Z

Zur inneren Quelle des Ganges

Nach über 4 Mona­ten im Hima­laja steu­erte ich mein letz­tes Ziel an – die Quelle des Gan­ges bei Gan­go­tri. Dort durfte ich an einer ganz beson­de­ren Zere­mo­nie teil­neh­men – die Göt­tin Ganga wird reich geschmückt aus ihrem Tem­pel getra­gen und über­win­tert – wie die Men­schen – im Tal.

 

Da saß ich nun im öffent­li­chen Bus, um end­lich Rishi­kesh mit sei­nem gan­zen New-Age-Kitsch hin­ter mir zu las­sen und ein letz­tes Mal tief in die Berg­welt des Hima­laja ein­zu­tau­chen. Ich bin immer wie­der fas­zi­niert, wie schnell man in Indien den Tou­ris­ten­ko­kon hin­ter sich las­sen kann. Eben noch war ich von west­lich gepräg­ten Restau­rants, Inter­net­ca­fes, (pseudo)esoterischen Gesprächs­run­den und aller­lei Schnick­schnack in Rishi­kesh umge­ben, kurze Zeit dar­auf war es bereits schwie­rig, auf Eng­lisch zu kom­mu­ni­zie­ren und meine Ernäh­rung stellte sich auf Samo­sas (mit Gemü­sen gefüllte Teig­ta­schen), Früchte und Unmen­gen mei­nes heiß gelieb­ten Masala-Chais um – für einen Spottpreis.

Beim Stopp in Uttar­ka­shi erfuhr ich von einem sym­pa­thi­schen, gut Eng­lisch spre­chen­den Saft­ver­käu­fer, dass ich mir das Per­mit für die Wan­de­rung zur Eis­höhle bei Gomukh – der phy­si­ka­li­schen Quelle des Gan­ges – nicht mehr am Ein­gang des Natio­nal­parks in Gan­go­tri son­dern nur noch hier besor­gen konnte. Aller­dings sei der Weg nach Gomukh nach den ver­hee­ren­den Über­schwem­mun­gen Mitte Juni in so schlech­tem Zustand, dass man ihn momen­tan nur mit einem Füh­rer und Sei­len bewäl­ti­gen konnte. Lei­der hatte ich zu die­sem Zeit­punkt einen finan­zi­el­len Eng­pass, so dass ein Füh­rer außer­halb mei­ner Mög­lich­kei­ten lag. Ich hatte ohne­hin alleine gehen wol­len. Viel­leicht sollte es dies­mal ein­fach nicht sein.

Der freund­li­che Mann ver­riet mir aber etwas, das mich auf­hor­chen ließ. In weni­gen Tagen würde der Tem­pel in Gan­go­tri für den gesam­ten Win­ter geschlos­sen. Davon hatte ich noch nicht gehört. Ich würde also nicht zur phy­si­ka­li­schen Quelle des Gan­ges vor­sto­ßen kön­nen – dafür etwas über die innere Bedeu­tung des Ortes erfah­ren kön­nen. So setzte ich meine Reise ohne Per­mit fort.

Der Bus nach Gan­go­tri war selbst für indi­sche Ver­hält­nisse in einem ver­hee­ren­den Zustand. Schon nach weni­gen Kilo­me­tern machte der Anlas­ser Pro­bleme, um dann voll­stän­dig zu ver­sa­gen. Glück­li­cher­weise ver­stan­den sich der Bus­fah­rer und seine Beglei­ter dar­auf, den Anlas­ser mit Ham­mer, Mei­ßel und viel Impro­vi­sa­ti­ons­kunst wie­der zum Lau­fen zu brin­gen und kei­ner machte sich Sor­gen, ob die Reise wei­ter­ge­hen würde – die Frage war nur wann. Nach etwas über einer Stunde waren wir auch wie­der auf der Straße und hat­ten keine wei­te­ren Probleme.

Aller­dings waren nun die Fol­gen der vor­an­ge­gan­ge­nen Kata­stro­phe am Zustand der Straße deut­lich ables­bar. Ganze Hänge waren abge­rutscht, Bäume ent­wur­zelt. Ich konnte an man­chen Stel­len deut­lich erken­nen, wie hoch der Was­ser­stand ange­schwol­len sein musste und wel­che Gewalt der Fluss dabei ent­wi­ckelt hatte. Er hatte alles mit­ge­ris­sen. 20.000 Men­schen waren bei der Kata­stro­phe ums Leben gekommen.

