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Episoden einer Segelreise

Eine Woche mit Frem­den auf engs­tem Raum. Zuge­ge­ben, das hört sich erst­mal nicht so geil an. Wenn man dann aller­dings erläu­tert, dass die Unbe­kann­ten alle­samt ent­spannte und tole­rante Men­schen sind und es sich bei der Räum­lich­keit um eine Segel­yacht han­delt, ja, dann klingt das gleich ganz anders. Viel­mehr nach Wunsch­traum. Mit Join The Crew wird’s Wirk­lich­keit. Was in einer sol­chen Woche so pas­siert? So einiges…

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Der Hafen ist noch in Sicht­weite, erst vor weni­gen Minu­ten haben wir das Able­ge­ma­nö­ver erfolg­reich gemeis­tert und den Tru­bel der Stadt Palma hin­ter uns gelas­sen. Wir steu­ern aufs offene Meer hin­aus, als ich Annas leuch­tende Augen und ihr brei­tes Grin­sen bemerke. „Bei kei­nem ande­ren Urlaub schalte ich so schnell ab, wie beim Segeln. Arbeit? All­tag? Schon ganz weit weg!“

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Unser Skip­per Mar­kus schal­tet den Motor aus. Auf die­sen Moment freut er sich bei jedem Törn: „Das erste Segel­set­zen ist immer etwas beson­ders!“ Es folgt Stille. Laut­los glei­ten wir über das Was­ser – ohne jeg­li­chen Treib­stoff. Las­sen uns tra­gen von dem dyna­mi­schen Zusam­men­spiel von Wind und Segel.

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Die Wet­ter­vor­her­sage ver­spricht Wind und Wel­len. „Lie­ber Inhalt kot­zen, als Magen­säure!“, lau­tete der Rat von Mar­kus am Früh­stücks­tisch, also habe ich ordent­lich zuge­langt. Inzwi­schen befin­det sich das Boot in Schräg­lage, mir ist übel.
Mar­kus hat noch mehr Weis­hei­ten parat. Eine davon lau­tet: „Wenn einer kotzt, kot­zen alle. Das ist die soge­nannte Kotz­ket­ten­re­ak­tion.“ Dafür will ich auf kei­nen Fall ver­ant­wort­lich sein. Ich ver­su­che ich mich dar­auf zu kon­zen­trie­ren, mei­nen Magen­in­halt nicht im hohen Bogen über die Reling zu kata­pul­tie­ren. Das geht so: Auf die Atmung fokus­sie­ren, nach vorne schauen und mit den Augen einen Punkt am Hori­zont fixieren.

„Auf einer Skala von 1 bis 10, eins heißt es geht dir gut, zehn heißt kot­zen, wo bist du?“ – „Neun“, denke ich mir, sagen tue ich: „Sechs, so unge­fähr…“ – „Bist du fit genug, um das Steuer zu über­neh­men? Das wird dich ablen­ken.“ Leicht ner­vös greife ich nach dem Steu­er­rad. Mar­kus erklärt mir in wel­chem Win­kel Wind und Segel auf­ein­an­der tref­fen sol­len. Das Steu­ern erfor­dert eini­ges an Kraft, wenn die Wel­len gegen das Ruder drü­cken. Das flaue Gefühl ist bald weg, mein Magen beru­higt sich. Und: Es macht Spaß! Den Wind in die Segel zu bekom­men, das Auf und Ab in den Wellen.

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3… 2… 1… „Klatsch!“ André hält sich die Nase zu und springt irgendwo ins Nir­gendwo, mit­ten in die Balea­ri­sche See. Es ist Flaute, wir bewe­gen uns kaum vom Fleck. Die per­fekte Aus­gangs­lange für eine Bade­pause. Mei­nen Bikini trage ich bereits unter mei­nem Som­mer­kleid, wie prak­tisch. Also rein da! Rein ins kalte Nass! Ich tau­che unter. Tau­che wie­der auf. Schaue mich um. Über­all das tiefe Blau des Mee­res, in der Ferne die Küs­ten­land­schaft Mallorcas.

