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Wo sich Himmel und Erde ganz besonders nah sind

13. August 2011.
Lang­sam schiebt sich der rie­sige Rei­se­bus durch die schlecht befes­tig­ten, dre­cki­gen Stra­ßen. Uns allen ist es sicht­lich unan­ge­nehm, hier zu sit­zen, in die­sem Fremd­kör­per, der durch sei­nen makel­lo­sen Zustand und die grell­weiße Farbe noch mehr auf­zu­fal­len scheint zwi­schen den nied­ri­gen Zie­gel­bau­ten mit Well­blech­dä­chern und dem für die perua­ni­sche Küs­ten­wüste so cha­rak­te­ris­ti­schen Grau­braun. Die Straße ein schma­ler grau beto­nier­ter Strei­fen, auch der Blick in die Ferne zeigt grau, der dichte Nebel hat sich wie­der wie eine Decke über die Stadt gelegt und scheint die Bewoh­ner nach und nach ersti­cken zu wol­len. End­lose Rei­hen an dicht in die Hügel gedrück­ten Häu­sern so weit das Auge reicht, dann ver­liert sich alles im dich­ten Grau. Je wei­ter man fährt, desto mehr Häu­ser kom­men einem ent­ge­gen, es nimmt kein Ende, es kommt immer noch ein Hügel mit Häu­sern, die nach oben hin immer mehr zu schma­len Hüt­ten wer­den, mit die­sen typi­schen gel­ben Trep­pen, auf denen die Bewoh­ner jeden Tag hun­derte von Stu­fen nach oben stei­gen müs­sen. Am Rande von Lima kommt einem die Stadt wirk­lich end­los vor, auch, weil kaum ein Platz ver­schont wurde, jeder Qua­drat­me­ter ist dicht an dicht bebaut, über­all Häu­ser, alle unter­schied­lich und doch aus der Ferne her­aus so gleich. Die Hügel schei­nen die Stadt­grenze zu beschrei­ben und doch geht es dahin­ter noch wei­ter, gibt es noch mehr Häu­ser auf noch mehr Hügeln. Chaos scheint vor­zu­herr­schen, und das trotz des Schach­brett­mus­ters, in dem hier wie in ganz Latein­ame­rika die Stra­ßen ange­legt sind. Die düs­tere Stim­mung lässt die Sze­ne­rie noch tris­ter erschei­nen, auch die teils bunt ange­stri­che­nen Fron­ten der Häu­ser oder die grel­len Laden­schil­der kön­nen daran nichts ändern. Die weni­gen Pflan­zen, die es gibt, Kak­teen und nied­rige Bäume, haben sich farb­lich der grauen Umge­bung angepasst.

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Es ist mein zwei­ter Tag in Peru, ich bin dank Jet­lag seit vier Uhr mor­gens wach, konnte ohne­hin schlecht schla­fen, die Auto­alarm­an­la­gen, das viele Hupen, das Brau­sen auf den Stra­ßen, das sind Dinge, an die man sich erst gewöh­nen muss. Und nun sitze ich mit zwan­zig ande­ren Deut­schen, die Peru eben­falls für ein Jahr ihr Zuhause nen­nen wer­den, in die­sem Rei­se­bus, auch unser Rei­se­füh­rer, der uns eine alter­na­tive Tour durch die Stadt zeigt, ist deutsch. Alter­na­tive Tour, das heißt fern der Dinge, die Tou­ris­ten nor­ma­ler­weise erkun­den, wir sehen nun die zweite, die andere, die dunkle Seite von Lima, die Seite, mit der sich das Tou­ris­mus-Manage­ment der Stadt wohl eher nicht rüh­men würde. Wir bil­den eine deut­sche Exklave in die­ser für uns noch so unge­wohn­ten Stadt, die sich nur Wochen spä­ter für mich schon wie All­tag anfüh­len sollte. Meine ers­ten Tage in Peru sind ein sanf­ter Über­gang zwi­schen deut­scher Hei­mat und perua­ni­scher Fremde, ich rede deutsch und bin zwi­schen lau­ter Men­schen, die genauso jung und auf­ge­regt sind wie ich. Und trotz­dem fühlt es sich komisch an, hier in die­sem abar­tig neuen und rie­si­gen Rei­se­bus, der so auf­fäl­lig zeigt, dass hier zwei Wel­ten, zwei Lebens­rea­li­tä­ten aufeinanderprallen.