Es war schon lange dun­kel, als wir Gan­go­tri erreich­ten. Gan­go­tri ist einer der vier hei­ligs­ten Pil­ger­stät­ten im indi­schen Hima­laya. Die ande­ren sind Yanu­mo­tri, Badri­nath und Keder­nath, das beson­ders schwer von der Flut ver­wüs­tet wurde.

In Gan­go­tri leben etwa 600 Men­schen. Der Haupt­tem­pel ist der Göt­tin Ganga gewid­met. Der Fluss heißt hier noch Bha­gi­ra­thi und wird erst bei Dev­pra­yag, wo er sich mit dem Ala­kn­anda ver­ei­nigt zum Gan­ges. Den­noch wird Gomukh („die Kuh­schnautze“) als DIE Quelle verehrt.

Am fol­gen­den Tag wan­derte ich in Rich­tung Gomukh.

IMG_9075

Von dort aus unter­nimmt der Fluss seine lange Reise bis nach Kal­kutta und den Golf von Ben­ga­len. Für kurze Zeit dachte ich schon, ich hätte einen Weg gefun­den, der mich am Check Post vor­bei und zumin­dest einen Teil der Stre­cke in Rich­tung Gomukh füh­ren würde – die kom­plette Wan­de­rung ist nur in zwei Tagen zu schaf­fen – doch nach 2 Kilo­me­tern stand ich vor dem Tor des Gan­go­tri Natio­nal Parks. End­sta­tion.

IMG_9069

Ich muss zuge­ben, dass ich wider bes­se­res Wis­sen ent­täuscht war.

In Gan­go­tri war es bit­ter­kalt. Der Okto­ber ging gerade in den Novem­ber über und der Win­ter stand bereits dro­hend vor der Tür. Die Sonne kam erst gegen 9:30 Uhr über das Fels­mas­siv direkt über Gan­go­tri hin­aus und ver­schwand bereits am frü­hen Nach­mit­tag hin­ter dem nächs­ten Fel­sen. Diese Bar­rie­ren ver­hin­dern auch den direk­ten Blick auf den Gan­go­tri-Glet­scher und den Shiv­ling. In der Berg­sonne war es heiß, aber schon am Nach­mit­tag wurde es rich­tig kalt. Nachts konnte ich den Hauch mei­nes Atems im Zim­mer sehen. In den Mor­gen­stun­den herrsch­ten Minusgrade.

Mir blieb, nach ande­ren Wan­de­run­gen in der Umge­bung Aus­schau zu hal­ten. Viele Optio­nen blie­ben mir nicht. Das gewal­tige Tal war auf bei­den Sei­ten von monu­men­ta­len Fel­sen umrahmt – an den meis­ten Stel­len zu steil, um nur an einen Auf­stieg zu den­ken. Schließ­lich fand ich eine Route, die mir zumin­dest einen Blick auf den Shiv­ling ermög­li­chen könnte. Ich wusste, dass dies meine letzte Wan­de­rung im Hima­laja wer­den würde. Ich ging ein wenig den Gan­ges fluss­ab­wärts und betrat einen Pfad in ein Sei­ten­tal, der zu einem klei­nen Glet­scher hin­führte. Herbst­stürme feg­ten durch den Wald. Die Laub­bäume hat­ten bereits einen Teil ihrer Blät­ter abge­wor­fen. Sie glit­zer­ten in der Sonne in Gelb- und Oran­ge­tö­nen – die ers­ten hat­ten sich bereits röt­lich ver­färbt. In der kla­ren Berg­sonne schien alles in einem fast über­na­tür­li­chen Glanz: das spär­li­che Gras leuch­tete gol­den, der Him­mel war kris­tall­klar, die Nadel­wäl­der tief grün.

Gangotri

Gangotri2

Der Schnee der nahen Gip­fel reflek­tierte die Sonne in einer Inten­si­tät, dass mir die Augen brann­ten. Im Tal rauschte der Zufluss des Gan­ges mit gewal­ti­gem Tosen. Rie­sige Fels­bro­cken durch­bra­chen die Wäl­der. Die Kie­fern ver­ström­ten den inten­siv har­zig-wür­zi­gen Geruch, den ich so liebe. Ich war nicht zuletzt in den Wäl­dern auf­ge­wach­sen und allein der Geruch und die mäch­ti­gen Kro­nen ver­mit­tel­ten mir ein Hei­mat­ge­fühl. Über mir prang­ten gewal­tige, karge Fels­for­ma­tio­nen und nur dort, wo sich Was­ser­adern fan­den, gedie­hen Bäume und Büsche an den wid­rigs­ten Stel­len. Immer wie­der fas­zi­nie­rend, wie sich das Leben Bahn bricht.