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Die Däm­me­rung setzt ein. Wäh­rend Marit und Sebas­tian unter Deck im Koch­topf rüh­ren und das Abend­essen zube­rei­ten, hal­ten wir Ande­ren je ein gekühl­tes Dosen­bier in der Hand und sit­zen gemüt­lich bei­sam­men. Anna berich­tet von ihrem letz­ten Segel­törn. Damals war sie in einer Flot­tille unter­wegs, also mit meh­re­ren Segel­boo­ten, das heißt auch mit mehr Leu­ten. „Es gab einige Flirts und Lie­be­leien. Ist ja auch irgend­wie logisch; die Leute sind im Urlaub, wol­len eine gute Zeit haben, da pas­siert das schon mal! Zu dem Thema kann der Herr Skip­per bestimmt auch was erzäh­len!“ Mar­kus lacht. „Ihr Mädels seid so ein­fach gestrickt, ihr steht halt auf den Chef. Als Skip­per hat man so echt ein leich­tes Spiel und kann sich eine aus der Crew aussuchen.“

„Was ist denn das für einer?“, denke ich mir, empört über diese Aus­sage, die halb im Scherz, aber eben doch halb ernst gemeint ist. Als eman­zi­pierte Frau will ich das nicht auf mir sit­zen las­sen, will wider­spre­chen. Ich will schon den Mund auf­ma­chen, da halte ich plötz­lich inne. Eigent­lich… gefällt er mir ganz gut, die­ser Mar­kus, mit sei­nen lus­ti­gen Sprü­chen und der direk­ten Art. Ob es auch damit zusam­men­hängt, dass er der­je­nige ist, der die Anwei­sun­gen gibt und selbst­be­wusst hin­ter dem Steuer steht? Ob er mit sei­ner Aus­sage gar recht hat? Nein, schnell ver­dränge ich den Gedan­ken. ICH steh sicher NICHT auf den Chef ;-)

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Unter uns liegt der Anker ver­gra­ben im Sand einer ein­sa­men Bucht. Wir lie­gen wind­ge­schützt, ganz sanft wer­den wir hin und her geschau­kelt. Über uns fun­keln tau­sende Sterne. Wir schauen in den Him­mel hin­auf, erken­nen die Milch­straße. Minu­ten ver­strei­chen, eine halbe Stunde. Gemein­sam den­ken wir uns Stern­bil­der aus. „Da drü­ben, schaut, da ist das große Segel!“ „Und hier das Pau­schal­reise-Kreuz­fahrt­schiff!“ Wir fin­den uns super witzig.

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„In drei Minu­ten fahre ich zur Burg!“, Mar­kus Stimme reißt mich aus mei­nen Träu­men. Schlaf­trun­ken reibe ich meine müden Augen. Drei Minu­ten? Also jetzt oder nie! Ich streife den Schlaf­sack ab, zieh mir has­tig was an, pack noch schnell einen Müs­li­rie­gel und eine Fla­sche Was­ser in die Tasche und schon fah­ren wir zu dritt mit dem Schlauch­boot ans Ufer. Nur André und ich haben es aus den Federn geschafft. Der Rest der Crew schläft noch.

Ein kur­zer Auf­stieg zur Burg, dann wan­dert unser Blick auf die Bucht hin­un­ter, in wel­cher wir die letzte Nacht ver­bracht haben. Wir sehen unsere Segel­yacht in mit­ten vie­ler ande­rer. Weiße Punkte auf Blau. Cabrera! Welch wun­der­schö­nes Fleck­chen Erde!

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Da sind sie wie­der – die Hotel­kom­plexe von Palma. Der Hafen, die Men­schen, die Hek­tik und der All­tag, wel­cher Zuhause auf uns war­tet. Das Leben geht wei­ter. Mir scheint, als könnte ich die Sor­gen sehen, die wir bei der Abfahrt über Bord gewor­fen haben. Ordent­lich auf­ge­häuft am Pier. Sie sind noch da, aber sie sind wesent­lich klei­ner und unbe­deu­ten­der, denn sie tref­fen auf einen erhol­ten Geist.

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Die letzte Nacht ver­brin­gen wir im Hafen. Um Beschwer­den wegen Ruhe­stö­rung vor­zu­beu­gen, ver­le­gen wir unsere Boots­party nach drin­nen. Kaum sind alle Luken geschlos­sen, dreht Sarah auch schon die Musik auf. Dann zap­peln wir im Takt. Wir tan­zen und tan­zen und tan­zen. Eine Fla­sche Ouzo macht die Runde. Es ist heiß und sti­ckig, doch das ist uns egal.

