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Dunkles Wasser, wilde Hunde und trinkfreudige Andenbewohner

Eine Wan­de­rung durch das Anden­hoch­land Ecua­dors führt über den Qui­lo­toa Loop. Wir sind drei Tage auf die­ser Schleife unter­wegs und bekom­men wild­ge­wor­dene Hunde und trink­freu­dige Anden­be­woh­ner zu Gesicht. Aber ins­be­son­dere die dun­kel schim­mernde Qui­lo­toa-Lagune bleibt in unse­rem Gedächtnis. 

Grün­blau und inten­siv schim­mert das Was­ser der Qui­lo­toa-Lagune. Lila­far­bene Blu­men wehen am Kra­ter­rand in der wuch­ti­gen Brise. Ich bin in die­sem Moment von der Schön­heit des Kra­ter­sees über­wäl­tigt. Ein­deu­tig: Der Anblick der Lagune ist der Höhe­punkt unse­rer drei­tä­gi­gen Wan­de­rung durch das ecua­do­ria­ni­sche Anden­hoch­land süd­öst­lich von Quito. Doch der Qui­lo­toa Loop, auf dem wir unter­wegs sind, hat noch mehr zu bieten.

Tag 1: Von Lata­cunga über Zum­ba­hua nach Quilotoa

Die meis­ten Wan­de­rer neh­men Lata­cunga als Aus­gangs­ba­sis für den Qui­lo­toa Loop. Wir auch. Denn von die­ser Stadt fah­ren Busse nach Zum­ba­hua, wo jeden Sams­tag ein Markt statt­fin­det, auf dem nicht nur Umhänge oder Gemüse, son­dern auch Tiere wie Lamas zum Kauf ange­bo­ten werden.

Hunde streu­nen zwi­schen den Markt­stän­den umher. Alte, zahn­lose Frauen, die alle einen Bow­ler Hat – ein für die Anden typi­scher Hut – tra­gen, mus­tern uns. Zu einer freund­lich drein­bli­cken­den Frau set­zen wir uns, an ihre mobile, kleine Küche. Sie ser­viert uns Lla­ping­a­chos. Eine Art Pfann­ku­chen aus Käse und Kar­tof­feln. Einen US-Dol­lar zah­len wir dafür.

Wir ver­ab­schie­den uns gut gestärkt aus Zum­ba­hua. Bereits auf dem Weg aus dem Dorf spre­chen uns Män­ner an, die uns mit ihren Autos nach Qui­lo­toa brin­gen möch­ten. Die meis­ten ver­lan­gen einen US-Dol­lar pro Per­son für die rund 14 Kilo­me­ter lange Stre­cke. Wir wol­len aber gar nicht mit­fah­ren – und leh­nen des­we­gen dan­kend ab. Wir haben ande­res vor: Denn wir wan­dern nach Qui­lo­toa, unser Ziel für den heu­ti­gen Tag.

Es geht ent­lang der asphal­tier­ten, geschwun­ge­nen Straße. Zuerst eine leichte Stei­gung, vor­bei an Hüt­ten mit Blech- oder Stroh­dä­chern der Land­be­woh­ner. Fette Schweine sind in den Gär­ten an Pfähle gebun­den. Und Hunde gibt es auch. Immer wie­der diese Hunde. Meis­tens meh­rere pro Grund­stück. Und in der Regel sehr aggres­siv. Sie stür­men in Rich­tung Straße, in unsere Rich­tung. Wir blei­ben ste­hen, bli­cken in ihre wild­ge­wor­de­nen Augen, erhe­ben unsere Hände, in denen ein Stein zwi­schen unsere Fin­ger geklemmt ist. Wir gehen auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs. Und dies funk­tio­niert. Mal schnel­ler, mal lang­sa­mer hört das Knur­ren und Bel­len auf. Schad­los kom­men wir davon.

Das ist gut so. Denn mehr und mehr brei­tet sich das Anden­pan­orama vor uns aus, das uns – trotz vie­ler Wochen in die­ser Region – immer noch nicht lang­weilt. Ganz im Gegen­teil: An die­sem Tag war­tet die Land­schaft wie­der ein­mal mit beson­de­ren Rei­zen auf. Es ist das Ende der Tro­cken­zeit, und dem­entspre­chend domi­nie­ren mitt­ler­weile die Far­ben Braun und Gelb die Anden­hänge. Die meis­ten Fel­der wur­den von den Bau­ern schon abge­ern­tet und danach abge­brannt, dies dient als Vor­be­rei­tung für den erneu­ten Anbau.

