Ich erin­nere mich an die Zeit unter­wegs: Je län­ger ich reiste, desto kla­rer war ich. Es war die Gegen­wart, um die es ging, und die Zukunft war offen, weit, hell. Es war sel­ten still, doch in mir war oft eine tiefe Ruhe. Es wird wer­den, das wusste ich.

Die­ses Wis­sen habe ich behal­ten. Nur wird es immer wie­der über­deckt: Von den Erwar­tun­gen, die ich an mich selbst stelle. Her­aus­for­de­run­gen, die ich bestehen will. Der Sorge, ob die Zukunft so ein­fach und gut bleibt, wie die Gegen­wart ist.

Ich neige dazu mich zu sor­gen, bevor ein Pro­blem tat­säch­lich exis­tiert. Diese prä­ven­tive Hys­te­rie ist sehr ver­brei­tet in Deutsch­land, und hat uns – posi­tiv betrach­tet – die­sen hohen Lebens­stan­dard bewahrt. Aber es ist auch eine unan­ge­nehme Ange­wohn­heit, denn man lebt schon heute mit Pro­ble­men der Zukunft, die oft nie eintreffen.

Die Zukunft aber ist unvor­her­seh­bar. Und wenn ich ver­gesse, die Gegen­wart zu erle­ben, und zu oft in einer pro­blem­be­la­de­nen Zukunft denke, dann hat davon nie­mand etwas – am wenigs­ten ich selbst.
Dies im All­tag zu mer­ken fällt mir schwer. Ich spüre nur eine unter­schwel­lige Unruhe, und die nervt mich kolossal.

Heute treibt es mich hin­aus: An den Fluss, spa­zie­ren, ich lasse mich trei­ben. Ohne Ziel wan­dere ich so weit wie nie, bis ans Ende der Insel. Treib­gut wurde vom Hoch­was­ser ange­spült, kuriose Dinge vol­ler Geschichten.
Und je wei­ter ich gehe desto mehr löst es sich auf, das Gewu­sel der Gedanken.

Die Gelas­sen­heit, die ich beim Rei­sen erfah­ren habe, zu bewah­ren ist nicht ein­fach. Mir hel­fen Momente, wo ich mich bewusst her­aus­nehme aus dem Alltag.

Irgend­wann denke ich nicht mehr an die Zukunft.
Ich muss es nicht – sie ist ein­fach da, weit und hell. Ich freue mich darauf!

Und ich bin da, wo ich bin. Im Frie­den, zufrie­den. Ruhig.

Cate­go­riesWelt
Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Solveigh says:

    Wow dan­ke­schön:) Das macht Mut zu hören…ja, im Prin­zip kann ja nur ne Power­frau aus mir wer­den, wenn ich mich jetzt nicht unter­krie­gen lasse :) Cool, dass du das durch­ge­zo­gen hast…

  2. Solveigh says:

    Hi Johan­nes,
    ich hab mich gerade in dei­nen Zei­len gehen las­sen und gespürt, was für ein künst­le­ri­sches Talent dahin­ter steckt. Ich bin einer von den Men­schen, die gerade genau in die­sem Den­ken verharren…die viele Wahr­hei­ten ken­nen und sich doch unüber­wind­bare Schran­ken set­zen. Ich habe vier Jahre auf meine Reise gespart, die zwei Jahre dau­ern soll, und werde sie nächs­tes Jahr uner­war­te­ter Weise alleine antre­ten. Und obwohl ich weiß, dass wahre Frei­heit nur im Her­zen exis­tiert, und ich die Ant­wor­ten auf das Hier im Dort nicht fin­den kann, kann ich dir jetzt schon ver­spre­chen, dass ich mich bewusst in eine Illu­sion begebe…aus der es für Traum­tän­zer wie mich mög­li­cher­weise kein Zurück mehr gibt…Schon alleine des­halb hast du mei­nen Respekt. Nicht nur, dass du die Dinge die mich her­um­trei­ben in ein­dring­li­che Kunst ver­wan­delst, son­dern auch, dass du eine bewun­derns­werte Selbst­re­fle­xion besitzt. Ich könnte mir vor­stel­len, dass genau diese Art des Selbst­ge­sprä­ches mein Ziel vor Augen ist…

    1. klys says:

      Vie­len Dank. Ich wün­sche dir eine fan­tas­ti­sche Reise… auch ich hatte die Reise zusam­men geplant und reiste allein – und es war sehr gut so…

  3. Paul says:

    Und wie lau­fen die erwähn­ten Pro­jekte? Schade dass deine Reise „schon“ zu Ende ist, ich habe ein­fach zu spät ange­fan­gen zu lesen… (erst durch den Grimme-Preis entdeckt)
    Zwar ist „Qua­dra­tur der Reise“ ein schö­ner Ersatz, aber doch nicht zu ver­glei­chen mit dei­nem Schreibstil.
    Beste Wünsche.