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Wir essen auf einem klei­nen, sym­pa­thi­schen Markt zu Mit­tag und bekom­men unglaub­lich lecke­ren Fisch und Mee­res­früchte ser­viert. Natür­lich sind wir, die zwan­zig wei­ßen deut­schen Jungs und Mädels, eine gewisse Attrak­tion, es wird geschaut, ein paar Mäd­chen möch­ten Fotos mit uns machen. Trotz­dem – die Men­schen freuen sich, dass wir hier sind, dass wir uns auch mal Villa Maria del Tri­unfo anschauen und nicht immer nur die schi­cken Bezirke wie Mira­flo­res. Ich fühle mich direkt will­kom­men. Wei­ter gehts zur eigent­li­chen Attrak­tion, die auf dem Pro­gramm steht. „Nueva Espe­ranza“ ist ein sehr gro­ßer Fried­hof, angeb­lich der zweit­größte der Welt, wer weiß das schon, auf jeden Fall nimmt auch er wie die Häu­ser­rei­hen kein Ende. Wir stei­gen aus, lau­fen ein biss­chen in den Fried­hof hin­ein und las­sen uns von der selt­sa­men Stim­mung, die dort herrscht, gefan­gen neh­men. Auf ein­mal umfängt uns etwas, das wir schon seit zwei Tagen ver­mis­sen: Stille. Es ist ruhig hier, ganz plötz­lich ist nichts mehr von den Geräu­schen der Stadt hin­ter uns zu hören. Hier wirkt der Nebel nicht mehr wie ekel­haft trü­ber Smog, son­dern wie ein magi­scher Schleier, der uns umschließt und die Außen­welt ausblendet.

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Um uns herum auf ein­mal grün, die Hügel sind vol­ler im Kon­trast zur vor­he­ri­gen Sze­ne­rie fast leuch­tend grü­nem Gras. Ein­mal mehr die Erin­ne­rung daran, dass Lima trotz der Wüs­ten­lage ein­mal eine para­die­sisch grüne Stadt gewe­sen sein muss – zumin­dest im Win­ter, wenn das Kon­dens­was­ser des Mee­res sich über dem Küs­ten­strei­fen absetzt und somit ein natür­li­ches Bewäs­se­rungs­sys­tem schafft. Erst mit den vie­len vie­len Men­schen, die zuzo­gen, die Hügel an Hügel in Beschlag nah­men und sich hier ihre Exis­tenz neu auf­bau­ten, nach­dem sie vor Gewalt und Ver­fol­gung oder auch ein­fach vor der Armut aus den Ber­gen geflo­hen waren, wurde das grün zu grau und die Vege­ta­tion zu Staub und Sand.

Alles grünt, und zwi­schen dem Grün die Grä­ber, die sich eigent­lich gar nicht so sehr von den Häu­sern Limas unter­schei­den. Ein Stock­werk aus Beton wird aufs andere gesta­pelt, aus dem Dach lässt man die Metall­stäbe her­aus­schauen, um pro­blem­los ein neues Stock­werk anbauen zu kön­nen, perua­ni­scher Prag­ma­tis­mus eben, auch im Ange­sicht des Todes. Es gibt auch kleine ein­fa­che Grä­ber, nur ein Stein­hau­fen und dahin­ter ein Kreuz aus dunk­lem Holz, auf das mit Kreide Lebens­da­ten und Namen der Ver­stor­be­nen geschrie­ben wur­den. Wir lau­fen über den Fried­hof, lesen die Namen, damals sagen mir die Namen nichts, heute weiß ich, dass Quispe der häu­figste indi­gene Name in Peru ist und dass auch Hua­mani oder Mamani typisch indi­gene Namen sind, und ich weiß auch, dass man sich nicht dar­über wun­dern muss, dass auf einem Fried­hof in einem der ärms­ten Teile Limas eher Men­schen mit indi­ge­nen Nach­na­men begra­ben liegen.

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Der Fried­hof ist leer, auch ver­ständ­lich an einem Sams­tag­nach­mit­tag, nur ganz in der Ferne lässt eine Fami­lie einen Dra­chen stei­gen. An man­chen Grä­bern zeu­gen leere Bier­fla­schen von der Anteil­nahme der Fami­lie oder der Freunde, es ist nor­mal, auf Beer­di­gun­gen auch ein­fach die Zeit zu fei­ern, die der Tote auf der Erde ver­bracht hat. Tod und Leben, das sind zwei Dinge, die im indi­ge­nen Den­ken des andi­nen Peru untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den sind, das eine kann ohne das andere nicht exis­tie­ren. Die Fried­hofs­sze­ne­rie wird unwirk­lich, als ein Mann dort anfängt, die Stille zu unter­bre­chen und auf einem Akkor­deon ein Lied zu spie­len. Ich nehme mir fest vor, zurückzukommen.

