Schwe­re­los glei­ten wir über das fla­che Riff. Die Son­nen­strah­len tan­zen von der Was­ser­ober­flä­che herab, wie das Licht eines Dis­ko­la­sers. Auf einer Hart­ko­ralle sitzt ein gro­ßer Krake und lugt uns an. Lang­sam folgt seine rie­sige Pupille den Bewe­gun­gen unse­rer Flos­sen. Es ist sein Gar­ten durch den wir hier tau­chen. Ein außer­or­dent­lich schö­ner Gar­ten. Über ein wei­tes Feld erstre­cken sich kun­ter­bunte Koral­len­blö­cke, dazwi­schen Sand­tep­pi­che. An jeder Sta­tion gibt es etwas Neues zu ent­de­cken. Ein Blau­punktro­chen wühlt im Sand nach Nah­rung. Er scheint uns zunächst gar nicht zu bemer­ken. Ein Igel­fisch ver­steckt sich unter dem Schirm einer Fächer­ko­ralle. Er hat uns lange gese­hen bevor wir ihn wahr­ge­nom­men haben. Und als wir uns der per­fek­ten Ane­mone mit ihren orange-far­be­nen Ten­ta­keln nähern, wer­den die bei­den Clown­fi­sche, die sie bewoh­nen, ganz auf­ge­regt und ver­su­chen mit hek­ti­schen Schwimm­be­we­gun­gen die unge­be­te­nen Gäste von ihrem Zuhause fern­zu­hal­ten. Als dann noch ein Schwarm Gelb­schwanz­bar­ra­ku­das vor­bei­zieht, ist der Tauch­gang per­fekt. Wir tau­chen auf und freuen uns auf den frisch gepress­ten Limonensaft.

„Wel­come to Dahab Habibi,“ sagt Ahmed, als er die­sen ser­viert. Wenn Ägyp­ter einen mögen, wird man schnell zum Süßen. Was man daran erkennt ist die Herz­lich­keit der Lan­des­be­völ­ke­rung. Und diese Herz­lich­keit ist im gan­zen Land zu fin­den. Aber eines ist eben nicht im gan­zen Land zu fin­den, und das ist der Vibe von Dahab. Dahab ist eigen. Dahab ist anders. In Dahab sitzt man nicht im Hotel­kom­plex in der Wüste, in Dahab geht man vor die Tür und schlen­dert durch eine ori­en­ta­li­sche Stadt mit einem Basar, Cafés, Restau­rants, Strand­bars und sogar rich­ti­gen Bars. Es fühlt sich an als wäre man in einer Enklave gelan­det. In einem Land im Land. Einem Land im Land in der Wüste. Für einen Besu­cher, der das erste mal ägyp­ti­schen Boden betritt, mag das nichts außer­ge­wöhn­li­ches sein. Schließ­lich kennt er das von zu Hause, dass man abends raus in die Bar oder ins Restau­rant geht. Wer aber ein­mal Urlaub am Roten Meer in Marsa Alam oder Hurghada gemacht hat, der weiß, das Hotel­le­ben in der Wüste ist iso­liert und birgt wenig Frei­hei­ten. Nicht so in Dahab. Hier bewegt man sich frei und unge­niert. Es gibt sogar Fahr­rad und Motor­rad­ver­leihe, nicht sehr gewöhn­lich, denn nor­ma­ler­weise wüsste man in der Wüste gar nicht wo damit hin­fah­ren. Diese Frei­heit wis­sen Ägyp­ter wie Euro­päer zu schät­zen und kom­men gerne zum Urlaub machen hier her.