Ich wollte wei­ter nach oben gelan­gen und fand schließ­lich einen Weg, der mich höher führte, bevor er in ein Steil­stück über­ging, dass außer eini­gen Zie­gen wohl Nie­mand beging. Im Schat­ten war es bit­ter­kalt. Leuch­tende Sil­ber­bir­ken domi­nier­ten mei­nen Weg. Ihre Rinde schälte sich wie tau­send Jahre alte Papy­rus­rol­len. Umge­knickte Bäume zeig­ten die schwe­ren Sturm­schä­den an. Es wurde immer stei­ler, es gab schon lange kei­nen rich­ti­gen Pfad mehr und ich quälte mich an einer gewal­ti­gen Stein­mur­äne ent­lang den Hang hin­auf. Schließ­lich ging meine Unter­neh­mung in Klet­tern über nack­ten Fel­sen über.

Schon auf dem Weg hin­auf machte ich mir Sor­gen, ob ich die­sen Weg wohl auch wie­der hin­un­ter käme. Aber ein­mal unter­wegs, gibt es für mich kein Zurück mehr und ich zog mich bis­wei­len auf allen Vie­ren die Fel­sen hin­auf. Mit gro­ßer Mühe fand ich mei­nen Weg hin­auf zu einem klei­nen Gipfel.

Von dort aus konnte ich einen Blick auf den Shiv­ling erha­schen; aller­dings ragte nur die Spitze über den eigent­li­chen Gip­fel hin­aus, den ich zu erklim­men gehofft hatte. Doch der Weg dort­hin war unmög­lich gang­bar – höchs­tens mit ernst­haf­ter Berg­stei­ger­aus­rüs­tung. Zudem würde die Sonne gleich hin­ter einem Fel­sen ver­schwin­den. Ich genoss den letz­ten inten­si­ven Blick auf die Berg­welt aus erha­be­ner Perspektive.

IMG_9131

IMG_9144

Hin­un­ter zu gelan­gen, stellte sich – wie erwar­tet – als aus­ge­spro­chen schwie­rig her­aus. Das erste Steil­stück konnte ich noch gut hin­ter mich brin­gen, danach wurde es zuneh­mend hei­kel. So sehr ich ver­suchte, den sel­ben Weg anhand mar­kan­ter Weg­punkte wie­der hin­un­ter zu gehen – es gelang nicht immer. Bis­wei­len erreichte ich ein totes Ende, von dem aus nur ein Absturz nach unten füh­ren würde. Manch­mal konnte ich über­haupt kei­nen gang­ba­ren Weg mehr aus­ma­chen. Und das waren die Momente, in denen Panik auf­kam. Schließ­lich habe ich Höhen­angst. Bis­wei­len kam mir mein Unter­neh­men aus­weg­los vor und ich stand zit­ternd am Fels, bemühte mich nicht nach unten zu sehen. Manch­mal blieb mir nur, wie­der hin­auf zu klet­tern, um einen ande­ren Weg zu fin­den. Nach­dem ich nach einer gefühl­ten Ewig­keit das Fels­stuck hin­ter mich gebracht hatte, wurde es nur unwe­sent­lich bes­ser. Um nicht zu sagen schlim­mer. Schließ­lich hatte der Fels einen Vor­teil – man fand immer irgendwo Halt. Das fol­gende Steil­stück bot davon fast nichts. So blieb mir nur län­gere Pas­sa­gen auf dem Hin­tern nach unten rut­schen und dabei auf den nächs­ten Baum zu zusteu­ern. Erin­ne­run­gen an einen fata­len Abstieg in der Nähe von Manali wur­den wach. Doch irgend­wann hatte ich den Abstieg gemeis­tert und ging zurück in mein eis­kal­tes Zim­mer, um mich unter zwei Decken zu verschanzen.