Am Stra­ßen­rand ent­de­cken wir immer wie­der Bewoh­ner, die zwi­schen ihren Scha­fen, die auf dem karg aus­se­hen­den Boden nach Fress­ba­rem suchen, umher­strei­fen. Im Tal erken­nen wir zudem einen Fuß­ball­platz, auf dem momen­tan ein Spiel aus­ge­tra­gen wird und das Grün dem Staub gewi­chen ist. Nach eini­gen Kilo­me­tern errei­chen wir einen Gra­ben, der in die Tiefe abfällt. Wir machen eine Pause.

Einige Minu­ten spä­ter bre­chen wir wie­der auf. Es geht wei­ter durch die Pára­mos, wie die Land­schaft in die­ser Region genannt wird. Euka­lyp­tus­bäume und Kie­fern sprie­ßen gele­gent­lich aus dem Boden. Grüne Farb­tup­fer. Der Him­mel strahlt größ­ten­teils im hel­len Blau. Weiße Wol­ken zie­hen über die Berg­kette hinweg.

Nach unge­fähr vier Stun­den kom­men wir in der auf rund 4.000 Metern gele­ge­nen Ort­schaft Qui­lo­toa an. Einige Hotels ste­hen fast am Rand des rie­si­gen Kra­ter­sees, der ein Hin­gu­cker ist. Unter ande­rem wegen der durch Mine­ra­lien ent­stan­de­nen grün­blauen Fär­bung. Aber die Lagune schauen wir uns mor­gen genauer an. Schließ­lich geht jetzt die Sonne unter. Und es wird schlag­ar­tig kalt. In unse­rer Unter­kunft schlot­tern wir, bis der Kamin seine wär­mende Wir­kung entfacht.

Tag 2: Ein­mal um die Qui­lo­toa-Lagune herum 

Gut aus­ge­ruht, steht am kom­men­den Tag die unge­fähr fünf Stun­den dau­ernde See-Umrun­dung an. Die Lagune kön­nen wir dabei aus den ver­schie­dens­ten Blick­win­keln betrach­ten. Und eben­falls die bei­den Berg­gip­fel Illi­niza Norte und Illi­niza Sur, die in der Ferne emporragen.

Kalt ist es, als wir gegen den Uhr­zei­ger­sinn über den schma­len Kra­ter­rand lau­fen. Ich ziehe mein Hals­tuch bis unter meine Augen – und schütze mich so ein wenig vor dem star­ken Wind. Der schmale Weg ver­läuft nicht eben­erdig, es geht hoch und run­ter. Bei eini­gen Stei­gun­gen müs­sen wir sogar kleine Klet­ter­ein­la­gen hin­le­gen. Müh­sam. Aber immer wie­der wer­den wir mit fan­tas­ti­schen Aus­bli­cken auf die Qui­lo­toa-Lagune belohnt.

Als wir uns hin­set­zen und aus­ru­hen, fällt mir wie­der der Mythos ein, von dem ich gele­sen hatte. Für die Ein­hei­mi­schen hat der Kra­ter­see näm­lich kei­nen Grund. Uner­mess­lich sei er also. Die Wahr­heit sieht natür­lich anders aus. Bis zu 250 Meter tief ist die Lagune. Wenn ich jedoch in das dun­kel-strah­lende Was­ser schaue, neige ich fast dazu, die Geschichte der Bewoh­ner die­ser Region zu glau­ben. Ein paar Kanus pad­deln in die­sem Moment über den Kratersee.

Auf hal­ber Stre­cke begeg­nen wir einem Schä­fer und einer Schä­fe­rin mit ihrer Herde, die einen Hang hin­auf­ei­len. Ihre Hunde hecheln hin­ter­her. Uns direkt ent­ge­gen. Wie­der wer­den wir nicht freu­dig begrüßt, son­dern mit gefletsch­ten Zäh­nen. Wir rufen die Besit­zer, sie sol­len doch bitte ihre Hunde zurück­pfei­fen. Keine Reak­tion. Das Schä­fer­pär­chen igno­riert uns. Und wir müs­sen uns sel­ber um die Kläf­fer küm­mern. Aber was sol­len wir tun? Ste­hen blei­ben und abwar­ten, das ist die ein­zige Lösung. Und erneut dau­ert es Minu­ten, bis sich die Situa­tion beru­higt hat.

