Wir woll­ten Jakarta berei­sen. Wir woll­ten Indo­ne­si­ens Haupt­stadt auf uns wir­ken las­sen. Doch schnell stel­len wir fest, dass diese Vor­stel­lung rea­li­täts­fern war. Man bereist Jakarta nicht, mit Jakarta nimmt man es auf. Wie ein Boxer, der sich zuviel vor­nimmt, ver­nach­läs­si­gen wir unsere Deckung und hän­gen bald in den Sei­len. Wir ver­der­ben uns den Magen und zwi­schen­durch fast die Laune. Das Happy End müs­sen wir uns hart erarbeiten.

verkehr 2

Nacht 1 in Jakarta: Mein schweiß­nas­ser Rücken klebt an der Matratze, in die ich min­des­tens einen hal­ben Meter ein­ge­sun­ken bin. Gar nichts ist in Ord­nung. Im Git­ter des knar­zen­den Ven­ti­la­tors hän­gen dünne graue Staub­fä­den, trotz­dem ziehe ich ihn der Hitze wegen nah ans Gesicht. Durch das kleine Fens­ter, weit über Augen­höhe, dröhnt „Red Red Wine“ aus der Karao­ke­bar. Ich merke wie ich dünn­häu­tig werde. Wut steigt in mir auf. Meine Beine krib­beln als wären die Bett­wan­zen direkt dar­über aus­ge­kippt wor­den. Mein Zorn spru­delt an die Ober­flä­che, ich will jetzt Aylin mit rein­zie­hen: „Ich will hier nur noch raus. Mor­gen früh zie­hen wir um.“ Ich sage die Worte ein­fach laut in ihre Rich­tung. Die Empa­thie, wenigs­tens ihr den Schlaf zu las­sen, bringe ich nicht mehr auf. Nach nur weni­gen Stun­den hat mich Jakarta fest im Würgegriff.

verkehr 1

Wir kom­men vor­mit­tags mit dem Flug­zeug an. Die Bus­fahrt ins Zen­trum ist lang. Über meh­rere Kilo­me­ter erstreckt sich das glei­che Bild von pro­vi­so­risch zusam­men­ge­schus­ter­ten Bara­cken und Ver­käu­fern, die ihren mobi­len Imbis­stand auf Rädern per Mus­kel­kraft ent­lang einer vier­spu­ri­gen Straße bewe­gen. Autos und Motor­rol­ler befin­den sich im stän­di­gen Kampf um den Platz auf der Straße. Als wir an der Gam­bir Sta­tion aus­stei­gen hängt der Smog wie eine Glo­cke über der Stadt. Weder Sonne noch Wol­ken sind am Him­mel erkenn­bar. Es herrscht diese Art von Hitze, bei der es den gan­zen Tag grau ist und man am Abend trotz­dem son­nen­ver­brannte Haut hat. Wir füh­len uns ver­las­sen in die­sem Moloch, beglei­tet vom Gefühl, nicht das Rich­tige zu tun, als wir ent­lang der mäch­ti­gen, über­vol­len Ver­kehrs­adern lau­fen. Auf­grund des Lärms schreien wir ein­an­der an, obwohl wir neben­ein­an­der gehen. Außer uns läuft kei­ner, jeder bewaff­net sich mit einem Motor.

Die Aus­sicht, den Ruck­sack able­gen zu kön­nen, lockt uns in jenes, von Bett­wan­zen bevöl­ker­tes Zim­mer. Im Ein­gangs­be­reich des „Kreshna Hos­tel“ liegt ein grim­mer Mann quer über dem Sofa und sagt zu sei­nem Gegen­über: „I have so much hate in me right now, it’s unbe­lie­va­ble.“ Viel­leicht hätte ich das als ‚Fores­ha­dowing’ mei­nes spä­te­ren Zustands deu­ten sol­len. Jakarta zwingt uns zu Fehlern.

