da wir zuviel mit Bil­dern, Illus­tra­tio­nen und Kar­ten arbei­ten. Das ist ein­fach digi­tal nicht schön umge­setzt bis­her, und wir sind über­zeugt, dass ein schö­nes, hoch­wer­ti­ges gedruck­tes Buch ein­fach toll ist :)
      Viel­leicht gibst du die­sem Buch trotz­dem eine Chance? Wir sind gespannt auf deine Mei­nung dazu!

    2. Guido says:

      Hallo Johan­nes,
      bei EPub u.ä. For­ma­ten kann ich den Ein­wand ver­ste­hen. Da wer­den Lay­out, Hin­ter­gründe, Sei­ten­um­brü­che etc. je nach App und deren Ein­stel­lun­gen ggf. arg zer­schos­sen. Wenn man viel Arbeit in Lay­out, Illus­tra­tio­nen usw. gesteckt hat, sieht das in so einer Rea­der-App häu­fig zum Heu­len aus. Aber dann ver­öf­fent­licht doch als PDF? Das da das Lay­out 1:1 erhal­ten bleibt, brau­che ich Dir als Gra­fi­ker ja nicht zu erklä­ren. Ihr müss­tet nicht mal neu lay­ou­ten, son­dern die PDF-Druck­vor­lage quasi nur mal ohne Anschnitt gene­rie­ren. Bei einem Buch­for­mat von nur 18x12cm bleibt der Text auf heu­ti­gen Smart­phones mit ihren hoch­auf­lö­sen­den >5.5‑Zoll-Displays auch gut les­bar und auf einem Tablet passt es perfekt.

      Die sind in Sachen Lay­out keine Offen­ba­rung, aber Lonely Pla­net, Reise Know­how und andere Rei­se­ver­lage ver­öf­fent­li­chen auch als PDF. Lässt sich am Smart­phone pro­blem­los nutzen.

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