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Wir wol­len zum Strand. Sofia, Sebas­tian und ich – alle Ande­ren lie­gen bereits in ihren Kojen. Nackt sprin­gen wir ins Was­ser. Es ist ange­nehm warm. Viel­leicht ist es aber auch der Alko­hol in mei­nem Blut, der mein Hirn aus­trickst und mein Käl­te­emp­fin­den trügt. Nach einer Weile wird es doch frisch. Frös­telnd schwimme ich zum Strand zurück. Auf dem Weg zu mei­nem Kla­mot­ten-Häuf­chen bleibt Sand an mei­nen Füßen haf­ten, der sich über­all ver­teilt, als ich in meine Hose schlüpfe.

Bar­fuß und glück­lich lau­fen wir zur Yacht zurück. Inzwi­schen ist es halb sechs Uhr mor­gens. Um acht wird der Wecker klin­geln, um neun ist Boots­ab­gabe. „Eigent­lich könn­ten wir auf den Son­nen­auf­gang war­ten und dann gleich wach blei­ben!“, sage ich und die ande­ren bei­den nicken müde. Zwei Minu­ten spä­ter sind wir eingeschlafen…

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Wir sit­zen im Restau­rant, vor uns lie­gen mit ein paar rest­li­chen Brot­krü­mel bedeckte Früh­stück­stel­ler. Die Kaf­fee­tas­sen sind auch schon leer. Marit steht als erste auf. Ich bleibe trot­zig noch ein paar Sekun­den sit­zen, in der Absicht die bevor­ste­hende Abschieds­szene hin­aus­zu­zö­gern. Eine Woche lang waren wir in unse­rer eige­nen klei­nen Welt. Aus Frem­den wurde eine kleine Fami­lie. Viel­leicht werde ich den Einen oder Ande­ren irgend­wann wie­der­se­hen. Ich hoffe es.

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Die Sonne scheint. Ich kriege davon nichts mit. Als ich mit ver­kleb­ten, müden Augen auf die Uhr schaue, ist es bereits spä­ter Nach­mit­tag. Ich liege noch im Bett mei­ner Unter­kunft in Santa Cata­lina und habe soeben drei­zehn Stun­den durch­ge­schla­fen. Die Nacht zuvor war kurz und hat ihre Spu­ren hinterlassen.

Nach einer kal­ten Dusche fühle ich mich fit und wie­der pudel­wohl. Im Spie­gel betrachte ich mei­nen Kör­per, über­all erzäh­len blaue Fle­cken vom Segel­aben­teuer. „Das möchte ich wie­der mal machen!“, schießt es mir durch den Kopf. Ich muss schmun­zeln. Kaum an Land, freue ich mich bereits auf die nächste Segel­reise. Ein gutes Zei­chen. Die Fas­zi­na­tion des Segelns hat mich gepackt. Ich klappe den Lap­top auf und schaue mich auf der Web­seite von Join The Crew um. Die Törns sind beliebt, einige sind schon aus­ge­bucht, doch es gibt noch Plätze für die­sen Som­mer! Das Kon­zept über­zeugt. Nette Leute zwi­schen 20 und 35 Jah­ren, meist junge Berufs­tä­tige oder Stu­den­ten. Alle packen mit an. Alle wol­len gemein­sam eine schöne Zeit verbringen.

Côte d’A­zur, Ost­see, Elba, Kroa­tien, Thai­land, Kari­bik?  Ich ver­su­che mich zu ent­schei­den. Wer weiß, viel­leicht bin ich schon ganz bald wie­der unter Segeln unter­wegs… Kommst du mit?

Danke an Join The Crew für die Ein­la­dung. Es war mir eine Freude.

Cate­go­riesSpa­nien
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  2. Kathrin says:

    Schö­ner Bei­trag! Ich war die­ses Jahr mit JTC auf den Sey­chel­len und auf Mal­lorca unter­wegs und muss sagen, es macht defi­ni­tiv süch­tig! Ich freue mich schon auf den nächs­ten Törn :)

  3. Lisa says:

    Wow! Wie beein­dru­ckend! Ein sehr schö­ner Post.. und nei­disch macht er zugleich auch. Sowas tol­les würde ich auch mal gerne erleben!
    Herz­lichst, Lisa

    1. Norah says:

      Liebe Lisa,
      danke dir! Ich hoffe sehr, dass dein Wunsch bald in Erfül­lung geht. Und wenn es soweit ist, wün­sche ich dir eine wun­der­volle Zeit unter Segeln!

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