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Der Islam ist eine grüne Wiese

  1. Ein blass­blauer, stau­bi­ger Him­mel liegt über Khar­tum. Sand­far­ben sind die Stra­ßen und Häu­ser. Motor­rä­der, Amjads und alte Autos knat­tern unter einer hei­ßen Sonne über den Asphalt, kreuz und quer durch die fla­che, schach­brett­haft ange­legte Wüs­ten­stadt. Hitze flim­mert auf dem Asphalt. Der Blaue und der Weiße Nil flie­ßen hier inein­an­der und zugleich die ara­bi­sche Welt und das, was wir Schwarz­afrika nennen.

Beide Regio­nen wecken gleich dumme Zerr­bil­der im Bewusst­sein, die von einer haupt­säch­lich medial ver­mit­tel­ten Wirk­lich­keit die­ser Welt­ge­gen­den gespeist wer­den. Das Nach­rich­ten-Khar­tum klingt irgend­wie nach Kame­len und Camou­flage. Nach Kara­wa­nen und Pick-Up-Trucks mit auf­ge­schraub­ten Maschi­nen­ge­weh­ren. Nach bär­ti­gen Fana­ti­kern und schwar­zen Söld­nern. Nach einem Ort, an den man viel­leicht bes­ser nicht rei­sen sollte. Gro­ßer Unsinn.

Ich sitze bei Ozone, in einem kom­plett auf ame­ri­ka­nisch gemach­ten Café, wo Teen­ager Eis­creme essen und auf ihren Han­dys her­um­spie­len, und ich gehe meine Hirn­ge­spinste durch, ohne das trü­ge­risch libe­rale Flair des Lokals über­be­wer­ten zu wol­len. Ich habe beim Sudan erst ein­mal an den Islam in sei­ner Hard­core-Vari­ante gedacht. Der ruhe­lose Lynch­mob, dachte ich, lau­ert immer schon hin­ter der nächs­ten Straßenecke!

Beim Ver­las­sen des Flug­ha­fens gleich die erste Ent­täu­schung: qua­drat­me­ter­große, west­lich-deka­dente Wer­bung für das neue Sam­sung Galaxy. Smart­phone statt Scha­ria, das wäre jetzt die bil­lige Zuspit­zung, wobei sich das eine und das andere ja gar nicht aus­schlie­ßen. Aber das Den­ken ist schon matt und ganz gereizt vom Schwarz und Weiß.

DSC00174DSC00205DSC00167Blick über Khar­tum, Zusam­men­fluss des Wei­ßen und Blauen Nils, Markt von Omdurman.

„Der Islam ist eine grüne Wiese, auf der man sich aus­ru­hen kann.“ So über­schrieb Chris­tian Kracht in Der gelbe Blei­stift das Kapi­tel über Pescha­war. Die­ses Bild ist mir im Kopf geblie­ben, bevor ich je ein isla­mi­sches Land bereiste, auch wenn es in dem Text im Kern um eine Waf­fen­fa­brik geht, wo der Autor mit Rake­ten­wer­fern auf Zie­gen schie­ßen kann. Aber ich habe den Satz komi­scher­weise nie iro­nisch gelesen.

Eine echte grüne Wiese haben sie hier nicht in Khar­tum. Die Män­ner sit­zen in ihren erstaun­lich staub­freien Gewän­dern auf Plas­tik­stüh­len am Stra­ßen­rand, unter Schir­men, unter Brü­cken. Sie sind dabei so fried­lich wie pen­sio­nierte Sozi­al­de­mo­kra­ten aus Wanne-Eickel, die sich am Sonn­tag­nach­mit­tag zum Boule im Park treffen.

Kri­mi­na­li­tät gibt es in Khar­tum aus­ge­spro­chen wenig. Ich fahre auf den Markt in Omdur­man, spa­ziere auf der Nil­in­sel Tuti noch durch die abge­le­genste Gasse und esse in einem spar­ta­ni­schen Lokal einen Tel­ler Ful (ein Ein­fa­che-Leute-Gericht aus Boh­nen). In der Al-Mash­tal-Straße im Vier­tel Al-Riyadh suche ich das ehe­ma­lige Haus von Osama bin Laden, der dort bis 1996 wohnte, bevor er Ame­rika end­gül­tig den Krieg erklärte. Doch kein Ter­ro­rist ist hier, nicht mal ein mili­tan­ter Isla­mist, der mich als ungläu­bi­gen Impe­ra­lis­ten beschimp­fen könnte. Wo ist er nur, der böse Moslem?