„Kar­ne­vals­ähn­li­che Zustände“ sol­len wir sonn­tags in Kota, im Nord­teil der Stadt erle­ben kön­nen. Tat­säch­lich, auf dem Haupt­platz, ein­ge­kes­selt von ein paar ansehn­li­chen Gebäu­den aus der Kolo­ni­al­zeit, herrscht aus­ge­las­sene Stim­mung. Flie­gende Händ­ler ver­kau­fen Getränke, grün bemalte Män­ner, die sich als Sol­da­ten ver­klei­det haben, las­sen sich für ein Trink­geld foto­gra­fie­ren. Es wer­den Fahr­rä­der ver­lie­hen, mit denen Einige quer über den Platz fah­ren. Offen­sicht­lich einer der weni­gen Plätze in Jakarta, wo man sich auf ein Fahr­rad set­zen kann, ohne sofort sein Leben aufs Spiel zu set­zen. Die größte Sehens­wür­dig­keit sind aber offen­sicht­lich wir selbst. Alle paar Meter wer­den wir ange­hal­ten, um für ein Foto zu posie­ren. Andere freuen sich dar­über uns zumin­dest ein „Hello“ zu ent­lo­cken. Wenn wir Trink­geld ver­langt hät­ten, hät­ten wir mit Sicher­heit mehr erwirt­schaf­tet als die grün ange­mal­ten Soldaten.

hello 1feria 1

hello 2

Zufäl­lig ent­de­cken wir auf Spie­gel-Online einen Arti­kel über Street­food in Jakarta. Der Autor schwärmt von einem bestimm­ten Stand, den viele Tou­ris­ten offen­sicht­lich nie ent­de­cken. Wie kleine Kin­der freuen wir uns, als wir den Stand ein paar Geh­mi­nu­ten vom Hos­tel ent­de­cken. Beim Anblick des viel zu dun­kel­brau­nen Zie­gen­flei­sches in dem rie­si­gen Wok klin­geln alle Alarm­glo­cken. Aber wir sind ja an die­sem legen­dä­ren Stand, dem sogar ein Spie­gel Arti­kel gewid­met wurde. Also hören wir nicht auf unse­ren gesun­den Men­schen­ver­stand und neh­men auf der tie­fen Bier­bank platz. Eine Nacht spä­ter wün­schen wir uns, wir hät­ten den Arti­kel nie gele­sen. Die nächs­ten 48 Stun­den ver­brin­gen wir mit einer Art Zie­gen­fleisch­ver­gif­tung im Bett. Bei Aylin bricht das Virus ein paar Stun­den spä­ter als bei mir aus, was mich zu einer Art mensch­li­chen Ora­kel macht, in dem sie ihr unmit­tel­ba­res Schick­sal able­sen kann. Und die­ses sieht vor­erst nicht sehr rosig aus…

trap

Cate­go­riesIndo­ne­sien
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  2. Günther J. Schaefer says:

    Hallo, sind gerade in Jakarta und haben herz­lich gelacht. Hat­ten heute ähn­li­ches erlebt, Gott sei Dank noch keine Vergiftung…Habe mei­nen guten Rei­se­freund Ger­win zu einem Sprit­zer Des­in­fek­ti­ons­spray eingeladen…LG Günther
    PS: Euer Block ist toll zu lesen, Kompliment!

    1. Stefan says:

      Hallo Gün­ther,

      sehr groß­zü­gig von dir das Spray zu tei­len :) Auch wenn unser Start in Jakarta etwas holp­rig war, hat uns Indo­ne­sien nach­haltg beein­druckt! Ich wün­sche euch auf jeden Fall eine gute Reise!

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    1. Stefan says:

      Haha, ja danke fuer den Tipp! Die Reviews decken sich ja mit unse­rer Erfah­rung. „If you’re despe­rate“ traf auf uns zu in dem Fall :)

  4. Charles Rahm says:

    Also ich fand’s nicht so schlimm. Aber es ist schwer, eine gute Unter­kunft zu fin­den. Ich fand eine gute auf Hos­tel­world. War auch ruhig dort. Und ja. Ich hoffe, ihr habt die Lebens­mit­tel­ver­gif­tung gut ueber­stan­den. Das gehoert in Sued­ost­asien ab und an mit dazu! :-)

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