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Unter’m Wasserfall mit Jimi Hendrix

Nach dem Klet­tern in ein Berg­was­ser­be­cken sprin­gen ist toll. Nach dem Klet­tern unter einem Was­ser­fall duschen ist noch viel besser.

Die heiße Sonne schien sich lang­sam durch das Auto­dach hin­durch zu arbei­ten, die Autolüf­tung gab jeden Moment ihren Geist auf und das Was­ser, was an unse­ren Füßen kul­lerte, ver­duns­tete in der geschlos­se­nen Fla­sche. So kurv­ten wir durch die Ser­pen­ti­nen des marok­ka­ni­schen Atlas­ge­birge. Doch unsere Auf­merk­sam­keit lag bei dem, was da drau­ßen war: Wir fuh­ren von einer klei­nen Oase zur ande­ren. Mit­ten im tro­cke­nen, stau­bi­gen Gebirge tauch­ten immer wei­der kleine Oasen­in­seln auf. Dicht bewach­sene, frisch-grüne Mini-Urwäl­der. In deren Mitte man sich einen Spring­brun­nen vor­stellte, der unun­ter­bro­chen plät­schert und des­sen Was­ser alles Leben – ob pflanz­lich oder mensch­lich – jung und frisch hält.

1_Oase

Auf dem Weg zwi­schen die­sen Oasen­in­seln gab es immer wie­der Mini­tä­ler, wo sich etwas Was­ser des Berg­flus­ses staute. In die­sen klei­nen Becken haben lokale Ber­ber restau­rant­ar­tige Plätz­chen geschaf­fen, indem sie ein bis zwei Plas­tik­ti­sche mit zwei bis drei Plas­tik­stüh­len dort hin­ein stell­ten. Dane­ben eine kleine Hütte, in der sie Essen zube­rei­ten. Fer­tig. Der Clou dabei: In dem Was­ser­be­cken sind kleine Fische, die die Horn­haut der Füße abna­gen. Man sitzt also waden­tief im erfri­schen­den Was­ser, bekommt eine Fuß­be­hand­lung und lecke­res Ber­ber­es­sen. So habe ich die Marok­ka­ner immer wie­der erlebt: Sie nut­zen ein­fach was die Natur ihnen bie­tet und machen aus ihren Gege­ben­hei­ten immer das Beste. Und: Sie sind immer an Orten, an denen man sie nicht erwartet.

2_Berber

Wir aber hat­ten noch ein ande­res Ziel und kurv­ten immer wei­ter durch die Ser­pen­ti­nen. Von Fisch­be­cken­re­stau­rant zu Oase zu Fisch­be­cken­re­stau­rant. Sogar die bekann­teste aller Oasen lie­ßen wir links lie­gen: Para­dise Val­ley – eine beson­ders große, grüne, gran­diose Oase.

3_Straße

Bis wir an einem Ort anka­men, der erst nach einem nor­ma­len Mini­berg­dorf aus­sah. Wir war­fen uns in unsere Bade­sa­chen und alles andere ins Auto. Denn schon gleich würde es schwer genug wer­den, nur uns selbst zu tra­gen. Gleich hin­ter dem ers­ten Hügel wurde es auf­re­gend. Eine Land­schaft mit unbe­rühr­ten stei­len Fel­sen und klei­nen Was­ser­be­cken dazwi­schen hatte sich hier ver­steckt. Eine Land­schaft, die sofort auf allen Vie­ren und mit Kleb­stoff­hän­den erobert wer­den wollte. Die wünschte ich mir zumin­dest. Zwi­schen uns und den Mini­berg­seen lagen noch einige echte Kletteranstrengungen.

7_Dorf

4_Dorf

Wir klet­ter­ten los. Von einem klei­nen Fels­vor­sprung auf den nächs­ten und ja nicht den wacke­li­gen erwi­schen. Das erste Becken war flach und wir konn­ten es durch­wa­ten. Frö­sche quak­ten und luden uns zum Fan­gen spie­len ein. Wir lie­fen ihnen hin­ter­her. Doch sie waren gelen­ker zwi­schen den stei­len Fels­wän­den und konn­ten uns jedes Mal ent­kom­men. Dafür führ­ten sie uns durch die Fel­sen zum nächs­ten Becken. Um dies herum waren große, glatte, glit­schige Steine. Bedroh­lich glit­schig in Anbe­tracht des Abgrunds. Denn erst 20 Meter tie­fer lag das Was­ser­be­cken und auf dem Fall­weg dort­hin wür­den noch einige Fels­vor­sprünge zu pas­sie­ren sein. Den­noch klet­ter­ten und rutsch­ten wir wei­ter – nur mit gro­ßen Anstren­gun­gen, den rich­ti­gen Gewichts­ver­la­ge­run­gen und prä­zi­sen Schrit­ten auf den rich­ti­gen Stein beweg­ten wir uns fort. Immer­hin wür­den wir im küh­len Was­ser lan­den, wenn wir abrutsch­ten. Das war etwa 40 Meter tief und würde für eine mehr oder min­der sanfte Lan­dung reichen.

