5 Tage San José im Sili­con Val­ley. Ich lasse mich im selbst­fah­ren­den Tesla über den High­way kut­schie­ren, pro­biere den wohl feins­ten Wein Kali­for­ni­ens und fla­niere über den Board­walk von Santa Cruz. Und ich beob­achte die Men­schen – denn hier lie­gen die wah­ren Erkenntnisse.

Mein kali­for­ni­scher Traum war viel zu schnell vor­bei. Als ich auf­wa­che, bestelle ich einen Oran­gen­saft und beob­achte das kleine Flug­zeug auf dem Bild­schirm vor mir. Es scheint kaum vor­an­zu­kom­men. Rich­tig wach bin ich noch nicht, aber schla­fen geht jetzt auch nicht mehr.

Wor­über würde ich nun berich­ten, von die­sem Kurz­trip nach San José? Die The­men sind viel­fäl­tig und lie­gen im Prin­zip auf dem Sil­ber­ta­blett vor mir. Der Start-Up Hype im Sili­con-Val­ley. Das Kali­for­nien-Fee­ling auf dem Board­walk von Santa Cruz. Die üppi­gen Ridge Viney­ards im Hoch­land. You name it. Doch es gibt noch viel mehr Erwäh­nens­wer­tes und das Beson­dere ist, dass sich jedes die­ser The­men in eine Viel­zahl von inter­es­san­ten Unter­punk­ten auf­spal­tet. Ich mache Noti­zen auf der Rück­seite mei­nes Boar­ding Pas­ses. Ich schreibe einen Über­be­griff auf und sam­mele dar­un­ter in Stich­wor­ten alles, was mir dazu ein­fällt. Das sieht spä­ter z.B. so aus:

Sili­con Valley:

- Vir­tual Rea­lity ausprobiert

- Drohne gecrasht

- Tesla gefahren

- Mit Robo­ter (Pep­per) gesprochen

- Tesla-Mit­ar­bei­ter trin­ken einen beson­de­ren Kaf­fee, um gute Ideen zu ent­wi­ckeln („It’s a spe­cial brew“)

- „Elon Musk does­n’t take no for an answer.“

- Beim Mit­tag­essen mit einem Tech-CEO „gespro­chen“. Mein Rede­an­teil: 5–7%.

- Maschi­nen gleich intel­li­gent wie Men­schen: ab 2040.

Mein Boar­ding-Pass reicht schon an die­ser Stelle nicht mehr aus. Aber es hilft. Meine zer­streu­ten Gedan­ken­fet­zen kom­men nach und nach wie ein Puz­zle zusammen.

Ich fahre zuhause fort. Am Ende habe ich eine Mind­map erstellt, die es in sich hat: 5 Tage aus mei­nem Kopf auf einer Seite. Kali­for­nien, stellt sich her­aus, ist ver­dammt viel­fäl­tig. Allein aus San José sind ver­schie­de­ner­lei Orte bin­nen kür­zes­ter Zeit erreich­bar: Strand, Wald, Berge oder Steve Jobs‘ legen­däre Garage. Ich könnte also vom mor­gend­li­chen Zipli­nen durch die fri­schen Red­woods erzäh­len. Wie ich auf der Santa Cruz Wharf Crab Cake pro­bierte und dabei durch einen Glas­bo­den direkt in das Meer sehen konnte. Das wäre solide.

Was aber, wenn ich mich an das andere Ende der Abs­trak­ti­ons­lei­ter bewe­gen würde? Dann könnte ich Begriffe wie Frei­heit, Cali­for­ni­ca­tion oder sogar den Ame­ri­ka­ni­schen Traum in den Raum wer­fen. Daran kann sich jeder Rei­ben, es ent­stünde Raum für Dis­kus­sio­nen. Doch im luft­lee­ren Raum soll­ten diese Kon­zepte auch nicht ste­hen: Ich müsste ganz nah ran­zoo­men, das Erlebte neh­men und irgend­wie zu einem grö­ße­ren Bild weiterentwickeln.

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Das kalifornische Motto: Fun, Fun, Fun!