IMG_9096

Der Haupt­tem­pel von Gan­go­tri wurde erst im 18. Jar­hun­dert von dem Gurkha-Gene­ral Amar Singh Thapa erbaut. Er erin­nert an die Legende, der zufolge König Bha­gi­rath an die­ser Stelle medi­tierte und damit die Göt­tin Ganga zurück auf die Erde lockte, damit sie sein Volk wie­der zum Leben erweckte. Dabei kam die Göt­tin mit einer Kraft auf die Erde, die bei­nahe alles Leben zerstörte.

IMG_9100

Vom Tem­pel füh­ren Stu­fen zum wich­tigs­ten Ghat, von dem aus die Gläu­bi­gen in den Fluss stei­gen, um sich ritu­ell im eisi­gen Fluss der Ganga zu waschen und Was­ser in Kanis­ter abzu­fül­len, um sie mit nach Hause zu neh­men. Fast alle Läden ver­kau­fen sol­che Kanis­ter und Devo­tio­na­len aller Art. In eini­gen Höh­len, Aschrams und ein­fa­chen Behau­sun­gen leben Sad­hus – hei­lige Män­ner, die sich der Askese ver­schrie­ben haben und meist von mil­den Gaben leben.

IMG_9091

IMG_9079 IMG_9165 IMG_9167 IMG_9204

Am dar­auf fol­gen­den Tag war Divali – das Lich­ter­fest – zugleich das bedeu­tendste Fest im indi­schen Kalen­der. Ker­zen und Öllam­pen wer­den über­all auf­ge­stellt, Lich­ter­ket­ten instal­liert, sowie Böl­ler und Rake­ten ver­schos­sen. Meine ers­ten bei­den Divali-Feste in Indien hatte ich erlebt, wäh­rend ich auf einer nächt­li­chen Reise unter­wegs war. Das hatte zwar auch sei­nen Reiz, da man an lau­ter fest­lich geschmück­ten Häu­sern ent­lang­fährt. Aber es war doch schö­ner das Fest in aller Ruhe zu erleben.

IMG_9178

Vor dem herr­lich illu­mi­nier­ten Tem­pel spen­dete der Tem­pel­die­ner einer klei­nen Gruppe den Segen. Danach spielte sich eine typisch indi­sche Mélange ab: Junge Män­ner zün­de­ten gewal­tige Böl­ler und Rake­ten, die unkon­trol­liert in der klei­nen Menge explo­dier­ten, Pil­ger mach­ten der Göt­tin ihre Auf­war­tung, eine Gruppe Tän­ze­rin­nen umrun­dete im Rhyth­mus einer Trom­mel den Tem­pel und wur­den von einem rus­si­schen Tou­ris­ten mit der Kamera ver­folgt. Er war außer mir der ein­zige Aus­län­der und hielt mit der Video­ka­mera auf alles, was nicht bei drei auf den Bäu­men war. Es herrschte eine wun­der­bare Atmo­sphäre mit den Man­tras aus den Laut­spre­chern und dem Klin­gen der Tempelglocken.

IMG_9188

Auch die ande­ren Tem­pel, die Shiva, Nandi, Hanu­man und Gane­sha gewid­met sind, strah­len in einem gera­dezu magi­schen Schein bun­ten Lichts und Kerzen.

IMG_9170

Am letz­ten Tag musste ich mein Zim­mer am Mor­gen räu­men, weil die Matratze der letzte Gegen­stand die mit dem Ver­mie­ter mei­nes Zim­mers nach Uttar­ka­shi ver­schwand. Schon die gan­zen Tage über schloss ein klei­ner Laden nach dem ande­ren und Jeeps, Pferde und Esel trans­por­tier­ten alles ab, was nicht niet- und nagel­fest war. Strom und Was­ser waren bereits abge­stellt. Den Win­ter über bleibt nur eine Hand­voll Sad­hus in Gan­go­tri. Alle ande­ren zieht es in tie­fere Gefilde – vor allem nach Uttar­ka­shi. Das war nicht wei­ter ver­wun­der­lich. Im Win­ter musste es hier unglaub­lich kalt sein. Der Ver­mie­ter mei­nes Zim­mers zeigte mir, dass der kom­plette erste Stock sei­nes Gast­hau­ses unter Schnee­mas­sen ver­sin­ken würde.

