Ruan­das Geschichte war mir lange Zeit nicht bewusst. Klar hatte ich Bruch­stü­cke davon im Geschichts­un­ter­richt auf­ge­schnappt. Zu die­sem Zeit­punkt war es aber alles fern und ver­schwom­men, bis ich eines Tages am Strand von Pan­gani in Tan­sa­nia Chris begeg­nete. Als Mit­ar­bei­ter der UNO ging er damals kurz nach dem Geno­zid nach Ruanda, um bei der Auf­ar­bei­tung der Erleb­nisse zu hel­fen. Seine Augen­zeu­gen­be­richte beweg­ten mich zu tiefst. Einige Wochen spä­ter traf ich in Mosam­bik erneut auf Chris und seine Geschich­ten wur­den immer bild­li­cher und der Schre­cken mir lang­sam bewusst. Mit jeder wei­te­ren Infor­ma­tion stieg mein Inter­esse an der jüngs­ten Geschichte Ruandas.

Was ist hier passiert?

Jüngste Geschichte

Was 1994 geschah kann viele Geschichts­bü­cher fül­len und eine detail­lierte Auf­ar­bei­tung bleibt den His­to­ri­kern und Gelehr­ten über­las­sen. Trotz all der Infor­ma­tio­nen und bild­li­chen Auf­ar­bei­tung ver­ste­cken sich viele Hin­ter­gründe des 100-tägi­gen Geno­zids im Detail.
Begon­nen hatte es schon weit vor­her als die Bel­gier anfin­gen, die Volks­grup­pen in Ruanda in Hutu und Tutsi ein­zu­tei­len. Immer wäh­rende Span­nun­gen und ras­sis­ti­sche Beschrei­bun­gen ver­ur­sach­ten auch schon vor 1994 viele klei­nere Mas­sa­ker. Nach dem geschickt geplan­ten Mord von 10 Bel­gi­schen Blau­helm­sol­da­ten am 07. April 1994 zogen sich die bis dahin schüt­zend im Land sta­tio­nier­ten bel­gi­schen Blau­helme aus dem Land zurück. Unbe­kannte schos­sen das Prä­si­den­ten­flug­zeug mit dem ruan­di­schen und burun­di­schen Prä­si­den­ten im Lan­de­an­flug auf Kigali ab und die Büchse der Pan­dora war geöff­net. Das Mor­den bekam ein neues Aus­maß: die Hutus schlach­te­ten in 100 Tagen über eine Mil­lio­nen Tutsi ab, ver­stüm­mel­ten und ver­ge­wal­tig­ten unzäh­lige Men­schen; Män­ner, Frauen und Kinder.

Ein lange Aufarbeitung

Das 10-Mil­lio­nen-Ein­woh­ner-Land war danach zer­stört. Wirt­schaft­lich und mora­lisch. Es galt die schreck­li­chen Ereig­nisse auf­zu­ar­bei­ten. Neben der geis­ti­gen, poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Auf­ar­bei­tung schaff­ten das Land und die Bevöl­ke­rung Gedenk­stät­ten, um an die Grauen zu erin­nern und zukünf­tige Ereig­nisse zu vermeiden.

Beligisches Soldatenmahnmal im Camp Kigali

Im Camp Kigali, heute Teil der Uni­ver­si­tät, erin­nert das bel­gi­sche Sol­da­ten­denk­mal an die schreck­li­chen Momente, die in dem klei­nen Gebäude statt­fan­den. Die Blau­helme wur­den unter einem Vor­wand ent­waff­net und ins Camp gebracht und dann unter Beschuss genom­men. Das Haus, in dem sie sich ver­schanz­ten, ist in sei­ner ursprüng­li­chen Form erhal­ten geblie­ben. Die Ein­schuß­lö­cher und Gra­nat­split­ter sind über­all prä­sent und las­sen die Schre­cken der letz­ten Momente der Sol­da­ten auf­le­ben. Im Nach­bar­raum zeigt eine mini­ma­lis­ti­sche Aus­stel­lung eine Zusam­men­fas­sung der Geschehnisse.