Dabei hat doch der Kul­tur­kampf längst begon­nen. Das ist jeden­falls der Ein­druck, den man krie­gen kann, wenn man die besorg­ten Leit­ar­ti­kel liest, in den Kom­men­tar­spal­ten der Medien dem Volk in die Seele schaut und dem Wut­rau­schen am Stamm­tisch lauscht. Auch im Kopf der wohl­stands­ge­sät­tig­ten Aka­de­mi­ke­rin tobt es längst. Da sagt eine, dass Deutsch­land nicht mehr ihr Land sei, weil sie am Flug­ha­fen die Schuhe aus­zie­hen müsse, wäh­rend Mer­kel Flücht­linge unkon­trol­liert über die Grenze geholt habe. Diese Worte sind genau so gefal­len, dazu gab es Mee­res­früchte und Weißwein.

Der Kul­tur­kampf hat also begon­nen, und wer will da in ein Land wie den Sudan, wo doch der Mos­lem schon im Spreng­stoff­gür­tel vor der euro­päi­schen Haus­tür steht, um unsere Kul­tur und Zivi­li­sa­tion zu zer­stö­ren? Die­ses Wüs­ten­land weckt die glei­chen Reflexe wie der mus­li­mi­sche Mann die­ser Tage: Angst, Vor­ur­teile, Ableh­nung. Selbst nach Ägyp­ten und in die Tür­kei will der Deut­sche jetzt nicht mehr in den Urlaub fah­ren – „nach Paris“, „nach Köln“, wie es stets in die­sem selt­sam apo­ka­lyp­ti­schen Duk­tus heißt. Als habe sich die Schlech­tig­keit des Islams end­gül­tig bestätigt.

DSC09753xxFeind­bild: ein beten­der Moslem.

Der Markt in Omdur­man ist der größte des Lan­des. Die Schwes­ter­stadt Khar­tums wurde berühmt durch den Mahdi-Auf­stand und die Schlacht von Omdur­man 1898. Man kämpfte gegen die bri­tisch-ägyp­ti­schen Besat­zer – erfolg­los. „Der beacht­lichste Sieg, der je durch die Waf­fen der Wis­sen­schaft über Bar­ba­ren errun­gen wurde“, schrieb Win­s­ton Chur­chill, damals ein­fa­cher Leutnant.

Was es heute im Sudan zu kau­fen gibt, fin­det man auf dem Markt von Omdur­man. Gold­schmuck, Gewürze, Klei­dung aller Art und gefälschte Fuß­ball­tri­kots – das ist natür­lich kei­nes­falls alles. Pfer­de­kar­ren fin­den ihren Weg durch die Gas­sen, Juwe­liere war­ten im Schat­ten ihrer Geschäfte auf Kund­schaft. Ich laufe nur so umher, plau­dere mit den Leu­ten und mache Fotos von Händ­lern, die immer gleich freund­li­che Posen einnehmen.

Schnitt, 20 Minu­ten spä­ter. Eine Menge auf­ge­brach­ter, schimp­fen­der Män­ner umringt mich. Das wütende Ara­bisch dringt krat­zig an mein Ohr. Doch die Men­schen schreien nicht mich an, son­dern den Poli­zis­ten, der mir gerade meine Kamera abneh­men will. „No pic­tures“, hatte er geru­fen und kam dann ernst her­über. Jetzt hält er das Tra­ge­band mei­ner Kamera fest in sei­ner Hand, schaut mich unver­söhn­lich an und gibt mir klar zu ver­ste­hen, dass ich ihm den Foto­ap­pa­rat nun aus­zu­hän­di­gen habe. Mein Ver­such, ihn durch das Löschen von Bil­dern zu besänf­ti­gen, zeigt über­haupt keine Wir­kung. Ich bin ver­zwei­felt. Die schö­nen Aufnahmen!

