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Indien Jungfrau für 9 Wochen

Rei­se­sor­gen:

  • • Der Geh­steig ist ein Müll­berg, dane­ben steht die Kloake?
  • • Der Ver­kehrs­lärm ist uner­träg­lich, der Abgas­tod naht?
  • • Das Zim­mer ist ver­sifft, es gibt kein flies­sen­des Wasser?
  • • Die Leute las­sen keine Ruhe und ver­lan­gen Touristenpreise?

Was mich frü­her genervt hat, ist heute weit unter mei­ner Toleranzschwelle.

Ich war in Indien!

Über­setzt für Indien Jungfrauen:

Ich habe das scheiss Elend erlebt!

Verkehr? Welcher Verkehr? - Mensch, ärgere dich nicht!

Ver­kehr? Wel­cher Ver­kehr? – Mensch, ärgere dich nicht!

Mich wirft nichts mehr so leicht aus der Bahn. Das gilt aber nur außer­halb von Indien. In Indien selbst bin ich immer mit einem Bein im nerv­li­chen Abgrund. Anlässe zum Stol­pern und Stür­zen gibt es im rie­si­gen Land viele:

Als ich denke, mich scho­ckiert nichts mehr, fährt ein Hin­dum­o­bil lär­mend vor­bei. Vorne sitzt der Guru und hin­ten steht eine „beson­ders“ hei­lige Kuh auf 2 Vor­der­bei­nen und 4 Hin­ter­bei­nen. Die bei­den Euter wackeln um die Kurve.

Als ich denke, selbst Indien ist zum All­tag gewor­den, blo­ckiert mir in den engen Gas­sen von Var­a­nasi eine Kuh den Weg. Beim Vor­bei­zwän­gen stellt sich her­aus, dass auch sie Angst vor mir hat. Sie pisst mir auf den Schuh, mit ordent­lich Druck.

In Indien ist man immer Jung­frau, egal wie lange man dort ist…

Kuh in Varanasi

Kuh in Varanasi

Als ich denke, ich bin inner­lich gefes­tigt, springt mich auf offe­ner Strasse ein dre­cki­ger Jugend­li­cher an und umklam­mert mich. Ich ver­liere meine Fas­sung, werfe ihn zu Boden, renne weg. Erst bin ich wütend auf den Inder, dann auf mich selbst. Wie kann man nur die Fas­sung verlieren?

Er hat seine Fas­sung nicht ver­lo­ren. Er hat mich von Mensch zu Mensch umarmt, weil ich ihm vor­her den Hand­schlag ver­wei­gert habe. Er hat schliess­lich ein Recht auf mei­nen Hand­schlag, meine Mei­nung, meine Zeit. Er kennt keine Pri­vat­sphäre, keine Ruhe, kein Nein.

Ich bin der Aus­län­der und meine Auf­merk­sam­keit gehört den 1,2 Mil­li­ar­den Indern!

Wir wollen deine Aufmerksamkeit!

Wir wol­len deine Aufmerksamkeit!

Indien, mein Indien!
Du hast mein Herz gebrochen.Meine Vor­freude auf dich war sehr groß, trotz aller Geschich­ten. Aber du hat­test andere Pläne. Schon nach weni­gen Tagen wollte ich nur noch weg von dir. War es mein Fehler?

Die 4 Indien Freunde, die mir einen Besuch emp­foh­len haben, soll­ten mir aus Deutsch­land per email helfen:

  1. 1. gibt mir eine Liste mit Ashrams zur Meditation
  2. 2. hatte einen Strand­ur­laub im Hotel gebucht
  3. 3. erzählt mir, wo ich Hasch bekomme
  4. 4. ist Vegetarierin

Indien, mein Indien!
Bist du nur etwas für Spi­ri­tu­elle, Strand­ur­lau­ber, Kif­fer und Körnerfresser?

Strandurlaub in Indien ist auch möglich, ohne Inder zu sehen

Strand­ur­laub in Indien ist auch mög­lich, ohne Inder zu sehen

Für mich ist Indien auf jeden Fall nichts. Oder etwa doch?

  • • Ich wollte for­dernde Erfahrungen?
  • • Ich wollte raus aus mei­ner Komfortzone?
  • • Ich wollte die Welt sehen in ihrer Gesamtheit?

Auf dem Sub­kon­ti­nent zeigt die Welt ihre häss­li­ches Gesicht.

Auch die Häss­lich­keit der mensch­li­chen Natur steht immer im Rampenlicht:

  • • Rem­peln, Schreien, Pis­sen, Scheissen
  • • Aber­glaube, Analpha­be­tis­mus, Antriebs­lo­sig­keit, Armut

Das wollte ich sehen! Oder etwa nicht?

