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Die Angst, allein zurückzubleiben

Alle gehen voran. Links, zwo, drei, erwach­sen! Wird ja auch Zeit. Guter Job, gutes Geld, Alters­vor­sorge! Hei­ra­ten! Kin­der! Schön schön! Und ich?

Die Zukunft macht mir manch­mal Angst. Es ist die Angst zurück­zu­blei­ben, allein.

Zurück­blei­ben: Wenn neue Lebens­pha­sen anbre­chen für gute Freunde, viel­leicht weil Sin­gles zu Paa­ren wer­den. Oder weg­zie­hen für einen neuen Job, Kin­der bekom­men. Paare tren­nen sich und spren­gen damit einen Freun­des­kreis. Oder ein neuer Kol­lege bedroht meine Posi­tion im Job (ähem, das ist nur bei­spiel­haft, denn ich hab ja gar kei­nen – auch so ne Sache).

„Das ist doch völ­lig nor­mal!“ sage ich mir, und glaube auch ganz fest an hei­tere Aus­sich­ten. Eigent­lich weiß ich: Es wird. Ging es nicht bis­her sehr gut, warum sollte etwas falsch lau­fen? Es gibt kei­nen Grund, Angst vor der Zukunft zu haben.


Das waren Zei­ten… ;-) die liebe Fami­lie und der dürre Klys

Aber wenn ich müde, erle­digt bin, kommt es spo­ra­disch aus dem Magen hoch­ge­kro­chen, die­ser kleine Para­sit, und nagt an den Mau­ern mei­ner Zuver­sicht. „Was wird aus mir, wenn sich alles ver­än­dert? Ich will nicht auf der Stre­cke blei­ben!“ Es ist die Angst vor einer unbe­kann­ten Zukunft.

Doch die Zukunft ist immer unge­wiss. Manch­mal glau­ben wir nur, alles in Griff zu haben. Ich glaube es ist ein wun­der­bar beru­hi­gen­des Phan­ta­sie­ge­bilde. Was ganz schnell in sich zusam­men­fal­len kann.
Aber auch das Gefühl, dass alle Welt fes­ten Schrit­tes ihrem gro­ßen Ziel ent­ge­gen schrei­tet ist eine Illu­sion. Denn ich scheine mit die­ser Befürch­tung nicht allein zu sein. Viele, mit denen ich dar­über sprach, plagt gele­gent­lich die schale Ahnung, dass Freunde und Bekannte schnel­ler und wei­ter sind, oder erfolg­rei­cher und zufrie­de­ner. Die Angst allein zurück­zu­blei­ben, über­rollt vom Leben.

Aber – wenn es (fast) jedem so geht, wird dann das Ganze nicht end­gül­tig ad absur­dum geführt?

Scheiß auf das Gepi­ense. Ja, alles ver­än­dert sich. Stän­dig. Und ja, es waren gute Zei­ten. Gäbe es jedoch etwas Lang­wei­li­ge­res als wenn es immer beim Alten blei­ben würde? Selbst das Para­dies wäre die Hölle, wenn man sich für alle Zei­ten mit einem Hau­fen ewi­ger Jung­frauen rum­schla­gen müsste.

Das Neue wird anders sein. Und wahr­schein­lich ziem­lich gut. „Anders“ ist in jedem Fall der beste Anfang, den man sich wün­schen kann. Denn alles ist möglich.

Es ist Zeit für Ver­än­de­rung. Immer. Zum Teu­fel mit der Langeweile.

Jetzt hab ich mich sogar selbst über­zeugt. Prima.

Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Elli says:

    ver­rückt, dass wir alle die glei­chen ängste haben. und so herr­lich, dass so erstaun­lich offen dar­über gere­det wer­den kann! dank dir johannes!

  2. Ralf says:

    A M E N!

    Schon komisch, GENAU die Gedan­ken hatte ich mas­siv vor etwa einem Jahr als ich ernst­haft über eine grosse Ver­än­de­rung (Welt­reise / Kar­rie­re­wech­sel) nach­dachte und 30 wurde… Oder weil ich 30 wurde dachte ich auf ein­mal drü­ber nach was ich mit mei­nem Leben anfan­gen möchte??!!

    Hmmm any­ways: Ich musste anfangs sehr stark mit die­sen Ängs­ten kämp­fen: Bin bis­her immer den gera­den Weg gegan­gen, getan was halt so erwar­tet wurde (Abi, Stu­dium, Job, …) auf dem Papier super Kar­rie­re­aus­sich­ten und auch eine gut bezahlte Stelle, aaa­aber gleich­zei­tig irgend­wie uner­füllt und unglück­lich und den Kopf noch so voll mit Träu­men! Es fehlte defi­ni­tiv etwas. Eine grosse Reise – das war der Traum und Plan…

    …Aber dafür (schein­bar) „alles“ auf­ge­ben, Kar­riere gefähr­den, ist das nicht kin­disch und über­haupt – es wird doch Zeit mal in die Puschen zu kom­men – Hei­ra­ten, Kin­der, sich „was auf­bauen“ (JA WAS DENN???) – Ver­ant­wor­tung über­neh­men der Ernst des Lebens, Alters­vor­sorge etc…
    Macht doch JEDER so, muss dann doch irgend­wie rich­tig sein oder?!