 

Wir schaff­ten es bis zu einem Vor­sprung, von dem aus der per­fekte, gewollte Sprung ins Was­ser mög­lich war. Wir sprun­gen ab, lan­de­ten im kal­ten Was­ser, tauch­ten tief, als würde das Becken kei­nen Boden haben. Es fühlte sich an, als seien wir die ers­ten Men­schen, die jemals hier hin­ein­spran­gen. Wir klet­ter­ten raus und spran­gen wie­der. Und wie­der. Bis wir sicher waren, dass selbst wenn jemand schon vor uns hier hin­ein­ge­sprun­gen war, es nie­mand so oft getan hatte.

6_Felsen
Dann klet­ter­ten wir wei­ter und ent­deck­ten zehn Meter über uns einen Ein­gang in eine Höhle mit­ten im Fels. Nur über kleine, wahl­los aus dem gro­ßen Fels vor­sprin­gende Kan­ten gelang­ten wir dort hin­auf. Hin­ter dem klei­nen run­den Ein­gang ver­barg sich tat­säch­lich eine ziem­lich große Höhle. Genug Platz für min­des­tens drei große Win­ter­schlaf­bä­ren. So sah sie zumin­dest aus. Da es hier aber weder Bären, noch Win­ter gibt, lern­ten wir, dass hier Men­schen ihren Platz fin­den. Denn es war eine Pil­ger­höhle für Hip­pies. Aus aller Welt pil­gern immer wie­der kleine Kom­mu­nen zu die­ser Höhle und ver­brin­gen hier ein paar Nächte. Oder mehr. Denn als einst Jimi Hen­drix Marokko besuchte, war es diese Höhle, in der auch er eine Nacht ver­brachte. Oder mehr. Und er war es wohl auch, der die­sem Ort seine spi­ri­tu­elle Mys­tik verlieh.

 

Gleich um die nächste Ecke war ein Was­ser­fall, der frisch und sprit­zig direkt auf ein klei­nes Pla­teau vor sich nie­der plät­scherte. Als würde er mit einem rie­si­gen Regen­dusch­kopf­auf­satz zur Höh­len­voll­pen­sion dazu­ge­hö­ren. Und genau zu einer solch aus­gie­bi­gen Dusche lud er auch ein. Auf dem Pla­teau ste­hend, stan­den wir unter dem Was­ser­fall. Hier hatte auch Jimi Hen­drix damals geduscht. Das Was­ser war eis­kalt, was wun­der­bar erfri­schend war. Min­des­tens vier Meter fiel das Was­ser her­un­ter und lan­dete hart auf unse­ren Rücken, was wun­der­bar mas­sie­rend war. Hier woll­ten wir nicht mehr weg und fühl­ten uns, als würde uns gleich eine Was­ser­ni­xen­flosse wach­sen. Wenn ich so jedes Mal duschen könnte, würde ich es auch in Kauf neh­men, dort erst eine Stunde lang hin­zu­krach­seln. In kühle Fels­seen sprin­gen ist ja schon schön, aber Duschen unter einem natür­li­chen Was­ser­fall nach einer auf­rei­ben­den Klet­ter­tour ist das erfri­schendste, was ich je erlebt habe.

 

Jimi Hendrix Wallpaper 7

 

Cate­go­riesMarokko
Lena Kuhlmann

Es geht nicht um Orte. Sondern um Begegnungen, Menschen, Erlebnisse. Es geht Lena darum in Lebenswelten einzutauchen und dabei in den kleinsten Details das Größte zu finden. Und das findet Lena in den Orten da draußen.

  1. Felix says:

    Hallo, schöne Bil­der. Ich habe ver­gan­ge­nes Jahr eine ähn­li­che Tour gemacht! Das mal wie­der in ande­ren als mei­nen Bil­dern zu sehen, hat mich sehr gefreut! Wei­ter so!

    1. Lena Kuhlmann says:

      Vie­len Dank Felix! So eine Atlas-Krach­sel­tour habe ich noch nicht von vie­len gehört. Dem­nächst kommt auch noch was von einer Israel-Krach­sel­tour. Viel­leicht ja auch was für dich ;)

    1. Lena Kuhlmann says:

      Hey Mrak­schi, danke für dein Kom­men­tar. Wir waren süd­west­lich von Ouz­oud, viel­mehr in der Nähe von Imouz­zer. Und der Was­ser­fall war auch viel klei­ner als die in Ouz­oud. Aber die müs­sen auch toll sein!

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