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Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Über den Atlantik (2)

Gibral­tar ist ein ganz beson­de­rer Ort. Süd­spitze von Spa­nien, gehört aber eigent­lich zu Eng­land. Es wurde mit bri­ti­schen Pfund bezahlt, es gab eng­li­sches Break­fast, unzäh­lige Pubs, die Steck­do­sen waren anders und das Nacht­le­ben wurde von besof­fen, auf­dring­li­chen Mari­nes bestimmt. Eine Enklave. Und das alles geschieht um die­sen enor­men Fel­sen herum, der wie ein Schwei­zer Käse durch­lö­chert sein soll und Hei­mat unzäh­li­ger klei­ner Äff­chen ist. Die Spa­nier behaup­ten gehäs­sig, dass die Affen mit den Bri­ten gekom­men seien und erst wie­der mit den­sel­ben ver­schwin­den würden.

Und hier war ich nun und schaute nach Boo­ten, die den Atlan­tik über­que­ren. Dass ich noch nie gese­gelt bin, stellte für mich kein son­der­li­ches Hin­der­nis dar. Außer­dem hatte ich die Idee nach Uru­guay zu tram­pen und dazu musste ich über den Atlan­tik segeln. Punkt. Es dau­erte ca. 10 Tage bis ich einen Kapi­tän gefun­den habe, der mich und eine andere Tram­pe­rin mit nach Tene­riffa nahm. Dort hat es noch­mal 7–10 Tage gebraucht, bis ich mei­nen Trans­at­lan­ti­k­lift hatte. Am 21. Novem­ber 2014 bin ich in die Kari­bik ausgelaufen.

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Segeln…naja…ich will ehr­lich sein, nicht so mein Ding. Manch­mal etwas unan­ge­nehm. Das liegt aber vor allem an der Che­mie an Bord. Mein Trans­at­lan­ti­k­lift war jeden­falls von eini­gen inter­per­so­nel­len Span­nun­gen beglei­tet. Ich habe dazu ein Segel­ta­ge­buch  geschrie­ben und wer mag kann es sich mal anschauen. Ansons­ten bedeu­tet meh­rere Wochen auf dem Meer sein vor allem: Was­ser, Sonne, Nacht­wa­chen, Schau­keln und alles noch­mal von vorne. Es gibt da drau­ßen nicht viel span­nen­des zu sehen. Jeden Tag der­selbe Ablauf. 19 Tage haben wir über den gro­ßen Teich gebraucht. Nach 15 Tagen haben wir das erste mal ein ande­res Boot um uns herum entdeckt.

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Ich war auf jeden­fall froh, als ich irgend­wann in der Kari­bik ange­kom­men bin. Auf einer klei­nen Insel Namens St. Maar­ten. Diese Insel ist genauso ein komi­scher Ort, wie Gibral­tar. Zwei­ge­teilte Insel. Ein Teil ist zuge­hö­rig zu Frank­reich und somit Teil der EU (spre­chen Fran­zö­sisch, Euro als Zah­lungs­mit­tel und gewohnte Steck­do­sen), der andere Teil ehe­mals Nie­der­län­disch aber mitt­ler­weile unab­hän­gig (spre­chen Eng­lisch, Dol­lar und ame­ri­ka­ni­sche Steck­do­sen). Das ein­zig zwei­ge­teilte Eiland der Welt. Es war Weih­nach­ten 2014 und hier sollte ich erst­mal ste­cken blei­ben. Mit­ten im Paradies.

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Weih­nach­ten in der Kari­bik ist eine ziem­lich son­der­bare Ange­le­gen­heit. Nicht nur, dass man an Hei­lig­abend irgendwo am Strand lie­gen kann und sich mit 1$ Happy-Hour Bier die Zeit ver­treibt. Auch die Abwe­sen­heit von Fami­lie und Freun­den sorgt nicht gerade für Fest­tags­stim­mung. Ich hatte jedoch eine sehr nette Ersatz­fa­mi­lie gefun­den. Einer Gruppe Schwe­den, die gerade ihr Boot repa­rier­ten, wel­ches beim letz­ten Hur­ri­kan halb zer­stört wurde. Ich konnte bei den Repa­ra­tu­ren hel­fen und bekam dafür eine Koje. Ein gutes deut­sches Stahl­boot. Mit beschä­dig­tem Rumpf, der kon­stant Was­ser rein­ließ, sodass wir ein­mal am Tag die Pum­pen anma­chen muss­ten, damit das der ganze Kahn nicht untergeht.

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Das Boot lag mit­ten in der Lagune und der kür­zeste Weg an Land führte gera­de­wegs zu einer Bar Namens Soggy Dol­lar. Dort war jeden Tag Happy Hour. Ab halb fünf. Zufäl­li­ger­weise zur sel­ben Zeit hör­ten wir auf zu arbei­ten. Ich Glaube, nach einem Monat Kari­bik wird man auto­ma­tisch zum Alko­ho­li­ker. Umso wich­ti­ger, dass ich noch vor Neu­jahr mei­nen nächs­ten Lift gefun­den hatte. In einem Inter­net­fo­rum. Dies­mal war ich schon als pro­fes­sio­nelle Crew enga­giert und durfte einen Boot­trans­fer machen. Natür­lich unbe­zahlt. Aber ich hab einen schö­nen Brief bekom­men, der sagte: „This is to cer­tify that Mr Ste­phan K. is enga­ged by *** to assist in the deli­very of the above ves­sel. He ope­ra­tes as a com­mer­cial yacht crew in the deli­very of motor and power ves­sels by sea world­wide.“ Klingt nicht schlecht, wa?

