Rüdi­ger freut sich. Drei Kohl­rou­la­den! Alles, was für uns zu viel ist, lan­det auf sei­nem Tel­ler. So sind wir alle glück­lich. „Aber nicht, dass das dann auf dei­nem Blog steht!“, lacht er. „Haha, nee, also sowas…“, höre ich mich murmeln.

„Gute Idee!“, denke ich.

„Noch etwas Wein?“, fragt Rüdi­ger. Er spen­diert heute zum Abend­essen eine Fla­sche vom leich­ten Roten für unse­ren Tisch im Spei­se­wa­gen. Guter Mann.

Etwa 24 Stun­den sind wir jetzt unter­wegs, seit der Son­der­zug namens Zaren­gold ges­tern unter den lus­ti­gen Klän­gen einer Brass-Band in Mos­kau los­fuhr. Für 170 Gäste war das der Beginn einer Reise über tau­sende Kilo­me­ter, bis ans andere Ende Asi­ens. Auf der berühm­tes­ten Bahn­li­nie der Welt: der trans­si­bi­ri­schen Eisenbahn.

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Der Zaren­gold ist kein nor­ma­ler Zug. Der Rei­sende tauscht die aben­teu­er­li­chen Beschwer­lich­kei­ten des öffent­li­chen rus­si­schen Bahn­ver­kehrs mit dem Luxus einer son­ni­gen Rund­um­ver­sor­gung. Ein fes­tes Abteil über die ganze Stre­cke. Alle Mahl­zei­ten, kom­pe­tente Rei­se­lei­te­rin­nen (unsere heißt Olga und ist phä­no­me­nal gut), fast jeden Tag Aus­flüge in die inter­es­san­tes­ten Städte und Land­stri­che der Stre­cke. Kohlrolladen.

Ich liebe Zug­fah­ren. Vor allem nachts schickt mich das ver­läss­li­che Gewa­ckel der Wag­gons in ein auf­re­gen­des Traum­land. Am Mor­gen betrachte ich ent­spannt die Bir­ken­wäl­der und blu­mi­gen Wie­sen, die in der Sonne lie­gen; am Fens­ter flie­gen sie vor­bei, wie ein end­lo­ses Gemälde eines lako­ni­schen Land­schafts­ma­lers. Ein paar getünchte Häu­ser, meis­tens aus Holz. Sel­ten ein Mensch.

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Der erste Halt auf der Reise ist die Mil­lio­nen­stadt Kazan.

Kazan hatte keine Chance.

Nach Mos­kau, die­sem fan­tas­ti­schen Ort, über­quel­lend mit monu­men­ta­len Gebäu­den und mär­chen­haf­ten Details, hin­ter­ließ die Haupt­stadt der Tar­ta­ren wenig Ein­druck. Noch weni­ger, als die fol­gen­den Fotos ver­mu­ten lassen.

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Das High­light von Kazan war der Affe auf der Fuß­gän­ger­zone. Ich will auch einen Affen, wenn ich groß bin. Der geht mit mir durch dick und dünn, und sitzt auf mei­ner Schulter.

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Am spä­ten Nach­mit­tag setzte sich der Zug mit den zwei­und­zwan­zig Wag­gons wie­der in Bewe­gung. Es geht wei­ter nach Osten. Nächste Sta­tion: Eka­te­rin­burg, mor­gen um neun.

Womit wir uns dort wie­der­fin­den, wo diese kleine Epi­sode begann: Im Spei­se­wa­gen B, mit Rüdi­ger beim Abendessen.

Auch drei Kohl­rou­la­den sind für Rüdi­ger keine grö­ßere Her­aus­for­de­rung. Meine Ana­nas zum Nach­tisch mag er auch. „Ana­nas mach glück­lich“, sagt er. „Da sind so Enzyme drin.“

Wir sind ein gutes Team. In Sibi­rien braucht man sowas.

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Mit herz­li­chem Dank an Lern­idee für die Einladung!

Cate­go­riesRuss­land
Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Rüdiger van Schoten says:

    Danke Johan­nes, ich bekam vor rüh­rung feuchte Augen als ich am frü­hen Mor­gen (6Uhr) Dein Blog gele­sen habe. Ich hab mich wie­der gefun­den und Du machst gute Bil­der und Kom­men­tare. Ein Lebens­traum, die Tran­sib, ging in Erfüllung .

    1. Elke Greim says:

      Hallo Johan­nes,

      herz­li­chen Dank für die Beant­wor­tung mei­ner Frage. Ja ich denke auch, gene­rell ist das Rei­sen mit Kin­dern auf der Trans­si­bi­ri­schen Eisen­bahn unpro­ble­ma­tisch. Sind die Kin­der ein­mal im Zug, ist alles gut. Die ein­zige Schwie­rig­keit ist das lange Sit­zen, obwohl das Expe­ri­ment mit dem Zug von Ber­lin nach Peking oder in die Mon­go­lei zu fah­ren, schon eine Erfah­rung ist, die man wohl ein Leben lang nicht mehr vergisst.

      Viele Grüße

      Elke Greim

  2. Elke Greim says:

    Vie­len Dank für die ein­drucks­vol­len Bil­der und Beschrei­bung der Reise. Mich würde inter­es­sie­ren, ob die Reise auch mit klei­nen Kin­dern zu schaf­fen ist oder ob die Trans­si­bi­ri­sche Eisen­bahn „nur“ etwas für erwach­sene Rei­sende ist. Das werde ich selbst oft gefragt und habe dar­auf keine rich­tige Antwort.

    Viele liebe Grüße

    Elke Greim

    1. Johannes Klaus says:

      Hallo Elke, das ist aber auch eine schwere Frage! Ich denke, es kommt sehr stark auf die Kin­der an… Es ist in aller ers­ter Linie eine seee­ehr lange Fahrt im Zug. Die Kin­der müs­sen also schon sehr gut mit wenig Ablen­kun­gen aus­kom­men können…

  3. Angelika Schwaff via Facebook says:

    Super-Klys! Du schaffst es, dass ich (erschöpft und müde nach einer lan­gen Reise) noch am Flug­ha­fen ste­hend, gleich wie­der los will! ❤️

    1. Johannes Klaus says:

      Es gab auf der Fuß­gän­ger­zone ach noch einen Pfau, einen Uhu und eine Würgeschlange… :)

  4. Elisaveta Schadrin-Esse via Facebook says:

    Tolle Geschichte. Mir fehlt noch ein Bild von den besag­ten Golubzi. Und gibt zu: Den Mit­fah­rer hast Du selbst in Rüdi­ger umge­tauft, quasi als Gegen­ge­wicht zum gan­zen Zarengold. ;)

    1. Johannes Klaus says:

      Nee! Rüdi­ger, sag doch auch mal was dazu, da wird deine Exis­tenz bezweifelt! :)

  5. Jens says:

    Groß­ar­tige Reise, tolle Bil­der, ganz viel Spaß – Und auch wenn es sich um Roll­rind han­delt, es heißt Rou­la­den :-) Guten Hunger!!!

    1. Johannes Klaus says:

      Danke :) In Jeka­te­rin­burg fand ich nur das Kriegs­denk­mal span­nend, ansons­ten… puh…

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