Obdachlose Familie in Mumbai

Obdach­lose Fami­lie in Mumbai

77% der Inder kom­men mit 20 Rupien am Tag aus (30 Euro Cent). Das macht nichts. Inder ste­hen über äuße­ren Umstän­den. Gelas­sen schaut man in der größ­ten Demo­kra­tie dem Nie­der­gang der Welt vom Stras­sen­rand zu. Schließ­lich ist nichts für immer, schon gar nicht in Indien.

Im größ­ten Slum Asi­ens, in Mum­bai, frage ich einen Inder nach dem Weg zum Slum. Wie soll ich wis­sen, dass ich schon mit­ten­drin stehe, im Dha­ravi Slum? Die­ses Dreck­loch unter­schei­det sich nicht von den ande­ren Dreck­lö­chern, die ich seit 2 Mona­ten bereise.

Das ganze ver­dammte Land ist ein Dreck­loch, mit sehr weni­gen Ausnahmen.

Dharavi Slum in Mumbai

Dha­ravi Slum in Mumbai

Natür­lich gibt es auch Schön­heit in Indien, aber man muss lange suchen. Indien ist eine mit Wer­bung zuge­müllte Webseite:

  • • über­füllt
  • • bunt
  • • unsau­ber
  • • auf­merk­sam­keits­hei­schend
  • • 5% Signal, 95% Rauschen

Man fin­det auch auf einer *blink blink* Wer­be­seite manch­mal ein fun­keln­des Gold­stück, sel­ten sogar einen glit­zern­den Dia­man­ten. Aber Spass macht die Suche nicht. Und es macht erst Recht kei­nen Spass Indien ver­ste­hen zu wollen.

Es ist end­los hoffnungslos!

Alles ist öffentlich, nichts ist jemals privat

Alles ist öffent­lich, nichts ist jemals privat

Seit 4 Wochen ringe ich nach Wor­ten, um Indien zu beschrei­ben. Aber Indien spot­tet jeder Beschrei­bung. Wenn jemand von Indien erzählt, so wie ich jetzt, dann lasst ihn ruhig erzäh­len und denkt euch nichts dabei.

Jeder Mensch erlebt Indien anders.

Indien ist ein gigan­ti­scher Spiegel

(Andreas Alt­mann – Triffst du Bud­dha töte ihn)

Eins steht fest:
Indien muss man erleben!

Überall in Indien

Über­all in Indien

floc­b­log Indien Geschichten:

Bil­der:

 

penner2

Cate­go­riesIndien
  1. Valesca says:

    Ich habe bis vor kur­zem noch in Indien gelebt, es war das erste Land, in das ich alleine als Frau umge­zo­gen bin des Jobs wegen und will dir raten, dei­nen west­eu­ro­päi­schen Blick auf alles mal ein biss­chen zu hinterfragen. :)
    Natür­lich kann man sich an all die­sen Din­gen auf­hän­gen, aber wenn man sich auf das Land und seine Men­schen ein­lässt, über­de­cken all die schö­nen Erleb­nisse diese ers­ten Ein­drü­cke. Ich kann viele Geschich­ten erzäh­len und ja, in eini­gen kom­men auch Kühe, Müll und Armut vor, aber sie neh­men kei­nes­falls den Haupt­teil mei­ner Erleb­nisse ein.

  2. Das was du schreibst, ist das, was mich bis­her vor einem Besuch in Indien abhält. Einer­seits halte ich es für phan­tas­tisch und fas­zi­nie­rend, ande­rer­seits ist es wahr­schein­lich sehr anstren­gend und ich weiß nicht, ob ich mit der extre­men Armut umge­hen kann. Viel­leicht trau ich mich irgend­wann, aber bis dahin hab ich noch viele andere Län­der zu ent­de­cken. Fin­dest du Sri Lanka eigent­lich genauso oder ist das gemä­ßig­ter? Gruß Nina

  3. Hibari-Kyoya says:

    Unglaub­lich, wie man ein­fach ein gan­zes Land für ein paar Sachen verurteilt.
    Ja, es stimmt, dass Indien laut, schmut­zig und dass ein gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung Arm ist. Na und ? Die wun­der­schö­nen Sachen im Land wer­den mal wie­der nicht erwähnt. Ist ja typisch für sol­che Leute.

    1. Florian says:

      Immer mit der Ruhe. Die schö­nen Sachen wer­den in ande­ren Bei­trä­gen erwähnt. 

      Ich war seit die­sem Arti­kel vor mehr als 3 Jah­ren jedes Kalen­der­jahr für einige Wochen in Indien und das wird sich auch so schnell nicht ändern.