Wir leg­ten am 30.12.2014 ab. An die Sil­ves­ter­nacht kann ich mich noch gut erin­nern. Ich und die Skip­pe­rin wech­sel­ten uns in drei Stun­den Schich­ten ab mit der Wache. Ich hatte gerade meine Pause, als irgend­je­mand durch den all­ge­mei­nen Funk­ka­nal „HAPPY NEW YEAR“, schrie und mich auf­weckte. Danke auch. Wenigs­tens wur­den wir nach Ankunft in ein Restau­rant eskor­tiert und durf­ten dort nach belie­ben Essen und Trin­ken bestel­len. Rum­punch und Fisch­curry auf Kos­ten der Firma. Ich blieb aller­dings nicht lange auf dort, son­dern setzte als­bald 7 km nach Bequia über. Dort anker­ten mehr Seg­ler und ich hatte schon wie­der nichts als den nächs­ten Lift im Kopf. Wollte so schnell wie mög­lich Fest­land unter den Füßen haben, damit ich end­lich wie­der tram­pen kann. Aber ich muss sagen, Bequia war die schönste Kari­bik­in­sel, die ich auf mei­ner Reise betre­ten habe. Ein wirk­li­ches Paradies.

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Mein Schick­sal war auch recht schnell besie­gelt. Und es geschah wie­der eine die­ser unglaub­li­chen Zufälle. Ich war schon etwas ange­trun­ken und auf­grund eini­ger emo­tio­na­ler Neben­kriegs­schau­plätze in einer „Alles egal.“-Stimmung. Es war bereits dun­kel, als ich in Bequia ankam. Kein Schlaf­platz, keine Ahnung wo ich bin, keine Per­spek­tive. Ich hielt es für den bes­ten Plan direkt zu den Strand­bars zu lau­fen und mit irgend­wem zu trin­ken. So stand ich etwas ver­lo­ren am Was­ser, mus­terte die Loka­li­tä­ten und drei junge, sym­pa­thisch aus­se­hende Men­schen lie­fen an mir vor­bei in Rich­tung Bar. Ich fragte, ob ich mich dazu gesel­len könnte. Etwas auf­dring­lich und ver­zwei­felt. „Klaro!“, mein­ten sie. Wir bestell­ten Bier. Es waren schon wie­der Schwe­den, wie auch schon in St. Maar­ten. Plötz­lich fiel es mir wie Schup­pen von den Augen: „Du bist Oskar! Und ihr seid von dem Boot Fair­Winds!“ Ich kannte diese Leute!

Als ich in Spa­nien war hab ich nach Boo­ten Aus­schau gehal­ten, die den Trans­at­lan­tik fah­ren. Im Inter­net hatte ich bereits Kon­takt mit dem Fair­Winds Kapi­tän Fre­de­rike. Lei­der haben sich unsere Wege nie gekreuzt. Aber ich bin ihrer Face­book Seite gefolgt und nun erkannte ich Oskar wie­der, weil ich die­ses Foto von ihm in Erin­ne­rung hatte. Und da saßen sie nun vor mir. Quick­le­ben­dig. Und sie segel­ten natür­lich run­ter nach Tri­ni­dad. Genau da, wo ich auch hin­wollte. Ich hatte mei­nen nächs­ten Lift! Bäm! Und Vene­zuela war zum grei­fen nahe!

Das Segeln mit den Schwe­den war dann auch die beste Segel­erfah­rung, die ich auf mei­nem gan­zen Trip gemacht habe. Es hängt wirk­lich viel von der Crew ab. Wenn die Leute nicht stim­men, dann kann es in Psy­cho­ter­ror aus­ar­ten auf die­sen klei­nen Boo­ten mit 2 bis 8 „Mann“ Besat­zung. Ich habe diese spe­zi­elle Erfah­rung in einem ande­ren Arti­kel bereits ver­ar­bei­tet. Auf der ande­ren Seite ist es purer Spaß, wenn die Leute gut drauf sind und man sich ver­steht. Würde ich noch­mal in See ste­chen, dann wahr­schein­lich nur mit einer jun­gen Crew.

Leipzig-Alaska-Karte

Cate­go­riesKana­ri­sche Inseln
  1. Jakob says:

    Span­nende Geschichte! Werde deine wei­tere Reise mitverfolgen!
    Bezüg­lich der geteil­ten Inseln würde ich noch­mal recher­chie­ren ;-) da gibts doch ein paar.

    Liebe Grüße, und gute Reise!
    Jakob

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  3. Madlen says:

    Hallo Ste­fan, sehr schön. Habe Deine aben­teu­er­li­che Reise auf den Stra­ßen (oder Lücken -> Darién Gap)Südamerikas auf Warm­roads schon mit­ver­folgt. So freut mich auch Dein Rück­blick hier an die­ser Stelle sehr! LG, Mad

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