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1. Novem­ber 2011.
Der erste Novem­ber ist für viele wohl ein­fach der Tag nach Hal­lo­ween, in katho­lisch gepräg­ten Gegen­den jedoch immer noch Aller­hei­li­gen. In Latein­ame­rika ist an die­sem Tag kol­lek­tiv die Hölle los, am bekann­tes­ten sind wohl die Fei­ern in Mexiko mit Sär­gen oder Toten­schä­deln aus Mar­zi­pan und Zucker­masse. Doch auch in Peru wol­len wir uns das nicht ent­ge­hen las­sen und ich fahre mit eini­gen Freun­den in Rich­tung Nueva Espe­ranza. Auf eigene Faust machen wir uns auf den Weg, tref­fen uns an einer zen­tra­len Stelle, ein paar Freunde kom­men zu spät, die Hal­lo­ween-Party ges­tern ging ein biss­chen zu lang. Vom Bus aus neh­men wir ein Taxi, der Fah­rer sagt uns jedoch schon beim Ein­stei­gen, dass er nicht ganz bis zum Fried­hof fah­ren kann – zu viel Gedränge auf den Stra­ßen. Ich bin seit fast drei Mona­ten in Peru, eigent­lich noch gar nicht lang, irgendwo zwi­schen dem anfäng­li­chen Alles-span­nend-fin­den und dem Gefühl, dass die Erleb­nisse doch lang­sam zwi­schen dem All­tag ver­schwin­den. Ein Aus­flug nach Villa Maria ist doch noch etwas Beson­de­res, so oft bin ich nicht in den Pue­blos Jóve­nes rund um Lima unterwegs.

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Pue­blo Joven, ich habe den Begriff mögen gelernt. Er zeigt so gut eine Sache, die viele Men­schen in Peru immer wie­der sagen und den­ken: Es un pro­ceso, es ist ein Pro­zess. Alles ist ein Pro­zess, nichts muss von heute auf mor­gen per­fekt sein. Die Arbeit ist ein Pro­zess, der Haus­bau genauso, des­halb wird erst ein­mal das Erd­ge­schoss gebaut und dann wei­ter auf­ge­stockt, wenn wie­der Geld da ist. Inzwi­schen, mit ein biss­chen Abstand zu mei­nem Jahr in Peru und vor allem mit Wis­sen über das phi­lo­so­phi­sche, soziale und poli­ti­sche Den­ken in Latein­ame­rika und Peru im Spe­zi­el­len, weiß ich auch, dass in der Lite­ra­tur vie­les ein Pro­zess ist: Der ganze Kon­ti­nent, Latein­ame­rika, wird sel­ten als gege­ben vor­aus­ge­setzt, immer heißt es, Latein­ame­rika ist ein Pro­zess, ist eine Zukunfts­vi­sion, eine Art Uto­pie, die es umzu­set­zen gilt. Es un pro­ceso, das zeigt die prag­ma­ti­sche „Machen“-Einstellung, die viele Men­schen in Peru haben – alles wird jeden Tag ein biss­chen bes­ser, mit der Hilfe der Men­schen, die betei­ligt sind. So ist auch ein Pue­blo Joven eben dem Wort nach kein Slum, son­dern ein jun­ges Dorf, ein jun­ger Stadt­teil, der gerade erst ent­stan­den ist und der eben noch so chao­tisch und arm ist, weil es ihn erst seit kur­zer Zeit gibt. Der sich aber auch ändern kann und das wohl bald wird, weil jeden Tag jeder Ein­woh­ner und jede Ein­woh­ne­rin sich für die Ver­bes­se­rung einsetzt.

