Ich erin­nere mich an die Zeit unter­wegs: Je län­ger ich reiste, desto kla­rer war ich. Es war die Gegen­wart, um die es ging, und die Zukunft war offen, weit, hell. Es war sel­ten still, doch in mir war oft eine tiefe Ruhe. Es wird wer­den, das wusste ich.

Die­ses Wis­sen habe ich behal­ten. Nur wird es immer wie­der über­deckt: Von den Erwar­tun­gen, die ich an mich selbst stelle. Her­aus­for­de­run­gen, die ich bestehen will. Der Sorge, ob die Zukunft so ein­fach und gut bleibt, wie die Gegen­wart ist.

Ich neige dazu mich zu sor­gen, bevor ein Pro­blem tat­säch­lich exis­tiert. Diese prä­ven­tive Hys­te­rie ist sehr ver­brei­tet in Deutsch­land, und hat uns – posi­tiv betrach­tet – die­sen hohen Lebens­stan­dard bewahrt. Aber es ist auch eine unan­ge­nehme Ange­wohn­heit, denn man lebt schon heute mit Pro­ble­men der Zukunft, die oft nie eintreffen.

Die Zukunft aber ist unvor­her­seh­bar. Und wenn ich ver­gesse, die Gegen­wart zu erle­ben, und zu oft in einer pro­blem­be­la­de­nen Zukunft denke, dann hat davon nie­mand etwas – am wenigs­ten ich selbst.
Dies im All­tag zu mer­ken fällt mir schwer. Ich spüre nur eine unter­schwel­lige Unruhe, und die nervt mich kolossal.

Heute treibt es mich hin­aus: An den Fluss, spa­zie­ren, ich lasse mich trei­ben. Ohne Ziel wan­dere ich so weit wie nie, bis ans Ende der Insel. Treib­gut wurde vom Hoch­was­ser ange­spült, kuriose Dinge vol­ler Geschichten.
Und je wei­ter ich gehe desto mehr löst es sich auf, das Gewu­sel der Gedanken.

Die Gelas­sen­heit, die ich beim Rei­sen erfah­ren habe, zu bewah­ren ist nicht ein­fach. Mir hel­fen Momente, wo ich mich bewusst her­aus­nehme aus dem Alltag.

Irgend­wann denke ich nicht mehr an die Zukunft.
Ich muss es nicht – sie ist ein­fach da, weit und hell. Ich freue mich darauf!

Und ich bin da, wo ich bin. Im Frie­den, zufrie­den. Ruhig.

Cate­go­riesWelt
  1. Solveigh says:

    Wow dan­ke­schön:) Das macht Mut zu hören…ja, im Prin­zip kann ja nur ne Power­frau aus mir wer­den, wenn ich mich jetzt nicht unter­krie­gen lasse :) Cool, dass du das durch­ge­zo­gen hast…

  2. Solveigh says:

    Hi Johan­nes,
    ich hab mich gerade in dei­nen Zei­len gehen las­sen und gespürt, was für ein künst­le­ri­sches Talent dahin­ter steckt. Ich bin einer von den Men­schen, die gerade genau in die­sem Den­ken verharren…die viele Wahr­hei­ten ken­nen und sich doch unüber­wind­bare Schran­ken set­zen. Ich habe vier Jahre auf meine Reise gespart, die zwei Jahre dau­ern soll, und werde sie nächs­tes Jahr uner­war­te­ter Weise alleine antre­ten. Und obwohl ich weiß, dass wahre Frei­heit nur im Her­zen exis­tiert, und ich die Ant­wor­ten auf das Hier im Dort nicht fin­den kann, kann ich dir jetzt schon ver­spre­chen, dass ich mich bewusst in eine Illu­sion begebe…aus der es für Traum­tän­zer wie mich mög­li­cher­weise kein Zurück mehr gibt…Schon alleine des­halb hast du mei­nen Respekt. Nicht nur, dass du die Dinge die mich her­um­trei­ben in ein­dring­li­che Kunst ver­wan­delst, son­dern auch, dass du eine bewun­derns­werte Selbst­re­fle­xion besitzt. Ich könnte mir vor­stel­len, dass genau diese Art des Selbst­ge­sprä­ches mein Ziel vor Augen ist…

    1. klys says:

      Vie­len Dank. Ich wün­sche dir eine fan­tas­ti­sche Reise… auch ich hatte die Reise zusam­men geplant und reiste allein – und es war sehr gut so…

  3. Paul says:

    Und wie lau­fen die erwähn­ten Pro­jekte? Schade dass deine Reise „schon“ zu Ende ist, ich habe ein­fach zu spät ange­fan­gen zu lesen… (erst durch den Grimme-Preis entdeckt)
    Zwar ist „Qua­dra­tur der Reise“ ein schö­ner Ersatz, aber doch nicht zu ver­glei­chen mit dei­nem Schreibstil.
    Beste Wünsche.