All meine Rei­se­fo­tos sind wohl ver­lo­ren oder ich muss die Kamera gegen ein lächer­lich hohes Bestechungs­geld zurück­kau­fen, wären da nicht die Män­ner vom Markt. Sie reden zor­nig auf den Poli­zis­ten ein. Sie ver­tei­di­gen mich! Der Beamte lässt die Kamera los. In dem aus­ge­wach­se­nen Tumult ist es nicht schwie­rig, Schritt für Schritt nach hin­ten zu tre­ten und irgend­wann in der Menge zu ver­schwin­den. Das ret­tet mir meine Repor­ta­ge­bil­der, den Män­nern sei Dank.

DSC00155DSC00159DSC00165Freund­li­che Män­ner auf dem Markt von Omdur­man, die sich gerne foto­gra­fie­ren lassen.

Nun möchte man sagen, dass diese Szene fast schon zu sym­bo­lisch ist und auch zu kal­ku­liert erzählt. Man soll im Detail das große Ganze erklär­bar machen, hat der Meis­ter­re­por­ter Hol­ger Gertz uns ein­mal bei­gebracht. Lei­der ist der Weg von der Ver­an­schau­li­chung eines Pro­blems am kon­kre­ten Bei­spiel zur pau­scha­li­sie­ren­den Ver­all­ge­mei­ne­rung mit­un­ter recht kurz. Es ist, neben­bei bemerkt, der Weg des Ras­sis­ten. Aber das ist die Her­aus­for­de­rung: dif­fe­ren­ziert den­ken und doch zu sehr kla­ren Schlüs­sen kommen.

Im Rück­blick erklärt sich die Situa­tion auf dem Markt so: In den armen und rück­stän­di­gen Län­dern der mus­li­mi­schen Welt – aber natür­lich nicht nur dort – lei­den die Men­schen in ers­ter Linie unter des­po­ti­schen Regi­men, einem nicht-funk­tio­nie­ren­den Staats­we­sen und epi­de­mi­scher Kor­rup­tion, was dann wie­derum zu hoff­nungs­lo­sem Nepo­tis­mus, man­geln­den Per­spek­ti­ven und gro­ßer Armut in wei­ten Tei­len der Bevöl­ke­rung führt. Offen­bar hat­ten die hilfs­be­rei­ten Män­ner vom Markt zumin­dest in dem Moment, als der Poli­zist mich her­ein­le­gen wollte, kon­kret die Schnauze voll von ihrem inef­fi­zi­en­ten, bestech­li­chen Büro­kra­tie­ap­pa­rat, der es nicht schafft, ein erträg­li­ches Min­dest­maß an sozia­ler Absi­che­rung zu gewähr­leis­ten und noch dazu den weni­gen Gäs­ten, die ins Land kom­men, das Geld aus der Tasche zieht. Das ist wie­der eine Zuspit­zung, aber in die­sem Fall eine angemessene.

Es wird nicht die ein­zige posi­tive Erfah­rung im Sudan blei­ben. Nun ließe sich von den Jungs in Karima erzäh­len, oben am Nil, die mich zu einer Schale Obst­sa­lat in ihre Hütte ein­la­den, oder von Essan, der mich in Shendi in sei­nem Gäs­te­haus fast schon wie ein güti­ger Groß­va­ter beher­bergt, oder vom Fern­fah­rer Omar, der mich in sei­nem Truck nach Ad-Damir mit­nimmt, ohne dafür auch nur einen suda­ne­si­schen Pfund zu ver­lan­gen. Ja, auch als wei­ßer Ungläu­bi­ger werde ich über­all im befrie­de­ten Teil des Sudans mit gro­ßer Gast­freund­lich­keit emp­fan­gen und behandelt.

