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Tag 3: Weltwundern in der Wüste

Dicke Schnee­flo­cken wehen in mein Gesicht. Das geschmol­zene Was­ser rinnt an den Wan­gen hinab und weicht mei­nen Kra­gen auf. Es ist Februar in den jor­da­ni­schen Ber­gen, es ist Nacht und es ist ver­dammt kalt. Das Was­ser in den Schu­hen quietscht bei jedem Schritt durch die san­di­gen Pfützen.

Immer wei­ter führt er mich in die Wüste, sein Griff so fest an mei­nem Ober­arm, dass es schmerzt. Ich stol­pere, drehe mich um. Die Schein­wer­fer sei­nes Pick-ups wer­den immer klei­ner, je wei­ter wir uns ins Dun­kel bewe­gen. Schließ­lich sind sie ganz verschwunden.

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Was hab ich mir nur dabei gedacht? Unten in Petra, am Ein­gang zur Fel­sen­stadt, war er doch so nett. Wir haben den typisch kleb­rig-süßen Pfef­fer­minz­tee getrun­ken und viel gelacht. Dabei ver­steck­ten sich seine ste­chen­den, schwar­zen Augen hin­ter tie­fen Lach­fal­ten. Er ist noch keine 30, doch sein dich­ter Bart und das ewige Enter­tain­ment für die Tou­ris­ten machen ihn älter. Heute Abend ver­an­stal­ten seine Freunde ein Bedui­nen-BBQ ober­halb der Stadt, nicht weit von hier. Ob ich Lust habe, mit­zu­kom­men? Klar!

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Wir blei­ben ste­hen auf einer Ebene, die einem Markt­platz gleicht, umschlos­sen von schwar­zen Hügeln. Der Wind pfeift in mei­nen Ohren. Sche­men­haft erkenne ich Zelte, ein Schat­ten huscht vor­bei. „Close your eyes“, befiehlt er mir. Ich schlot­tere und tu, was er sagt. Er flüs­tert Worte auf Ara­bisch. Jemand ant­wor­tet. Schritte ent­fer­nen sich. Magen­säure brennt in mei­ner Kehle. Ich schlu­cke, kann kaum atmen.

Dann löst er sei­nen Griff. „Open your eyes again“.

Ich blinzle, wische den Schnee aus den Augen. Der trübe Him­mel ist urplötz­lich einem Ster­nen­zelt gewi­chen. Die Hügel sind jetzt ganz nah, gespickt mit Dut­zen­den klei­nen Höh­len. In jeder ein­zel­nen brennt ein gol­de­nes Licht. Die Zelte zu mei­nen Füßen sind erleuch­tet. Umrisse von Bet­ten und ori­en­ta­li­schen Lam­pen zeich­nen sich ab. Was vor­her schwarz war, ist jetzt bunt. Junge Kerle, kei­ner älter als 20, tra­gen geschäf­tig Tel­ler über­voll mit Essen in das Haupt­zelt. Wir sind im „7 Won­ders Bedouin Camp“, und außer uns ist nie­mand hier.

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Es ist wär­mer gewor­den, der Schnee fällt jetzt als Regen. Wir sind beide klatsch­nass. Egal. Er sieht mich an, und da sind sie wie­der: die Lach­fal­ten. Der Geruch von gegrill­tem Huhn steigt  mir in die Nase.

„My fri­ends coo­ked for us. Now we eat. You look hungry.“

Ich war zu per­plex und zu nass, um das in Bil­der zu ban­nen. Des­halb: Das Bild vom Camp bei Nacht stammt von Rei­se­blog­ge­rin Ute Kranz.

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In 14 Texten um die Welt!

Tag 1: Im Balkan
Tag 2: Damas­kus, Syrien
Tag 3: Petra, Jordanien
Tag 4: Sierra Leone
Tag 5: Kap­stadt, Südafrika
Tag 6: Decep­tion Island, Antarktis
Tag 7: La Paz, Bolivien
Tag 8: Havanna, Cuba
Tag 9: Tijuana, Mexiko
Tag 10: Mel­bourne, Australien
Tag 11: Sula­wesi, Indonesien
Tag 12: Hanoi, Vietnam
Tag 13: Don Det, Laos
Tag 14: Bhutan

Cate­go­riesJor­da­nien Welt
Pia Röder

Es beginnt mit einem Kribbeln in den Kniekehlen. Es wandert die Waden hinab zu den Füßen. Sie krampfen und zittern, sie bitzeln bis in den kleinen Zeh. Das sind die ersten Symptome von Fernweh. Bei manchen ist es akut, bei Pia chronisch. Es packt sie und sie muss wieder los. Ihr Leiden hat sie bisher monatelang durch ihre zweite Heimat Argentinien geführt, hoch bis nach Caracas getrieben und blind über den Atlantik segeln lassen. Es zwang sie nachts in der jordanischen Wüste zum Beduinen-BBQ und peitschte sie tausende Kilometer durch Osteuropa. Aber sie will nicht jammern. Sie leidet an der schönsten Krankheit der Welt – und schreibt über ihre Methoden zur Fernwehbewältigung.

  1. Pingback:Die Vorfreude kann nie früh genug beginnen: Israel & Jordanien

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