Die Pue­blos Jove­nes rund um Lima sind vor allem in den acht­zi­ger Jah­ren ent­stan­den, als in den Anden bür­ger­kriegs­ähn­li­che Zustände zwi­schen Gue­rilla-Grup­pen und dem Mili­tär herrsch­ten. Die damals schlimmste und größte Gue­rilla-Gruppe „Sen­dero Lumi­noso“, Leuch­ten­der Pfad, mar­schierte in Dör­fer ein, erklärte diese als „befreit“ und brachte alle um, die sich dem ent­ge­gen setz­ten. Das Mili­tär war über­for­dert damit, dass die Gue­rilla-Kämp­fer zwi­schen den Zivi­lis­ten nicht erkenn­bar waren und brachte in man­chen Dör­fern vor­sorg­lich alle jun­gen Män­ner um. Obwohl der Krieg mit Atten­ta­ten und Auto­bom­ben nach eini­ger Zeit auch in die Haupt­stadt kam, ver­sprach das Leben dort wenigs­tens ein biss­chen Schutz vor der grau­sa­men Will­kür der Ter­ro­ris­ten und der staat­li­chen Gewalt. Zwi­schen 1980 und 2000 wuchs die Bevöl­ke­rung Limas von unter vier auf über sechs Mil­lio­nen an. Zumeist wur­den Hügel ein­fach über Nacht besetzt, viele Fami­lien ver­ab­re­de­ten sich und bau­ten gemein­sam über Nacht pro­vi­so­ri­sche Wohn­häu­ser auf, plan­ten dabei oft sogar vor und lie­ßen Flä­chen für Stra­ßen oder Schu­len frei. In den Wochen, Mona­ten, Jah­ren und Jahr­zehn­ten dar­auf wur­den aus pro­vi­so­ri­schen Holz­hüt­ten mit Well­blech- oder Bast­dä­chern fest beto­nierte Häu­ser aus Zie­geln. Wände wur­den ver­putzt, Fens­ter ein­ge­baut, Tape­ten an die Wände gehan­gen, Möbel und Fern­se­her gekauft und alles ein­ge­rich­tet, jeden Tag ein biss­chen bes­ser eben. Geschäfte wur­den eröff­net, ein Markt auf­ge­baut, Restau­rants gegrün­det, Busse fuh­ren zwi­schen den Häu­sern umher. Irgend­wann zog auch die Regie­rung nach, in einem Stadt­teil frü­her, in einem ande­ren spä­ter, und brachte eine Kana­li­sa­tion, Strom, Schu­len, beto­nierte Stra­ßen und die bekann­ten gel­ben Trep­pen, die man aus der Ferne sieht. Und in zwei oder fünf Jah­ren wird es den Men­schen und wird es dem Stadt­teil noch bes­ser gehen.

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Aller­hei­li­gen um Nueva Espe­ranza, den zweit­größ­ten Fried­hof der Welt, herum gleicht einem Volks­fest. Ich ver­stehe den Taxi­fah­rer, als ich es sehe: Men­schen schie­ben sich durch die Stra­ßen, ein gro­ßes Karus­sell ist auf­ge­baut, über­all an den Sei­ten Stände, die Blu­men und Ker­zen, aber auch Mit­tag­essen und Getränke ver­kau­fen. Wir stei­gen aus, kämp­fen uns durch die Straße, ich fühle mich wie so oft in Lima über­for­dert auf­grund der vie­len Ein­drü­cke, die auf mich her­ab­pras­seln. Auf dem Fried­hof ein kol­lek­ti­ves Gewu­sel, er ist fast nicht wie­der­zu­er­ken­nen. Das grelle Grün ist einem Hell­braun­ton gewi­chen, Nebel gibt es heute nicht, doch der Him­mel ist immer noch grau. Auf den schma­len Wegen des Fried­hofs bei­nahe end­lose Schlan­gen an Moto­ta­xis, dem bevor­zug­ten Ver­kehrs­mit­tel in den Pue­blos Jove­nes. Wir setz­ten uns etwas erhöht auf ein Grab, des­sen Bewoh­ner heute wohl kei­nen Besuch bekom­men hat, und schauen dem Trei­ben zu. Über­all Fami­lien, die an Grä­bern her­um­bas­teln, Unkraut wird gejä­tet, Steine und Kreuze wer­den neu posi­tio­niert, Müll ent­sorgt, Blu­men abge­legt. Die Fami­lie neben uns führt einen hef­ti­gen Streit über irgend­ein Detail der Grab­ge­stal­tung, die Oma scheint davon gar nicht begeis­tert. Lau­tes Stim­men­ge­wirr, dazwi­schen das kon­stante Brum­men der Moto­ta­xis und die Rufe der Ver­käu­fer, die Snacks und Getränke an den Mann oder die Frau brin­gen möch­ten. „Mani­m­ani­m­ani­mani, gas­eo­sas hel­aaaaa­das!“ Na, so ein küh­les Bier oder eine Inca Kola auf dem Fried­hof, und dazu ein paar Erd­nüsse knab­bern? Was uns viel­leicht komisch erschei­nen mag, ist hier ganz nor­mal. In ganz Latein­ame­rika gibt es einen ande­ren Umgang mit dem Tod als in Deutsch­land und wohl auch dem Rest von Europa. Viel­leicht fußt das auf den Vor­stel­lun­gen der indi­ge­nen Kul­tu­ren, die auch heute und sogar noch in einer Mil­lio­nen­stadt wie Lima fort­wir­ken. Wer durch ein zykli­sches Welt­bild geprägt wurde und weiß, dass alles wie­der­kehrt, der sieht dem Tod viel­leicht mit weni­ger Furcht ent­ge­gen. Noch dazu gehö­ren bei­spiels­weise auch Geis­ter in Peru zum all­täg­li­chen Leben dazu und sind nichts, wovor man sich zwin­gend fürch­ten muss.