Im Vor­hof des Hau­ses erin­nern 10 Säu­len an die 10 Sol­da­ten. Die Ker­ben zei­gen ihr Alter und die rauhe Struk­tu­ren der Säu­len ste­hen für die unge­glät­te­ten Wogen des Lebens. Die­ses Mahn­mal ver­deut­licht die genaue Pla­nung des dar­auf fol­gen­den Genozids.

Die Schrecken

Die bewe­gends­ten Momente erlebe ich im größ­ten Museum in Kigali, dem Kigali Geno­cide Memo­rial Museum. In der Außen­an­lage ste­hen sich künst­le­risch gestal­tete Gar­ten­an­la­gen, die die Geschichte des Lan­des von Einig­keit über Spal­tung bis hin zur Wie­der­ver­ei­ni­gung der Völ­ker erzählt, Mas­sen­grä­bern von über 250.000 Men­schen gegenüber.

Genozid Museum in Kigali

Massengräber im Genozid Museum in Kigali

Im Inne­ren füh­ren die Erzäh­lun­gen der Geschichte durch einen spi­ral­för­mi­gen Gang. Von außen nach innen erkun­det man erst noch locker und leicht die his­to­ri­schen Erleb­nisse. In gewal­ti­gen, scho­ckie­ren­den Schrit­ten wird man immer näher an das Zen­trum des Geno­zids geführt und die Spi­rale der Gewalt in absurd, ver­stö­ren­der Weise bild­lich gezeigt. Im Zen­trum wer­den zuerst Bil­der von Opfern aus­ge­stellt, kurz dar­auf sind die zer­schla­ge­nen Schä­del und Gebeine auf­ge­reiht. Im letz­ten Raum bekom­men die Opfer auch noch Klei­dung. Es ist eine große War­nung gegen Genozid.

Opferbilder im Genozid Museum in Kigali

Genozid Museum in Kigali

Im obe­ren Stock­werk zeigt die Aus­stel­lung wei­tere Bei­spiele von Geno­zid und kurz bevor man den Rund­gang been­det, wird man noch­mals emo­tio­nal gebun­den. Die Aus­stel­lung führt ein letz­tes Mal den Schre­cken vor Augen. Der Raum der Kin­der erzählt die ein­zel­nen Schick­sale von Babys bis ins Teen­ager-Alter: von Mache­te­ten zer­hackt bis mit Gra­na­ten in einer Kir­che getötet.

Ruanda heute

Heute zeigt sich Ruanda in einem posi­ti­ven Licht. Die Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit ist mei­nes Erach­tens sehr gut ver­lau­fen. Die Infra­struk­tur ist sehr gut in Schuss und Kigali und der Rest des Lan­des glänzt fast vor Sau­ber­keit. Plas­tik­tü­ten sind im Land ver­bo­ten. Papier­tü­ten domi­nie­ren das Ein­kaufs­bild. Meine Ziploc-Beu­tel wer­den als sehr gut vom Plas­tik­tü­ten-Kon­trol­leur an der Grenze bezeichnet.
Das Land ist sehr orga­ni­siert und kon­trol­liert. Geschwin­dig­keits­über­schrei­tun­gen wer­den hart geahn­det, wie mein Fah­rer nach Gise­nyi leid­lich erfah­ren muss.

Es macht den Ein­druck, dass nach den schreck­li­chen Gescheh­nis­sen sich das Land, von star­ker Hand regiert, zusam­men rauft und eine erfreu­li­che Ent­wick­lung durch­läuft. Kigali ist eine sehr ange­nehme Stadt und bekommt von mir das rare Attri­but „lebens­werte Stadt“ verliehen.

Ruanda ist für mich ein sehr schö­ner Zwi­schen­stopp und Ruhe­oase auf mei­ner Reise durch Afrika.

Cate­go­riesRuanda
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Dominik Mohr

Dominik folgt seinem Schatten durch die Welt. In einem minimalistischen und einfachen Reisestil wird man von ihm um die Welt geführt und einmal beschleunigt, geht es dann immer weiter. Meist geht die Tour an abgelegene Orte und bringt das tägliche Leben und die Hürden der Menschen näher.
Ausgefallene und teilweise auch ungewöhnliche Reiseziele rund um Afrika und den Nahen Osten stehen vereinzelten Reisezielen in den beliebten Gegenden entgegen und zeigen den Kontrast der Welten und der Natur.

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