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Und eins führt zum anderen

Okay, dazu gibt’s eine Geschichte. Ist ja irgend­wie immer so. Diese Geschichte beginnt im Mai 2014, als ich in eine Bar in Christ­church ging, um jeman­den zu tref­fen. Und jetzt, neun Monate spä­ter, springe ich aus einem Flug­zeug aus fast 6 Kilo­me­ter Höhe. Und nur, weil ich damals Rob getrof­fen habe.

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Eigent­lich war Rob nicht der­je­nige, den ich dort tref­fen sollte. Ich erspare Euch die Details. Alles, was Ihr wis­sen müsst: In die­ser Nacht wurde ich obdach­los. Mein sehr kom­for­ta­bles Mit­be­woh­ner-Über­ein­kom­men hat sich im Nichts auf­ge­löst und daheim­blei­ben war eher keine Option, aus­ge­hen indes sehr wohl. Und da ich ja eh ein­ge­la­den war …

Mir gefällt die Idee, dass jede Aktion, jeden Schritt, den man geht, ver­bun­den ist. Du bist die Puppe und der Pup­pen­spie­ler. Du ziehst an dei­nen eige­nen Strip­pen und diese Strip­pen bil­den zusam­men den roten Faden, der sich durch dein gan­zes Leben zieht. In der Retro­spek­tive kannst du nach­voll­zie­hen, wie dich deine Ent­schei­dun­gen zu den rich­ti­gen Men­schen geführt haben. Diese Men­schen haben dir die Rich­tung gewie­sen. Aber es liegt ganz an dir, den Schritt nach vorne zu machen.

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In die­ser kal­ten, klam­men Nacht im Spät­herbst, bin ich los­ge­lau­fen: aus der Tür, Madras Street run­ter, hin­ein in Win­nie Bagoes. Nach mei­nem zwei­ten Drink – oh, wie nötig das war – habe ich Rob getrof­fen, der Freund eines Kol­le­gen eines Kol­le­gen. Das Übli­che. Und weil sich alles immer zum Guten wen­det, wurde Rob mein neuer Mitbewohner.

Rob ist Pilot und Pilo­ten nei­gen dazu, mit ande­ren Pilo­ten rum­zu­hän­gen. Das gilt gleich­sam für Jour­na­lis­ten, wie Medi­zi­ner und Bestat­ter – wenn du die glei­che Aus­bil­dung genos­sen hast … egal. Okay, also Pilot Rob ist der beste Kum­pel von Pilot James. Pilot James hat ein Sky­di­ving-Unter­neh­men unten in Franz Josef, dort wo Neu­see­land lächer­lich atem­be­rau­bend aussieht.

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2010 hat James sein Unter­neh­men Sky­dive Franz gegrün­det. Das Geschäfts­mo­dell: Tou­ris­ten lobo­to­mie­ren, indem man sie hoch­fliegt und dann aus dem Flug­zeug wirft. Sky­dive Franzbie­tet den höchs­ten Fall­schirm­sprung in der süd­li­chen Hemi­sphäre an: 5,7 km über Nor­mal­null, freier Fall, gra­tis Sau­er­stoff, kein Vorab-Trai­ning nötig. Ganz reizend.

“Soll­test du mal unten an der West­küste sein …”, hat Rob im Juni gesagt. „Ja, schau’n mer mal… aber danke fürs Ange­bot!“ So rich­tig über­zeugt davon, wie ein nas­ser Sack Rich­tung Boden zu rau­schen, war ich irgend­wie nicht.

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Und hier sitz’ ich nun, in einer win­zi­gen Pro­pel­ler­ma­schine, gut sechs Kilo­me­ter über Neu­see­lands West­küste, meine Rück­seite eng geschnürt an einen Kerl, den ich gerade erst ken­nen­ge­lernt habe. Er heißt Dan und er wird mit mir sprin­gen. Glück­li­cher­weise hat er so etwas schon mal gemacht, ein hal­bes Dut­zend Mal allein heute, und es ist gerade ein­mal 1 Uhr am frü­hen Nach­mit­tag. Er durfte schon Hun­derte Male sprin­gen, über­all auf der Welt. Das ist alles, was ich gerade jetzt wis­sen muss.