Nach fünf Stun­den betre­ten wir das Dorf Qui­lo­toa. Und erken­nen es kaum wie­der. Bis jetzt war es sehr ver­schla­fen, Leben war kaum aus­zu­ma­chen. Doch nun scheint das kom­plette Dorf auf den Bei­nen zu sein. Die Bewoh­ner haben sich her­aus­ge­putzt. Die Frauen lau­fen in Röcken herum und haben Tücher über die Schul­tern gewor­fen. Die Män­ner haben sich in feine Hosen geschmis­sen. Dazu tra­gen sie Bom­ber- oder Leder­ja­cken, was etwas eigen­wil­lig aussieht.

Etwas eigen­wil­lig musi­ziert unse­rer Mei­nung nach auch die enga­gierte Musik­gruppe. Den Leu­ten gefällt es aber, sie tan­zen auf der Straße. Viele große Bier­fla­schen wer­den hin- und her­ge­reicht. Und alle befin­den sich an die­sem Nach­mit­tag in einem Rausch­zu­stand. Wir fra­gen jeman­den, was denn hier eigent­lich gefei­ert wird? Eine Hoch­zeit – so lau­tet die Antwort.

Uns fällt ein gro­ßer, anzug­tra­gen­der Gringo in der Fei­er­ge­sell­schaft auf. Ein US-Ame­ri­ka­ner. Er sei jedoch nicht der Bräu­ti­gam, wie uns berich­tet wird. Son­dern „nur“ der Trau­zeuge der Braut. Egal. Er ist die Attrak­tion der Party. Jeder möchte mit ihm ansto­ßen. Jeder reicht ihm Bier und Schnaps. Er hat ordent­lich Schlag­seite. Ein wan­ken­der Koloss, der jedoch nicht fällt. Auf jeden Fall nicht bis zu dem Zeit­punkt, als wir die Hoch­zeit ver­las­sen und in unse­rer Unter­kunft verschwinden.

Denn dort wird unser Abend­essen vor­be­rei­tet. Sehr gut, wir haben rich­tig Kohl­dampf. Und fut­tern uns voll. Dann geht es ins Bett. An Schlaf ist aber nicht wirk­lich zu den­ken, da die Hoch­zeit wei­ter­hin im Gange ist. Bis früh in den Morgen.

Tag 3: Von Qui­lo­toa über Gua­yama nach Chugchilan 

Der letzte Tag unse­rer selbst orga­ni­sier­ten Wan­de­rung auf dem Quil­toa Loop ist ange­bro­chen. Von Qui­lo­toa sind es knapp über zehn Kilo­me­ter bis zum Dorf Chug­chilan. Und dort wol­len wir heute hin.

Zwei Hunde haben wohl das­selbe Ziel. Sie hän­gen sich ab Qui­lo­toa an unsere Fer­sen und fol­gen uns. Doch diese Vier­bei­ner sind nicht auf Kra­wall aus. So schlie­ßen wir sie schnell in unsere Her­zen. Und geben den bei­den Namen, den dunk­len nen­nen wir Coto, den hel­len Paxi. Der viel­leicht bekann­teste Vul­kan Ecua­dors hat uns bei der Namens­ge­bung inspiriert.

Das erste Stück unse­rer heu­ti­gen Tour ver­läuft wie­der über den Rand des Kra­ters. Nach rund einer hal­ben Stunde biegt jedoch ein Weg ab, der den Rücken des Vul­kans hin­un­ter­führt. In dem Gewirr aus kreu­zen­den Pfa­den ist es schwie­rig, sich zu ori­en­tie­ren. Wir hal­ten uns in Rich­tung einer im Tal befind­li­chen Ortschaft.