    1. klys says:

      die pro­jekte lau­fen wei­ter an oder in war­te­schleife… ich werde hof­fent­lich bald neues davon berichten!

  4. aotearoa says:

    Kann ich ver­ste­hen, das letzte Mal ’nicht unru­hig‘ war ich in Neu­see­land. Dort ticken die Uhren irgend­wie lang­sa­mer und eine all­ge­meine Poli­zei­kon­trolle auf der Haupt­straße Auck­lands wird zum gro­ßen Zuschauer, Zei­tungs – und TV Event. Es ist ein­fach schön, so weit weg von vie­len Pro­ble­men, die wir hier haben zu sein!

    Viele Grüße
    aotearoa

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  6. kati says:

    oh. du hast meine gefühle und gedan­ken auf papier gebracht. 2011 war auch mein rei­se­jahr. zuerst 5monate nord­ame­rika und anschlie­ßend ein abste­cher nach hawaii, neu­see­land und aus­tra­lien und asien…

  7. Imam says:

    Danke für die per­sön­li­chen und nach­den­kens­wer­ten Gedan­ken. Sie hel­fen mir grad die gol­dige kleine Meise zu genießen…wie sie so unbe­schwert sorg­los und selbst­ver­ständ­lich vor mir ihr Tänz­chen aufführt.…
    Ach, und Spa­zie­ren am Fluss.…wie wärs, wenn du das zu einer regel­mä­ßi­gen Ein­rich­tung eta­blie­ren wür­dest??!! Ich erin­nere an die Vor­teile der Selbstständigkeit. :-)

  8. Eckhard Jochim says:

    Ich denke bei sol­chen Situa­tio­nen immer an ein Zitat von Goethe:

    Gegen­über der Fähig­keit, die Arbeit eines ein­zi­gen Tages sinn­voll zu ord­nen, ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.

    Da ist was dran; also las­sen sich alle ande­ren Dinge ein­ord­nen und strukturieren.

    1. klys says:

      das wäre bei zwei, drei tagen ver­stim­mung zuviel gesagt, und würde den dar­un­ter lei­den­den nicht gerecht wer­den… wäre es dau­er­haft, hät­test du sicher­lich recht

  9. Aler der Schwede says:

    Ah zuerst dunkle Gedan­ken wie die Pho­tos (es passt so gut). Das Gegen­wart is alles was exis­tiert, die Ver­gen­gen­heit is schon pas­siert und die Zukunft is nicht da…Trotsdem wie du sagt, wir den­ken immer an die Zukunft. Ich denke so viel an die Zukunft dass ich kot­zen will…Es ist gut sich zu erin­nern dass wir sind jetzt da, was pas­siert mor­gen och ob wir uber­haupt da sing, wis­sen wir nicht…Alles Gutes :)
    Alex der Schwede

  10. Jens says:

    Hallo Johan­nes,

    ich kann dich gut ver­ste­hen. Bin jetzt so etwas über 50 Tage unter­wegs und fühle mich befreit von dem, was du da schreibst! Jedoch brin­gen mich deine Zei­len für die­sen Moment zurück nach Deutsch­land. Ich dachte schon vor mei­ner Abreise nach, wie es wei­ter gehen soll, wenn ich erst wie­der in Deutsch­land bin? Angst habe ich nicht, mein Job war­tet auf mich, den ich aber auf alle Fälle wech­seln möchte – frü­her oder etwas spä­ter, aber es ist schon mal ein Ziel, so wie mein Ziel ist in fünf Tagen Uyuni zu errei­chen. Ich denke, dass Ziele nicht schlecht sein müs­sen, manch­mal wech­seln, aber uns den­noch vor­wärts brin­gen. Viel­leicht hast du dir zuviele Ziele vor­ge­ge­ben und hast des­halb deine Gegen­wart ver­ges­sen?? Bewahre deine Ruhe, finde deine Gelas­sen­heit und du wirst dein Ziel in der Gegen­wart und der Zukunft schon finden.

    1. klys says:

      ja, sol­che momente gehö­ren wohl ein­fach dazu – und sind ja auch nicht wei­ter schlimm, so lang es nicht dau­er­haft ist.

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