Mit der glei­chen Vehe­menz ließe sich aber nun auf die nicht zu leug­nen­den Unzu­läng­lich­kei­ten der suda­ne­si­schen Gesell­schaft ver­wei­sen. Meine Reise wäre als Frau so mit Sicher­heit nicht mög­lich. Über­haupt sehe ich nir­gendwo im Land lachende, selbst­be­wusste Frauen, was eine Tra­gö­die ist.

Ja, Khar­tum ist fried­lich zu mir. Aber der Gedanke, sich hier mit einem T‑Shirt mit der Auf­schrift „God is dead“ oder „Gay is great“ auf die Straße zu stel­len, scheint nur im ers­ten Moment lus­tig und im zwei­ten schon völ­lig undenk­bar. Was bei uns in Deutsch­land oft nur als selbst­ge­fäl­li­ger Akt demons­tra­tiv zur Schau gestell­ter Libe­ra­li­tät wahr­ge­nom­men wird, könnte hier im Sudan schnell etwas lebens­ge­fähr­lich wer­den. Ich bewege mich zwar frei in die­ser Gesell­schaft, aber es ist eine unfreie Gesell­schaft. Vol­taire kam nie in den Sudan.

Was soll man aber nun für Schlüsse zie­hen? Der Islam ist eine gewalt­tä­tige Reli­gion? Wer nach Khar­tum kommt, kann da nur lachen. Der Islam ist nicht zur Demo­kra­tie fähig? Da möge man bitte den Sene­gal besu­chen. Der Islam ist into­le­rant und dul­det neben sich keine andere Reli­gion? Indo­ne­sien, das größte mus­li­mi­sche Land der Welt, ist ein Gegen­bei­spiel und kann im übri­gen auch guten Gewis­sens von Frauen bereist wer­den, denen die Macho­kul­tur in Ägyp­ten oder Marokko ent­schie­den zu unan­ge­nehm ist. Es ist lei­der eben doch alles schreck­lich komplex.

Wer von dem Islam spricht, macht schon den ers­ten Feh­ler. Wer dann am hei­mi­schen deut­schen Schreib­tisch furcht­bar ent­rüs­tet nach Koran­ver­sen sucht, die die Bös­ar­tig­keit die­ses Islams bele­gen sol­len („Suren-Bingo“), der sollte viel­leicht bes­ser ein isla­mi­sches Land besu­chen oder gleich meh­rere und dort mit mög­lichst vie­len Men­schen reden und sich ihre Geschich­ten anhö­ren. Und wer von einem Islam spricht, der Europa erobern und unsere Demo­kra­tie abschaf­fen will, der ist vor Angst schon ganz wirr oder ein gefähr­li­cher Demagoge.

Seien wir ehr­lich: Das Modell der libe­ra­len, säku­la­ren Gesell­schaft des Wes­tens ist viel zu ver­lo­ckend, als dass sich die gebil­dete Jugend zwi­schen Tan­ger und Tehe­ran – möge sie auch klein sein – nicht längst danach seh­nen würde. Die Anschluss­fä­hig­keit muss man auch nicht lange suchen. Wer unüber­brück­bare kul­tu­relle Dif­fe­ren­zen pro­pa­giert, der sollte sich ein­mal ins Nacht­le­ben von Istan­bul oder Bei­rut bege­ben. Oder sich unter die tune­si­sche Jugend mischen, die mit Kof­fer­raum­la­dun­gen vol­ler Alko­hol von Tunis her­un­ter zum Fes­ti­val Dunes Elec­tro­ni­ques in die Wüste fährt. Oder sich in Mar­ra­kesch zum voll­kom­men harm­lo­sen Tin­der-Date mit einer Marok­ka­ne­rin tref­fen, die sich bei einem Drink in der Neu­stadt über die euro­päi­schen Tou­ris­ten amü­siert, die in der alten Medina vom folk­lo­ris­ti­schen Schau­spiel eines ver­meint­lich exo­ti­schen Ori­ents ganz ergrif­fen sind. Diese Liste kann jeder Rei­sende selbst fortsetzen.

DSC00557DSC06762DSC00718Wer­bung in Bei­rut, junge Tune­sier auf den Dunes Elec­tro­ni­ques, Nacht über Marrakesch.