Wir stei­gen immer tie­fer in das Tal hinab. Und pas­sie­ren schließ­lich die ers­ten Häu­ser des Ortes Gua­yama. Auf einer Haus­wand steht in gro­ßen Let­tern Wel­come to Gua­yama Shop. Einen Laden fin­den wir aber nicht vor, zumin­dest hat die­ser nicht geöff­net. Der Ort wirkt wie aus­ge­stor­ben. Was wir jedoch erbli­cken, ist eine Kir­che, die auf­grund ihrer vier Türme für uns einen ori­en­ta­li­schen Touch hat. Vor­bei an einem Fried­hof ver­las­sen wir Gua­yama schon wie­der – und bekom­men einen Weg­wei­ser mit der Auf­schrift Chug­chilan zu Gesicht. Perfekt.

Der gut gekenn­zeich­nete Weg lei­tet uns in eine Schlucht. Rei­ter mit Pfer­den kom­men uns ent­ge­gen. Wir müs­sen aus­wei­chen. Paxi scheint aller­dings nicht sehr ange­tan zu sein, dass die Kalt­blü­ter ihn pas­sie­ren möch­ten. Er star­tet ein Bell­kon­zert. Die Pferde irri­tiert das. Sie schre­cken zurück. Wir brau­chen etwas, um den Hund zu beru­hi­gen. Dann kann es weitergehen.

Nach­dem wir das Tal der Schlucht durch­quert haben, steht der letzte Anstieg nach Chug­chilan auf dem Pro­gramm. Wir mühen uns eine Ser­pen­ti­nen­straße nach oben. Danach haben wir es geschafft. Wir befin­den uns in Chugchilan.

Es gibt zwar Hotels in dem Dörf­chen, doch wir wol­len heute noch zurück nach Lata­cunga. Auf dem Dorf­platz orga­ni­sie­ren wir eine Mit­fahr­ge­le­gen­heit nach Sig­hos, wo wir einen Bus nach Lata­cunga neh­men. Coto und Paxi müs­sen wir lei­der zurücklassen.

Mit fast gebro­che­nen Her­zen tru­deln wir in Lata­cunga ein. So endet unsere drei­tä­gige Wan­de­rung auf dem Qui­lo­toa Loop etwas trau­rig. Schön war es trotzdem.

Cate­go­riesEcua­dor
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Christian & Daniela

Christian und Daniela tauschten ihren durchgeplanten Alltag in Deutschland gegen die ungewisse Freiheit einer langen Reise durch das holprig-schöne Südamerika. Langweilig wird es dem Journalisten und der (Hobby-)Fotografin dabei nicht. Denn im kunterbunten Ländermix des Abenteuerkontinents wandern sie über die längste Gebirgskette der Erde, verlaufen sich in Megastädten, schippern über den mächtigsten Strom der Welt und verschwinden tief im grünen, verworrenen Dschungel. Und da sie denken, dass sie nicht nur alleine etwas von diesen Erlebnissen haben sollten, drücken sie so oft wie möglich auf den Auslöser ihrer Kamera und tippen fleißig in die Tastatur ihres Laptops. Das Ergebnis: Geschichten von einer Reise.

  1. Pia says:

    Lei­der sehr unsym­pa­thi­scher Rei­se­be­richt.. Könnt ihr keine Hunde lei­den oder was ist das Pro­blem? Wir waren auch in Ecua­dor und gefühlt in der hal­ben Welt unterwegs…und wür­den nie aber wirk­lich nieee Hunde schlecht machen.. so dass Men­schen schon in Angriffs­po­si­tion gehen sobald sie einen sehen weil es ja in einem Rei­se­be­richt stand…
    Den armen Tie­ren kann man nicht übel neh­men wenn sie „aggres­siv“ sind.. Was sie alles erlei­den müs­sen.. Eigent­lich sind die meis­ten noch viel zu gut zu den Menschen!
    In Angriff zu gehen ver­schlim­mert das Pro­blem nur.. Ruhe bewah­ren aus dem Weg gehen.. laut wer­den.. Es sind sowieso viel zu viele Men­schen da drau­ßen die sich nen Dreck um Tiere sche­ren da muss man nicht noch mit dem Fin­ger auf Hunde zei­gen und das Pro­blem verstärken

  2. Sandra says:

    Wow, so schön! Ich möchte unbe­dingt mal wie­der in die Anden. War vor vie­len Jah­ren mit mei­nen Groß­el­tern dort und es war einer der schöns­ten Urlaube.
    LG aus dem Defereggental

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