Was it fun? Die Frage wird mir in San José sehr oft gestellt. Sie gefällt mir und vor allem: damit ist etwas zu machen. Für mich steckt in die­ser kna­cki­gen Frage viel Kali­for­nien drin. Sie wird nicht nur gestellt, wenn eine Tätig­keit ganz offen­sicht­lich der Bespa­ßung dient (wie z.B. die Ach­ter­bahn­fahrt auf der Santa Cruz Pier). Nein, der CEO eines Start-Ups beginnt seine Fir­men­prä­sen­ta­tion mit „I hope we’re gonna have a lot of fun tog­e­ther.“ Der Ticket­ver­käu­fer im Museum sogar im Impe­ra­tiv: „You guys have fun!“ Eine simple Auto­fahrt von A nach B. Die Frage am Ziel: Was it fun? Was­ser­eis kopf­über in Wodka tun­ken und dann abschle­cken? This is so much fun! Es fühlt sich leicht an in Kali­for­nien. Alles war fun. Ich bin bald ange­steckt. Diese Locker­heit der Men­schen ist kein Ame­rika-Kli­schee mehr, son­dern wird greif­bar. Meine kri­tisch-ana­ly­ti­sche Sicht auf alles kommt mir hier plötz­lich so bie­der Deutsch vor.

Hier­zu­lande wer­den meine Spaß-Erfah­run­gen mit Arg­wohn betrach­tet, beson­ders von jenen, die sich selbst als intel­lek­tu­ell bezeich­nen wür­den: zu ober­fläch­lich sei das doch, gar dumm. Für mich ist die kali­for­ni­sche Her­an­ge­hens­weise jedoch pro­fund und sinn­voll. Denn sie ist uns eine Ein­sicht vor­aus: Wer Spaß ver­brei­tet, setzt gewiss nicht seine Glaub­wür­dig­keit aufs Spiel. Man kommt ein­fach bes­ser durch den Tag, wenn man Spaß hat, bei dem was man tut und dar­über hin­aus einen gewis­sen Ein­satz bringt, das Gemüt der Mit­men­schen gleich mit anzu­he­ben. Da haben die Amis was mit den Thai­län­dern gemein: Sanuk und Fun sind die­sel­ben Kon­zepte. In Deutsch­land wird oft ange­nom­men, man sei nicht recht bei der Sache, wenn man Spaß ver­brei­tet – mei­ner Mei­nung nach ein Fehler.

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Wohin geht die interpretative Reise?

Natür­lich muss man immer auf­pas­sen, wenn man aus Ein­zel­er­leb­nis­sen eine große Erkennt­nis, womög­lich über den Zustand eines gan­zen Lan­des, ablei­ten möchte. In San José haben wir einen Fahr­ser­vice, der uns zuver­läs­sig von A nach B bringt. Eines Mor­gens kom­men wir um 8:01, also eine Minute spä­ter als ver­ein­bart am Ziel­ort an. Der Fah­rer ist Mexi­ka­ner und sagt mit der Ges­tik des Unter­ge­be­nen: „I’m sorry I brought you here one minute late.“ Die­ser Moment bleibt an mir haf­ten. Doch sagt er etwas aus? Und wenn ja, was? Über den Sta­tus von Min­der­hei­ten? Über das Ver­ständ­nis von Ser­vice in den USA? Oder sagt er nur etwas über diese eine Per­son in einem bestimm­ten Moment aus? Was sagt er über mich aus, schließ­lich war die­ser Satz ja an mir haf­ten geblie­ben? Das müsste man sich zumin­dest kurz über­le­gen, bevor man anfängt zu interpretieren.

Wie­der diese ver­kopf­ten Über­le­gun­gen. Was it fun?