  4. Peter says:

    Hallo Flo­rian,
    ja, Indien kann ner­ven. Aber dafür ist jeder selbst ver­ant­wort­lich. Muß ich mich unbe­dingt im Slum rum­trei­ben oder mich jeden Tag in den Stra­ßen­ver­kehr stür­zen? Ich bin jetzt seit zwei Mona­ten hier und habe die freund­li­chen Men­schen und wun­der­schö­nen Land­schaf­ten abseits der Haupt­stra­ßen genos­sen. Dazu sollte man aber auch bereit sein die Men­ta­li­tät und Lebens­weise der Men­schen hier zu verstehen.

    1. Florian says:

      @Peter:
      Man kann in bei­nahe jedem Land hin­ter getön­ten Schei­ben durch die Gegend fah­ren oder sich anders von dem Trei­ben distan­zie­ren. In dem Arti­kel ist ja die Rede von Tou­ris­ten die außer Strand oder Yoga Ashram nichts von Indien sehen. 

      Ich laufe halt gern durch die Gegend und das ist in Indien viel stres­si­ger als anderswo.

  5. Catherine says:

    „77% der Inder kom­men mit 20 Rupien am Tag aus (30 Euro Cent)“ – dies ist eine Unwahr­heit, Flo­rian und gibt Indien ein ande­res Gesicht. Die Tat­sa­che ist die, dass 22% der Inder unter die inter­na­tio­nale Armuts­grenze fal­len (nicht 77%) und diese Grenze beginnt bei $1.25/Tag und weni­ger. Also ich bitte dich, auf diese Details zu ach­ten, da sie schlicht und ergrei­fend nicht der Wahr­heit entsprechen. 

    Den Rest, den du über Indien geschrie­ben hast ist deine sub­jek­tive Erfah­rung und das kann ich nicht kommentieren. 

    Meine sub­jek­tive Erfah­rung (und das nun seit mehr als einem Jahr als wohn­haft hier) ist eine andere: Nir­gendwo sonst sind die Extreme so enorm, jedoch nir­gendwo sonst habe ich diese Wärme der Men­schen erlebt wie hier. Ich hoffe, das wird die Moti­va­tion derer seien, die eine Reise nach Indien planen.

    1. Florian says:

      Hi Cathe­rine:
      Die Zahl stammt aus dem Arjun Sen­gupta Report. 836 Mil­lio­nen Inder leben dem­nach mit 20 Rupien oder weni­ger pro Tag. Manch­mal wer­den auch 25 Rupien angegeben.

      Danke fürs Tei­len Dei­ner sub­jek­ti­ven Erfahrung (-;

  6. claudia says:

    Ja! Genau so erle­ben Euro­päer Indien. Aber dann auch wie­der ganz anders. Ver­ste­hen wer­den wir Indien mit unse­rer west­eu­ro­päi­schen Kul­tur ver­mut­lich nie­mals. Aber stei­gen wir herab von unse­rem hohen Ross und bege­ben uns blank und bar von Vor­ur­tei­len durch die­sen Kon­ti­nent, kön­nen wir enorm viel ler­nen. Die Men­schen, ihre Far­ben, ihr Glaube, ihre Nai­vi­tät, ihre Offen­heit und ganz beson­ders ihr Lächeln haben einen Zau­ber den ich bis­her in kei­nem ande­ren Land ent­de­cken konnte.

    1. Peter says:

      Ich würde San­da­len vor­zie­hen. Kühlt den Kör­per unge­mein, es sei denn man möchte tou­ris­ten­mä­ßig mit kur­zen Hosen rum­lau­fen. Außer­dem zieht man die Schuhe so oft aus, daß es mit der Zeit mit geschlos­se­nen Schu­hen sehr auf­wen­dig wird.

  7. Indien muss jeder selbst erle­ben und jeder erlebt es anders, also glaubt kein Wort von die­sem Arti­kel! Das Land ist letzt­end­lich für die meis­ten Men­schen eine posi­tive Erfah­rung, aber eben auch eine bit­tere Medi­zin, egal mit wie­viel Chai man sie herunterspült.

  8. Judith says:

    Ich war kürz­lich erst in Indien und kann jedem eine Reise dort­hin nur emp­feh­len. Ja, Indien ist laut, schmut­zig und arm – aber das weiß man vor­her. Es ist auf der ande­ren Seite aber auch eines der fas­zi­nie­rends­ten und viel­fäl­tigs­ten Län­der die­ser Erde mit unglaub­lich warm­her­zi­gen Men­schen, die ihr eige­nes Land, trotz allem Chaos, über alles lieben.

  9. Patrick says:

    Flo­rian, Du machst einem ja Lust auf Indien :-D
    Das sind die Gründe, wes­we­gen ich mich noch scheue. Aber ich muss es wohl trotz­dem mal selbst erleben.

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