Clau­dius Seidl hat völ­lig berech­tigt die Frage auf­ge­wor­fen, ob sich die Jugend des Nahen Ostens gegen­über unse­rer Kul­tur (des Pop) tat­säch­lich ver­wei­gert. Er spricht vom „kapi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus“, dem Stre­ben nach Glück durch Kon­sum, das nach uni­ver­sel­ler Ver­ständ­lich­keit strebt. Die Ant­wort lau­tet: auf gar kei­nen Fall. Es ist dann auch der größte Trep­pen­witz des Intel­lekts, die Defi­zite in den ara­bisch-isla­mi­schen Län­dern maß­geb­lich auf die vor­herr­schende Reli­gion zurück­zu­füh­ren und die viel wich­ti­ge­ren poli­ti­schen und sozia­len Ursa­chen völ­lig auszublenden.

Umso alar­mier­ter muss man sein, wenn isla­mi­scher Ter­ro­ris­mus zu einem epo­cha­len Wer­te­kon­flikt auf­ge­baut wird. Wer die west­li­chen Werte hoch­hält, spricht von Errun­gen­schaf­ten, die bit­te­schön nie für Men­schen außer­halb die­ses Wes­tens irgend­wie von Bedeu­tung zu sein hat­ten. Den­ken wir nur kurz an die US-Sank­tio­nen gegen den Irak, im Laufe derer rund 500 000 Kin­der star­ben, weil zum Bei­spiel nicht ein­mal mehr ein­fa­che Medi­ka­mente impor­tiert wer­den konn­ten. Die dama­lige US-Außen­mi­nis­te­rin Made­leine Alb­right wurde in einem Inter­view gefragt, ob die Bestra­fung Sad­dam Hus­s­eins die­sen Preis wert gewe­sen sei. Und was sagte sie? Klar, hart sei das gewe­sen, aber: ja.

Die ganze Außen­po­li­tik im Nahen Osten ist an Per­fi­die eigent­lich kaum zu über­bie­ten, aber das ist eine Geschichte, die woan­ders schon oft genug erzählt wurde. Sie ist auch keine Ent­schul­di­gung für alles, aber sollte doch die Zunge zäh­men, wenn diese einem Ara­ber etwas von west­li­chen Wer­ten daher­fa­bu­lie­ren möchte. Sol­che Über­le­gun­gen pas­sen nicht zur schö­nen Welt des Rei­sen? Tut mir leid, es muss sein. Was die Welt bewegt, dazu sollte man eine Hal­tung finden.

Am letz­ten Tag mei­ner Sudan-Reise sitze ich noch ein­mal bei Ozone in Khar­tum. Bei Kaf­fee und Kuchen. Was­ser wird durch Zer­stäu­ber in die Luft gesprüht und kühlt die Sahel-Hitze ein wenig her­un­ter. Hin­ter der Hecke rauscht Verkehr.

Ich reflek­tiere das kleine Aben­teuer, das ich in die­sem Land erlebt habe. Ich weiß jetzt, hier kann ich trotz Hard­core-Islam mei­ner Wege gehen und treffe dabei auf Men­schen, die mich nicht bespu­cken son­dern als Gast will­kom­men hei­ßen. Eigent­lich eine selbst­ver­ständ­li­che Lek­tion, stelle ich fest. Umso trau­ri­ger, dass sie im Moment als revo­lu­tio­näre Weis­heit daher­kommt. Begeg­nung sorgt für Ver­stän­di­gung, das ist noch so eine Plat­ti­tüde, die stimmt.

Schon raunt es wie­der: Dau­er­haft leben will man im Sudan doch auch nicht! Stimmt. Lom­bok fän­den die meis­ten aber wohl gar nicht schlecht. Ich für mei­nen Teil freue mich am Ende der Reise, ehr­lich gesagt, wie­der auf mein hedo­nis­ti­sches und ziem­lich exklu­si­ves West­ler­le­ben, des­sen Wohl­stand die Kehr­seite einer armen, aus­ge­beu­te­ten ande­ren Welt­hälfte kon­se­quent mit­ver­ant­wor­tet. Des­sen sollte man sich schon bewusst sein. Isla­mi­scher Extre­mis­mus ist dann eher ein Begleit­phä­no­men als Kern des Problems.