 

Nun stand das High­light auf dem Pro­gramm – die Schlie­ßung des Tem­pels. Noch ein­mal kamen eine ganze Reihe von Besu­chern und Pil­gern aus Uttar­ka­shi, die der Zere­mo­nie bei­woh­nen wür­den. Den­noch war nur eine über­schau­bare Anzahl von Men­schen ver­sam­melt – sicher nicht mehr als 250. Die Gott­heit wurde auf einer Bahre dra­piert und reich geschmückt – mit unzäh­li­gen leuch­ten­den Stof­fen, Blu­men, Ker­zen und Essen­zen. Alle behan­del­ten die Göt­tin mit größ­ter Ehr­furcht. Sobald sie den Tem­pel ver­las­sen hat, wird sie als leben­dige Göt­tin verehrt.

IMG_9194 IMG_9207

Die Armee hatte eine Armee­ka­pelle abgestellt.

IMG_9201

Von der benach­bar­ten Kom­pa­nie wur­den auch kos­ten­freies Essen, Tee, Gan­ges­was­ser und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung gestellt. Dudel­sä­cke wer­den für mich in Indien immer ein äußerst skur­ri­les Bild abge­ben – tat­säch­lich hat aller­dings Paki­stan Schott­land in der Pro­duk­tion von Dudel­sä­cken über­flü­gelt. Die­ses Bild ziert die indi­sche Whis­key-Marke Bag­pi­per:

IMG_0236

Auch Lokal­re­por­ter, das Fern­se­hen und der Distrikt­ma­gis­trat gaben sich die Ehre.

Die Puja zog die Menge vor den Tem­pel auf einen gro­ßen Tep­pich. Muschel­hör­ner wur­den gebla­sen. Der Tem­pel­pries­ter schwenkte geseg­ne­tes Was­ser über uns – in die­sem Moment ver­rin­gerte sich meine Distanz zum Gesche­hen um mich herum schlag­ar­tig und ich wurde für kurze Zeit vom Beob­ach­ter zum Teil­neh­mer. Ich fühlte mich ergrif­fen, als ich in den Augen einer Nonne deren Hin­gabe und Güte spürte, die sich ihrer beim Anblick der Göt­tin bemäch­tigt hatte. Eine Träne rollte über ihre Wange. Ich spürte eine unglaub­li­che Tiefe in dem Moment und eine Gän­se­haut hatte von mir Besitz ergrif­fen. Als die Göt­tin auf ihrer Bahre hoch­ge­ho­ben wurde und lang­sam über den Tem­pel­platz getra­gen wurde, war das wie eine Welle – der Moment, auf den alle gewar­tet hat­ten. Blu­men­gir­lan­den flo­gen durch die Luft, eine Gruppe von Frauen sprang in Ekstase vor der Göt­tin auf und nie­der. Eine unge­wöhn­lich starke Ener­gie ent­lud sich über den Platz. In die­sem Moment beschloss ich, der Pro­zes­sion nicht wie geplant noch einige Kilo­me­ter auf ihrer Reise zu beglei­ten. Dies war mein Moment des Abschieds. Ich blickte auf den Fluss – die Quelle des Lebens – und warf einen letz­ten, sehn­süch­ti­gen Blick auf die Berge, die in den letz­ten Mona­ten mein stän­di­ger Beglei­ter waren. Es war der rich­tige Zeit­punkt, um zu gehen.

IMG_9224

Der Tem­pel würde nun für 6 Monate geschlos­sen blei­ben und erst im April würde die Göt­tin wie­der in den Tem­pel ein­zie­hen. Dann erwacht auch Gan­go­tri zu neuem Leben.

Auf der Fahrt nach Uttar­ka­shi mach­ten wir kurz Halt bei einem Tem­pel, den auch die Göt­tin in Kürze mit der Pro­zes­sion von etwa 35 Men­schen, errei­chen würde. Dort über­nach­te­ten sie, um am nächs­ten Tag Mukhba zu errei­chen, dem Ort an dem die Göt­tin über­win­tern würde, bevor sie erneut nach Gan­go­tri getra­gen würde.

Der phy­si­ka­li­schen Quelle des Gan­ges war ich nicht so nahe gekom­men, wie ich ursprüng­lich gehofft hatte. Aber der inne­ren Bedeu­tung des Ortes sehr wohl. Die Wan­de­rung nach Gomukh ist nur aufgeschoben…

Cate­go­riesIndien
Oleander Auffarth

Grenzenlose Neugier auf fremde Kulturen und die Suche nach einer neuen Essenz für mich und die Welt zog mich 2009 nach Indien. Seitdem bin ich dem Reisen und der Magie der Suche verfallen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert