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Ein Lächeln in der Ausstellung

Mexiko, Sep­tem­ber 2009.

Drei Wochen bin ich schon in Mexiko. Ich kenne nur wenige Leute, ver­bringe aber viel Zeit mit einem befreun­de­ten Künst­ler und sei­nem Hund. Eine Woche noch, dann werde ich die mexi­ka­ni­sche Haupt­stadt ver­las­sen und meine Reise in den Nor­den zur Grenze zwi­schen den USA und Mexiko antreten.Eines Tages bekomme ich einen Anruf: Der Künst­ler fragt mich, ob ich nicht mit­kom­men wolle in eine Aus­stel­lung, in der junge, euro­päi­sche Kunst gezeigt wird. Ich mag, was junge Krea­tive fernab vom Main­stream pro­du­zie­ren und sage zu. Ein paar Stun­den spä­ter stehe ich gemein­sam mit dem Künst­ler und sei­nem Hund in der gro­ßen Halle, in der unter­schied­lichste Bil­der und Instal­la­tio­nen gezeigt werden.

Kurz nach unse­rer Ankunft ist mein Freund zwi­schen den Men­schen ver­schwun­den und in Gesprä­che mit Bekann­ten ver­tieft. Ich beginne, mir die Aus­stel­lung anzu­schauen, gehe lang­sam von Bild zu Bild, von Instal­la­tion zu Instal­la­tion, von Video zu Video. Als ich nach eini­ger Zeit alles gese­hen habe und mich auf die Suche nach dem Künst­ler mache, ist die­ser noch immer in Gesprä­che ver­wi­ckelt. Ich will nicht stö­ren, zu ange­regt scheint die Dis­kus­sion. Etwas gelang­weilt schlei­che ich durch die Aus­stel­lungs­halle und beginne schließ­lich, die Besu­cher in ihren Inter­ak­tio­nen zu beob­ach­ten. Alle schei­nen sich zu ken­nen, offen­bar ist es diese ein­ge­schwo­rene Under­ground-Szene an Krea­ti­ven, die sich hier trifft.

Mich scheint nie­mand zu beach­ten. Inmit­ten unzäh­li­ger Men­schen über­kommt mich das leise Gefühl von Ein­sam­keit. Ich ver­su­che es abzu­schüt­teln. In die­sem Moment kommt mir ein Mann ent­ge­gen und fixiert mich mit den Augen. Er lächelt mich an. Und geht an mir vor­bei. Ich schaffe es nicht, zurück­zu­lä­cheln, aber inner­lich macht sich jetzt das Gefühl klei­ner Freude breit. Ich bin nicht kom­plett unsichtbar.

Etwas über­wäl­tigt von die­sem Gefühl gehe ich wei­ter. In der Menge sehe ich den Künst­ler und beschließe, mich jetzt doch zu ihm und sei­nen Freun­den zu gesel­len. Etwas unschlüs­sig stehe ich dane­ben, ich ver­stehe nur wenig, um was es in der Dis­kus­sion geht, zu tief sind sie in das Thema schon ein­ge­taucht. Ich über­lege, nach Hause zu fah­ren, aber ich weiß nicht genau, wie ich das anstel­len soll. Wir sind mit dem Taxi gekom­men und ich weiß nicht wirk­lich, wo in die­ser Mega­stadt wir uns befin­den. Wäh­rend ich über mein klei­nes Pro­blem nach­grüble, steht der Mann plötz­lich auch bei der Gruppe. Er lächelt mich an, redet kurz mit dem Künst­ler und ist sogleich wie­der von der Bild­flä­che verschwunden.

Nach einer Weile beschlie­ßen der Künst­ler, sein Hund und ich dann doch, uns auf den Weg nach Hause zu machen. Als wir beim Aus­gang der Halle auf ein Taxi war­ten, fragt er mich, ob es ein Pro­blem wäre, wenn wir noch bei einem Freund vor­bei­schauen. Ich ver­neine, freue mich auf neue Leute. Als wir bei der Woh­nung des Freun­des ankom­men, klin­geln und die­ser die Türe öff­net bin ich dann aber doch sprach­los: es ist der lächelnde Mann aus der Ausstellung.

Cate­go­riesMexiko
Hanna Silbermayr

Oft sind es die kleinen Dinge, die uns zum Staunen bringen. Begegnungen und Gespräche, die zum Nachdenken anregen, uns einen Moment innehalten lassen in einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, uns ein Lächeln entlocken.

Solche Momente möchte ich nicht für mich behalten, sondern mit Euch teilen. Ich, das ist eine ausgebildete Grafikdesignerin, studierte Romanistin und Politikwissenschaftlerin, die im Namen des Journalismus immer wieder in Lateinamerika unterwegs ist. Demnächst wohnungslos und in stetiger Bewegung.

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