    …irgend­wie erschien mir das Ganze den­noch A‑B-S-U-R‑D: Ich bin doch erst 30, jetzt schon das Ende pla­nen – wars das jetzt? Nur noch funk­tio­nie­ren, ein schön norm­ge­mäs­ses Leben füh­ren die nächs­ten 40 Jahre? Die Beste Zeit ist schon vor­bei? Alles schien so ster­bens­lang­wei­lig vor­her­seh­bar und vor­her­ge­plant bis zur Rente. Keine Her­aus­for­de­rung – keine Auf­re­gung. L‑A-N-G-W-E-I-L-I‑G.

    Auf der ande­ren Seite die Angst zurück­zu­blei­ben, wie du sehr schön beschrie­ben hast. Die Ande­ren krie­gens doch auch auf die Reihe und wis­sen genau (schein­bar) was sie wol­len. Was tickt nicht rich­tig bei mir??

    Um es auf den Punkt zu brin­gen: Ich habe mei­nen Dämo­nen besiegt und mich für die Unge­wiss­heit, das Aben­teuer ent­schie­den. Im April gehts los – One-Way Ticket nach Süd­ame­rika und dann mal schauen! Klar macht mich das in ruhi­gen Momen­ten auch immer noch ein bis­sel ner­vös aber die Auf­re­gung über­wiegt um Län­gen, das Gefühl das meine beste Zeit jetzt GERADE ERST ANFÄNGT ist unbeschreiblich.
    Irgend­wann mag es eine Zeit für Sta­bi­li­tät, Sicher­heit, Sess­haf­tig­keit und gepflegte Lang­weile geben, aber JETZT IST NICHT DIESE ZEIT!

    In die­sem Sinne schließe ich mit einem Zitat von Chris McCand­les ab:
    „So many peo­ple live within unhappy cir­cum­s­tances and yet will not take the initia­tive to change their situa­tion because they are con­di­tio­ned to a life of secu­rity, con­for­mity, and con­ser­va­tism, all of which may appear to give one peace of mind, but in rea­lity not­hing is more dan­ge­rous to the adven­tur­ous spi­rit within a man than a secure future. The very basic core of a man’s living spi­rit is his pas­sion for adventure.“

    1. klys says:

      „The very basic core of a man’s living spi­rit is his pas­sion for adven­ture“ – ein wun­der­vol­ler satz…!

    2. Katrin says:

      Da möchte ich nun ein­fach noch Mark Twain hinzufügen

      „Twenty years from now you will be more dis­ap­poin­ted by the things that you did­n’t do than by the ones you did do. So throw off the bow­li­nes. Sail away from the safe har­bor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.“

    1. Katrin says:

      Seit ich die­sen Satz gele­sen haben, steht er in mei­nem Timer ganz vorne. Denn manch­mal muss man sich ein­fach doch wie­der daran erinnern…

  3. siolita says:

    Das Gefühl hab ich im Dau­er­abo. Aber die Sache ist wohl die: Den Wert der guten Zei­ten macht zu gro­ßen Tei­len genau ihre Ver­gäng­lich­keit aus. Sobald man sich aber künst­lich dran fest­beißt, ver­liert das Ganze an Zau­ber. Aber meis­tens kom­men da immer wie­der neue groß­ar­tige, famose, super­la­tive, merk-wür­dige Zei­ten um die Ecke geschli­chen. Einen Klum­pen Sand in der Hand zu hal­ten ist auch nich annä­hernd so schön wie ihn zwi­schen den Fin­gern rie­seln zu las­sen. In die­sem Sinne, heu­reka! siolita

  4. Alex der Schwede says:

    Zuerst will ich sagen dass oft andere Leute in unsere Umge­bung SCHEINEN (ich wurde gern noch gros­sere Buch­sta­ben benut­zen) gluck­li­cher zu sein. Das kann oft eine Illu­sion sein. Wir allen furch­ten die Zukunft, aber die Zukunft ver­an­dert sich immer, das ist was das Leben span­nend macht. Habe keine Angst um die Zukunft, und du wirst nie allein sein, mein Freund! So lange ich gute Freunde und Fami­lie habe, sage ich zu der Zukunft „BRING IT ON“ :)

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