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Zu einer bestimm­ten Uhr­zeit sol­len eigent­lich die Toten aus dem Him­mel auf die Erde zurück­kom­men, doch der Him­mel bleibt unver­än­dert grau. Ich höre auch, dass viele Men­schen an Aller­hei­li­gen tat­säch­lich ein­fach zu Hause blei­ben, denn der Tote, der aus dem Him­mel kommt, könnte ja in sei­nem alten Haus nach sei­nen Liebs­ten suchen – in Form einer dicken grü­nen Fliege. Wie­der eine die­ser sym­pa­thi­schen Momente, in denen sich Him­mel und Erde, Über­sinn­li­ches und Mensch­li­ches, Wis­sen­schaft und Glaube begeg­nen. Ich sitze auf dem Fried­hof und denke, dass viel­leicht nie­mand vom Him­mel her­un­ter­kam, aber dass in Peru der Him­mel, das Über­sinn­li­che, ganz sicher näher an der Erde ist als in Deutsch­land. Es gibt so viele Berüh­rungs­punkte zwi­schen Mensch­li­chem und Nicht­mensch­li­chem oder zwi­schen Leben und Tod, so viele Momente und so viele Orte, in denen der Glaube an eine andere Macht, an Geis­ter, an Ali­ens oder ein­fach irgend­et­was plötz­lich ganz leicht fällt. Wenn ich in Peru über Geis­ter­ge­schich­ten oder Berichte über Tote, die in Form von grü­nen Flie­gen auf dem hei­mi­schen Fens­ter­brett umher­spa­zier­ten, lachen musste, fragte man mich oft ganz ungläu­big, ob es in Deutsch­land denn keine Geis­ter und nichts Über­na­tür­li­ches gebe. Inzwi­schen weiß ich, was ich dar­auf ant­wor­ten muss, nein, all das gibt es nur in Peru, wo Him­mel und Erde näher zusam­men­lie­gen als sonst auf der Welt, und das nicht nur wegen der Nebeldecke.

 

 

Cate­go­riesPeru
Ariane Kovac

Hat ihr Herz irgendwo zwischen Lamas und rostigen Kleinbussen in Peru verloren. Seitdem möchte sie so viel wie möglich über andere Länder und Kulturen erfahren - wenn möglich, aus erster Hand.

Wenn sie gerade nicht unterwegs sein kann, verbringt sie viel Zeit damit, den Finger über Landkarten wandern zu lassen und ihre eigene Heimat ein bisschen besser zu erkunden, am liebsten zu Fuß. Immer dabei, ob in Nähe oder Ferne: Kamera und Notizbuch, denn ohne das Schreiben und das Fotografieren wäre das Leben für sie nicht lebenswert.

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  3. Sonja says:

    Ein tol­ler Bericht Ariane. Genauso sollte man Peru erle­ben und auto­ma­tisch hat man sein Herz auch schon ver­lo­ren. Wei­tere Peru Berichte wer­den sehn­süch­tig erwartet ;)

  4. Robert says:

    Vie­len Dank für die­sen Bericht abseits von Tou­ris­ten und Glanz. Ich kann mir gut vor­stel­len, dass die Stadt erschla­gend und irgend­wie auch been­gend ist. Das sind Zustände, die einem aus Europa ein­fach nicht bekannt sind. Ich finde es wun­der­bar, wie offen du dar­über schreibst. 

    Grüße aus St. Leonhard

    1. Ariane Kovac says:

      Danke! Freut mich, dass dir der Arti­kel gefal­len hat. Ich hoffe, ich konnte damit einen klei­nen Ein­blick in die „Slums“ oder Außen­be­zirke von Lima geben – und zei­gen, dass vie­les dort um eini­ges dif­fe­ren­zier­ter ist, als man es von außen viel­leicht anneh­men würde.

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