Silicon Valley: Think BIG

So kommt es, dass wir um 8:01 in San Mateo über den Park­platz zum Haupt­ein­gang des Sili­con Val­ley Inno­va­tion Cen­ter lau­fen. Dort ist man dar­auf spe­zia­li­siert, Inter­es­sen­ten Zugang zu den so begehr­ten Tech-Com­pa­nies zu ver­schaf­fen. Andrey Kunov, der CEO, hält erst­mal eine Power Point-Prä­sen­ta­tion. Er erklärt, dass Maschi­nen der­zeit die Intel­li­genz von Mäu­sen besit­zen. Doch der Graph zeigt steil nach oben – ab 2040 wür­den Maschi­nen so intel­li­gent sein wie Men­schen. Dann könn­ten wir uns end­lich selbst ver­wirk­li­chen, da uns die Maschi­nen alle läs­ti­gen All­tags­auf­ga­ben abneh­men. Ich frage mich, wel­che Maschine, die so intel­li­gent ist wie ein Mensch, sich in die­ser Rolle genügt.

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Es wird groß gedacht im Sili­con Val­ley, Bestehen­des wei­ter­zu­ent­wi­ckeln reicht nicht aus. „Dis­rup­tive Tech­no­lo­gies“ möchte man her­vor­brin­gen, also mit einer Idee bestehende Indus­trien obso­let machen. Uber und AirBnB wer­den als Mus­ter­bei­spiele genannt. Dazu gehört Risi­ko­be­reit­schaft, weil Unter­neh­mens­grün­der Inves­to­ren davon über­zeu­gen müs­sen auf Pferde zu set­zen, die noch nicht ein­mal im Stall stehen.

Tom setzt sich zum Lunch an mei­nen Tisch. Freund­lich ist er, und in der Lage einen ver­bind­li­chen Augen­kon­takt im Gespräch zu hal­ten. Er war Poker­spie­ler vor sei­ner Zeit als VP of Busi­ness Deve­lo­p­ment bei Yeti LLC. Ein Risk-Taker also. Eine Eigen­schaft, die man hier, im Cor­po­rate Ame­rica unbe­dingt nach außen keh­ren muss. Das weiß auch Tom: „Ich bin dar­auf ein­ge­stellt, alles ver­lie­ren zu kön­nen, aber genau das macht mich hier erfolg­reich.“ Am Ende reicht er sein Handy rum, jeder dürfe nun gerne seine Kon­takt­da­ten abfo­to­gra­fie­ren. Ein chi­ne­si­scher Infor­ma­tik-Stu­dent neben mir am Tisch greift has­tig danach. Das waren die Momente für die er gekom­men war.

Viele Start-Ups, die wir im Laufe des Tages besu­chen, arbei­ten an unaus­ge­reif­ten Tech­no­lo­gien. Aber es geht Schritt für Schritt voran und irgend­wann, so der Traum aller hier, möchte man das „next best thing“ prä­sen­tie­ren. Mich inspi­riert der Opti­mis­mus der Men­schen hier. Ich stelle die wil­des­ten Fra­gen zu mög­li­chen Ent­wick­lun­gen, keine wird als unmög­lich abgetan.

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Liegt im Wein(kenner) die Erkenntnis?

Die Abwechs­lung am nächs­ten Tag ist höchst will­kom­men: wir ver­las­sen das Tal und die grauen Büro­räume und schlän­geln uns im Mini­van die Monte Bello Road in Cup­er­tino hoch. Wir steu­ern die Ridge Viney­ards an, und schon bald spie­gelt sich die Sonne in mei­nem Weiß­wein­glas. Ich lehne mich im Ses­sel zurück und lau­sche der Rede von Michel, dem Som­me­lier des Hau­ses. Des­sen per­sön­li­che Geschichte hat eine ent­schei­dende Par­al­lele zu der von Tom, dem VP aus dem Val­ley: er ist Quer­ein­stei­ger in sei­ner Bran­che. Michel war lange als Ban­ker tätig, bevor er sich die berühmte Sinn­frage stellte und zum Som­me­lier umschulte. Er wirkt mit sei­ner hel­len skan­di­na­vi­schen Haut ein wenig deplat­ziert in der kali­for­ni­schen Sonne, seine Beru­fung jedoch scheint er gefun­den zu haben. Er ist Meis­ter sei­nes Fachs, refe­riert begeis­ternd wie kein ande­rer über den Wein.