    1. klys says:

      die pro­jekte lau­fen wei­ter an oder in war­te­schleife… ich werde hof­fent­lich bald neues davon berichten!

  4. aotearoa says:

    Kann ich ver­ste­hen, das letzte Mal ’nicht unru­hig‘ war ich in Neu­see­land. Dort ticken die Uhren irgend­wie lang­sa­mer und eine all­ge­meine Poli­zei­kon­trolle auf der Haupt­straße Auck­lands wird zum gro­ßen Zuschauer, Zei­tungs – und TV Event. Es ist ein­fach schön, so weit weg von vie­len Pro­ble­men, die wir hier haben zu sein!

    Viele Grüße
    aotearoa

  5. Pingback:…oder aber auch nicht. | unterwegsnachafrika

  6. kati says:

    oh. du hast meine gefühle und gedan­ken auf papier gebracht. 2011 war auch mein rei­se­jahr. zuerst 5monate nord­ame­rika und anschlie­ßend ein abste­cher nach hawaii, neu­see­land und aus­tra­lien und asien…

  7. Imam says:

    Danke für die per­sön­li­chen und nach­den­kens­wer­ten Gedan­ken. Sie hel­fen mir grad die gol­dige kleine Meise zu genießen…wie sie so unbe­schwert sorg­los und selbst­ver­ständ­lich vor mir ihr Tänz­chen aufführt.…
    Ach, und Spa­zie­ren am Fluss.…wie wärs, wenn du das zu einer regel­mä­ßi­gen Ein­rich­tung eta­blie­ren wür­dest??!! Ich erin­nere an die Vor­teile der Selbstständigkeit. :-)

  8. Eckhard Jochim says:

    Ich denke bei sol­chen Situa­tio­nen immer an ein Zitat von Goethe:

    Gegen­über der Fähig­keit, die Arbeit eines ein­zi­gen Tages sinn­voll zu ord­nen, ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.

    Da ist was dran; also las­sen sich alle ande­ren Dinge ein­ord­nen und strukturieren.

    1. klys says:

      das wäre bei zwei, drei tagen ver­stim­mung zuviel gesagt, und würde den dar­un­ter lei­den­den nicht gerecht wer­den… wäre es dau­er­haft, hät­test du sicher­lich recht

  9. Aler der Schwede says:

    Ah zuerst dunkle Gedan­ken wie die Pho­tos (es passt so gut). Das Gegen­wart is alles was exis­tiert, die Ver­gen­gen­heit is schon pas­siert und die Zukunft is nicht da…Trotsdem wie du sagt, wir den­ken immer an die Zukunft. Ich denke so viel an die Zukunft dass ich kot­zen will…Es ist gut sich zu erin­nern dass wir sind jetzt da, was pas­siert mor­gen och ob wir uber­haupt da sing, wis­sen wir nicht…Alles Gutes :)
    Alex der Schwede

  10. Jens says:

    Hallo Johan­nes,

    ich kann dich gut ver­ste­hen. Bin jetzt so etwas über 50 Tage unter­wegs und fühle mich befreit von dem, was du da schreibst! Jedoch brin­gen mich deine Zei­len für die­sen Moment zurück nach Deutsch­land. Ich dachte schon vor mei­ner Abreise nach, wie es wei­ter gehen soll, wenn ich erst wie­der in Deutsch­land bin? Angst habe ich nicht, mein Job war­tet auf mich, den ich aber auf alle Fälle wech­seln möchte – frü­her oder etwas spä­ter, aber es ist schon mal ein Ziel, so wie mein Ziel ist in fünf Tagen Uyuni zu errei­chen. Ich denke, dass Ziele nicht schlecht sein müs­sen, manch­mal wech­seln, aber uns den­noch vor­wärts brin­gen. Viel­leicht hast du dir zuviele Ziele vor­ge­ge­ben und hast des­halb deine Gegen­wart ver­ges­sen?? Bewahre deine Ruhe, finde deine Gelas­sen­heit und du wirst dein Ziel in der Gegen­wart und der Zukunft schon finden.

    1. klys says:

      ja, sol­che momente gehö­ren wohl ein­fach dazu – und sind ja auch nicht wei­ter schlimm, so lang es nicht dau­er­haft ist.

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