Das ehe­ma­lige Bedui­nen­dorf unweit der Lagune ist zu einem hüb­schen Tou­ris­ten­nest ange­wach­sen. Aber nicht künst­lich. Nicht aus Plas­tik. Shop­ping­malls, Was­ser­parks oder Mc Donald’s sucht man in Dahab ver­ge­bens. Man will kein zwei­tes Hol­ly­wood in der Wüste sein, wie man es in Sharm el Sheik und Hurghada fin­det. Die Tra­di­tion ist hier nie gewi­chen. Sie lebt in har­mo­ni­scher Koexis­tenz zu den gern gese­he­nen Besu­chern. Eine Moschee neben einem Hip­ster­cafe. Ein Zie­gen­hirte neben der Strand­pro­me­nade. Und eine Oase in der Wüste, neben einem Quad-Bike-Ver­leih. Nur mög­lich in Dahab. In Dahab ist das Leben so rela­xed, man mag es kaum glau­ben, dass die Dinge trotz­dem funk­tio­nie­ren. Tun sie aber. Die Taxi­fah­rer sind pünkt­lich. Es gibt keine Ver­kehrs­staus. Und der Tauch­be­trieb läuft rei­bungs­los und flüs­sig. Beson­ders bei der deutsch­spra­chi­gen Tauch­ba­sis Aqua­nau­tic Dahab. Denn Eigen­tü­mer Hans hat nicht nur jah­re­lange Erfah­rung in der Arbeit mit den Stadt­be­woh­nern, er legt auch gro­ßen Wert auf Qua­li­täts­stan­dards. Seine Basis gibt es schon seit 13 Jah­ren, seit neus­tem gehört sie aber zur erfolg­rei­chen Aqua­nau­tic Fran­chise. Pünkt­lich­keit, Sicher­heit und kun­den­ori­en­tier­ter Ser­vice wer­den bei Aqua­nau­tic auf der ita­lie­ni­schen Insel Elba schon immer groß­ge­schrie­ben. Ebenso wie bei Hans. Jetzt bei bei­den unter gemein­sa­mem Label. Und es gibt noch etwas auf das der Tauch­leh­rer­aus­bil­der beson­de­ren Wert legt. Umwelt­freund­lich­keit und ein gesun­des Umwelt­ver­ständ­nis. Des­halb grün­dete er unter sei­nem Dach auch die NGO EECAA, die sich für ein sau­be­res Dahab und ein umwelt­ver­träg­li­che­res Tau­chen ein­setzt. Und des­halb ist an die Tauch­schule auch eine mee­res­bio­lo­gi­sche For­schungs­sta­tion ange­schlos­sen, an der Uni­ver­si­täts­grup­pen und For­scher for­schen sowie sich aus­tau­schen kön­nen. Vor der Haus­tür liegt nichts gerin­ge­res als das rote Meer, das mit sei­nen Hart und Weich­ko­ral­len­gär­ten sei­nes­glei­chen sucht. „Die Riffe Dahabs sind an vie­len Stel­len gesund und intakt, aber gerade an stark fre­quen­tier­ten Plät­zen wie dem Blue Hole oder auch Bells müs­sen wir auf­pas­sen, dass sie nicht zu sehr unter den Tou­ris­ten lei­den“, sagt Tauch­leh­re­rin Simone. Sie enga­giert sich für die NGO und möchte ein Umwelt­la­bel ins Leben rufen, mit dem sich die nach­hal­ti­gen Tauch­schu­len, die sich an die Stan­dards hal­ten schmü­cken kön­nen. Auch wer­den immer wie­der Beach- sowie Reef-Clean-Ups ver­an­stal­tet, bei denen viele Tauch­gui­des aus ganz Dahab zusam­men­kom­men um gemein­sam die Riffe vom Müll befreien. Denn hier in Dahab hält man zusam­men. Es ist wie eine Com­mu­nity in der man sich kennt, an einem Strang zieht.