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Da ist wie­der eine Abs­trak­tion mög­lich, denke ich mir. Diese Bereit­schaft zur Ver­än­de­rung, den Mut sich neu zu erfin­den, so wie Tom und Michel es getan hat­ten, führt mich zum Ame­ri­can Way. Wen inter­es­siert was ges­tern war, solange man in der Gegen­wart ein gutes Bild abgibt? Nie­mand ist so mobil wie die Ame­ri­ka­ner: durch­schnitt­lich ver­wei­len diese 5 Jahre in einer Woh­nung, so kurz wie kein ande­res Volk auf der Welt. Ich schus­tere mir dar­aus eine erfri­schende Bot­schaft: nicht Erfah­rung macht erfolg­reich, son­dern Leidenschaft.

Ein Reisebericht ist nie komplett

Ich bin posi­tiv auf­ge­la­den, als ich in besag­tem Flie­ger zurück von San José nach Frank­furt sitze. Ich möchte den Opti­mis­mus aus dem Sili­con Val­ley für mich kon­ser­vie­ren. Am meis­ten hat mich wohl der Umgang der Men­schen unter­ein­an­der fas­zi­niert. Wie sie im Gespräch stets dafür sor­gen, dass man sich selbst wohl fühlt. Das wirkt auf mich sehr nobel. Die Aus­sage eines Kali­for­niers geht mir nicht aus dem Kopf: „You Ger­mans always sound as if you are lec­tu­ring each other.“ Ich achte fortan dar­auf. Stimmt schon irgendwie.

So ist es beim Rei­se­be­richte schrei­ben: man pickt sich ein paar Erleb­nisse raus, stellt ein paar Über­le­gun­gen an, doch das Gefühl, die Reise kom­plett wie­der­ge­ben zu kön­nen, bekomme ich nie. Zu viele Stränge blei­ben offen, zu viele The­men außen vor. Was nun mit Cali­for­ni­ca­tion gemeint ist, bleibt bis hier­hin eben­falls unbe­ant­wor­tet. Ich fand in der klei­nen Sur­fer-Stadt Santa Cruz ein paar Anhalts­punkte, doch mehr dazu im nächs­ten Artikel.

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Infos und Tipps für eine Reise nach San José

Anreise: Die Luft­hansa bie­tet Direkt­flüge ab Frank­furt ins Sili­con Val­ley an:

  • Mon­tag, Mitt­woch, Frei­tag, Sams­tag und Sonntag
  • LH 488 Frank­furt 10.40 Uhr – San Jose 13.25 Uhr
  • LH 489 San Jose 15:05 Uhr – Frank­furt 11.15 Uhr (Fol­ge­tag)

Über­nach­tet habe ich im Hotel Valen­cia – eine super Adresse, mit­ten auf der Ein­kaufs­meile San­tana Row – ist natür­lich nicht ganz billig.

Hier mal eine Über­sicht eini­ger Spaß­ak­ti­vi­tä­ten rund um das Sili­con Valley:

- Zipli­ning durch die Red­woods: Mount Her­mon Adventures

- Mit der alten Dampf­lok durch den Red­wood Forest: Roaring Camp Railroads

Tech Museum of Inno­va­tion: sehr unter­halt­sam, man kann dort alles mög­li­che selbst ausprobieren.

- Santa Cruz Beach-Board­walk: Ach­ter­bah­nen, Essen und jede Menge Fun – Kali­for­nien pur an der Strandpromenade.

- Bio­markt auf der San­tana Row: Immer Mitt­wochs, nur im Som­mer: gött­li­che Pfirsiche!

- Gigan­ti­sches Pla­ne­ta­rium, ich konnte den Mars sehen! Lick Obser­va­tory

Restau­rant-Emp­feh­lung: Abso­lu­tes High­light war für mich das Grand­view Restau­rant. Es liegt ca. 25 Minu­ten von San José auf Mt. Hamil­ton. Viel von dem was ange­bo­ten wird, wird selbst in den umlie­gen­den Fel­dern ange­baut: fan­tas­ti­sches Essen, groß­ar­tige Aussicht!

Vie­len Dank an die Luft­hansa und an das Team von Visit San José für die Ein­la­dung und die super Orga­ni­sa­tion der Reise!

Cate­go­riesUSA
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

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