Bedroht der Islam jetzt Europa? Eine merk­wür­dige Frage, die gerade oft gestellt wird.

Der Islam ist eine grüne Wiese, auf der man sich aus­ru­hen kann. Wer keine fau­li­gen Pflan­zen will, deren Früchte den Geist ver­gif­ten, sollte viel­leicht nicht den Feh­ler machen, den Boden zu ver­bren­nen. Auf toter Erde wächst über­haupt nichts.

Cate­go­riesSudan
  1. Jacob K. says:

    Wirk­lich sehr schö­ner Text!
    Mich würde mal inter­es­sie­ren wie die Preise dort waren.
    Wie viel hat man für Essen, Trin­ken, Unter­kunft und Markt­ar­ti­kel bezahlt?

    1. Hallo Jacob,

      das Rei­sen im Sudan ist sehr güns­tig. Richt­werte: öffent­li­cher Bus von Khar­tum nach Shendi, ca. 200 Kilo­me­ter: etwa 7 Euro. Loka­les Gast­haus, Ein­zel­zim­mer ohne Dusche in Shendi: etwa 5 Euro. Eine Por­tion Ful: etwa 1 bis 2 Euro. Wer wie ein Ein­hei­mi­scher reist, zahlt also wenig. Im ita­lie­ni­schen Wüs­ten­camp bei den Pyra­mi­den von Meroe kos­tet die Nacht dage­gen 100 Euro. 

      Viele Grüße!

  2. Pingback:Der Islam ist eine grüne Wiese - Giller Magazin

  3. Chris says:

    Ich bin begeis­tert von dem Bei­trag! Der letzte Absatz fast noch­mal sehr schön zusam­men was in unse­rer Gesell­schaft und aus­ge­löst durch sie gerade von stat­ten zu gehen.
    Und für mich ist es auch nicht so das ernste Dinge nicht zum rei­sen gehö­ren, son­dern genau der Erkennt­nis­ge­winn macht für mich erst das rei­sen aus.
    Tür­kei, Iran, Malay­sia, Marokko… In allen mus­li­mi­schen Län­dern in denen ich bis­her unter­wegs war wurde ich mit offe­nen Armen begrüßt. Ich habe auch schon von Frauen gehört die allein bspw durch den Iran gereist sind und auch nur gutes zu berich­ten wuss­ten. Aber klar gibt es da auch noch Defi­zite gerade was die Rechte der Frauen angeht.
    Nichts­des­to­trotz ist man unter­wegs, berich­tet auch zu Hause von den 99,9 % freund­li­chen Men­schen über­all auf der Welt, aber der täg­li­che Schwall der Medien der bestän­dig aufs Publi­kum ein­pras­selt ist trotz­dem stär­ker. Das die ihre Quote oder Ver­kaufs­zah­len haben möch­ten ist ja schön und gut aber sobald Men­schen­le­ben betrof­fen sind müss­ten sich doch irgend­wann mal die Moral ein­schal­ten. Klar hat die Ver­gan­gen­heit gezeigt das sie das eher nicht tut.
    Trotz­dem oder gerade des­halb sollte es mehr Berichte wie die­sen hier geben.
    Jetzt habe ich mich mal etwas aus­ge­las­sen, aber „das wird man jawohl mal sagen dür­fen, ohne gleich als Gut-Mensch abge­stem­pelt zu werden“ ;)

    1. Danke für den Kom­men­tar, Chris. Lei­der inter­es­sie­ren viele Län­der die meis­ten Men­schen nur, wenn es dort zu Krie­gen und Kata­stro­phen kommt. Stich­wort: Ebola.

  4. Ein abso­lut groß­ar­ti­ger und aus­ge­wo­ge­ner Text ist Dir da gelun­gen, Phil­ipp, Cha­peau! Deine Hal­tung kommt mei­ner sehr nahe. Sol­che Essays müss­ten viel mehr in den gro­ßen Zei­tun­gen vor­kom­men! Liebe Grüße!

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