Am bekann­tes­ten ist der kleine Wüs­ten­ort aller­dings für das Blue Hole. Ker­zen­ge­rade fällt das rie­sige blaue Loch im Riff­dach bis auf eine Tiefe von 92 Meter ab. In 55 Meter Tiefe beginnt der soge­nannte Arch, ein Tor­bo­gen der hin­aus ins offene Meer führt. Das Loch zieht Apnoe- und Gerä­te­tau­cher glei­cher­ma­ßen an. Alle wol­len sie den Tor­bo­gen sehen, durch den das offene Meer mys­tisch blau hin­durch­schim­mert. Doch auch die rest­li­chen Tauch­plätze Dahabs sind span­nend. Hier erwar­tet einen ein far­ben­fro­hes Koral­len­pa­ra­dies. Und die ande­ren Plätze sind nicht so über­lau­fen. Oft hat man sie sogar ganz für sich allein. Ein abso­lu­tes High­light ist wohl der Tauch­platz Ras Abu Galum Es gibt keine Straße die in das geschützte Gebiet führt. Hier­hin geht es mit dem Kamel. Die Tauch­aus­rüs­tung tra­gen die gigan­ti­schen Wüs­ten­pferde ohne Mur­ren, wer möchte darf sogar selbst rei­ten. Aber Vor­sicht: „Gut fest­hal­ten, sonst rutschst du schnell aus dem Sat­tel,“ lacht Simone. Wenn das große Tier beim Auf­ste­hen seine ein­ge­knick­ten Beine aus­streckt, fühlt es ich an wie auf einem Rodeo-Ritt.

Unter Was­ser gesel­len sich mit etwas Glück auch Del­fine oder eine Schild­kröte zu den Tau­chern hinzu. Doch auch ohne diese, las­sen die Far­ben und For­men der Hart­ko­ral­len die Tauch­gänge zu einem ganz beson­de­rem Bil­der­bu­ch­erleb­nis wer­den. Und auch das Fisch­le­ben ist zwi­schen all den kun­ter­bun­ten Koral­len zahl­reich: Clown­fi­sche, Feu­er­fi­sche, Skor­pi­ons­fi­sche, Stein­fi­sche, Bar­ra­ku­das, Igel­fi­sche, Kugel­fi­sche, Brasse, Mur­ä­nen, Zacken­bar­sche, Riff­bar­sche – alles keine Sel­ten­heit an den Rif­fen Dahabs. Und auch das win­zige Makro­le­ben erfreut den ver­sier­ten Tau­cher. Es gibt Nackt­schne­cken, Krebse, Sand­aale, Röh­ren­wür­mer, See­pferd­chen und aller­lei wei­te­res Klein­ge­tier zu ent­de­cken. Man benö­tigt nur ein gutes Auge und Geduld bei der Suche.
Mit ins­ge­samt 35 ver­schie­de­nen Tauch­plät­zen ist auch für genü­gend Abwechs­lung gesorgt.

Zum Abschluss unse­rer Reise gön­nen wir uns ein Wüs­ten­din­ner. Mit den Bedui­nen geht es in ein abge­le­ge­nes Wüs­ten­tal in den Ber­gen. Wäh­rend das Lager­feuer knis­tert, gibt es tra­di­tio­nel­len Bedui­nen­tee und tra­di­tio­nell zube­rei­te­tes Huhn mit Reis, Kicher­erb­sen und Gemüse. Dazu das selbst geba­ckene Brot der Bedui­nen und die Mahl­zeit ist per­fekt. Unter dem fun­keln­den Ster­nen­him­mel träu­men wir uns in eine Zeit­reise in 1001 Nacht wäh­rend hin­ter den Fel­sen bereits die Augen des Wüs­ten­fuch­ses her­vor blit­zen, der auf die Reste des Fest­mahls wartet.

Cate­go­riesÄgyp­ten
Timo Dersch

Timo Dersch ist Journalist, Redakteur und Fotograf. In seinen Reportagen geht es um das Tauchen und verwandte Reiseziele. Er sagt: „In jedem Gewässer, egal ob süß oder salzig gibt es etwas spannendes zu finden.“ Seine Kamera verwendet er beim Tauchen in Gehäusen von Hugyfot (http://www.hugyfot.com/).

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