Ein Schritt nach vorne, und was folgt, sind 90 Sekun­den völ­lig wahn­sin­ni­ger Adre­na­lin-Rausch. Und eine Menge Spu­cke in mei­nem Gesicht, die mich aus­se­hen lässt, wie die berühmte flie­gende Nutte.

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Dan ist mein Pup­pen­spie­ler. Er zieht an den Strip­pen, löst den Fall­schirm aus, und wir glei­ten. Ich hab dar­auf kei­nen Ein­fluss, bin es nicht gewohnt, keine Kon­trolle über mein eige­nes Leben zu haben. Ich fühle mich wie ein besof­fe­ner Depp, mein Hirn funk­tio­niert nicht mehr. Ich plap­per und plap­per, mehr als sonst. Ich sage Dan, dass ich ihn liebe. Er lacht und bedankt sich. Das ist pein­lich. Das ist großartig!

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Vor neun Mona­ten hab ich einen Schritt nach drau­ßen gewagt und habe eine neue Rich­tung ein­ge­schla­gen. Diese Ent­schei­dung hat mir 2,5 Minu­ten pures Glück beschert. Vor ein­ein­halb Jah­ren habe ich in Nor­we­gen die­sen Tsche­chen ken­nen­ge­lernt. Er meinte, dass Neu­see­land ganz schön sei. Ich soll doch irgend­wann mal dort vor­bei­schauen. Gut, das ist eine andere Geschichte. Ich erspar Euch die Details.

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Cate­go­riesNeu­see­land
Pia Röder

Es beginnt mit einem Kribbeln in den Kniekehlen. Es wandert die Waden hinab zu den Füßen. Sie krampfen und zittern, sie bitzeln bis in den kleinen Zeh. Das sind die ersten Symptome von Fernweh. Bei manchen ist es akut, bei Pia chronisch. Es packt sie und sie muss wieder los. Ihr Leiden hat sie bisher monatelang durch ihre zweite Heimat Argentinien geführt, hoch bis nach Caracas getrieben und blind über den Atlantik segeln lassen. Es zwang sie nachts in der jordanischen Wüste zum Beduinen-BBQ und peitschte sie tausende Kilometer durch Osteuropa. Aber sie will nicht jammern. Sie leidet an der schönsten Krankheit der Welt – und schreibt über ihre Methoden zur Fernwehbewältigung.

  1. Lynn says:

    Tolle Geschichte!

    Lus­ti­ger­weise war ich auch im Mai 2014 in Christ­church in einer Bar und hatte dort auch eine „schick­sal­hafte“ Begeg­nung die mich dazu gebracht hat auf einem For­schungs­schiff den Atlan­tik zu durch­se­geln, in Ecua­dor auf Kuschel­kurs mit Buckel­wa­len zu gehen und Solar­zel­len durch den Hima­laya zu trans­por­tie­ren – die­ses ver­dammte neu­see­län­di­sche Bier… ;)

  2. Sabrina says:

    Was für eine tolle, herz­er­wär­mende und wit­zige Geschichte. Super lus­tig und ja, ist es nicht schön und auf­re­gend wie das Leben manch­mal so spielt? Und im Rück­blick erkennt man all die Fäden die sich zwi­schen den Aben­teu­ern spannen. 

    Super mutig von dir aus die­ser Höhe zu sprin­gen. Ich weiß ja nicht.. ich glaub ich hätte so. eine. ver­dammte. Angst.

    Viel­leicht trägt mich aber auch meine eigene Geschichte mal so hoch hinaus :)

    Liebe Grüße,
    Sabrina

  3. Charlie says:

    Wuuun­der­schööönnn <3. Ich möchte das auch so gerne machen aber mein Freund traut sich lei­der nicht :(. Ich bin sehr beein­druckt von den Bil­dern :). Liebste Grüße aus Vals Südtirol

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