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Der lüsterne Mönch vom Pussy Mountain

Als ich an die­sem Abend stau­nend den Son­nen­un­ter­gang betrachte, ahne ich noch nicht, wel­ches Ange­bot ich gleich erhal­ten würde. Sex mit einem Mönch? Dar­auf wäre ich wirk­lich nie gekom­men! Ein Sze­na­rio, wel­ches sich nicht ein­mal in mei­ner ver­sau­tes­ten Fan­ta­sie abspielte… Warum sollte ich einen so abwe­gi­gen Gedan­ken haben?

Ok, jetzt wo ich so dar­über nach­denke, muss ich zuge­ben, dass einige viel­leicht das Ver­bo­tene daran rei­zen könnte. Einem Mönch ist es schliess­lich nicht ein­mal erlaubt eine Frau anzu­fas­sen, geschweige denn mit ihr zu schla­fen. Aber will man sich tat­säch­lich in eine fremde Kul­tur ein­mi­schen und Regeln bre­chen, von denen man keine Ahnung hat? Ist nicht schon das Ent­klei­den des tra­di­tio­nel­len Gewan­des viel zu kom­pli­ziert? Und warum ver­su­che ich mir das nun über­haupt vorzustellen?!

Luang Pra­bang. Ein idyl­li­sche Städt­chen im Nor­den von Laos, fried­lich am Mekong gele­gen. Hier gefällt es mir so gut, dass ich meine Pläne (hatte ich denn über­haupt wel­che?) über Bord werfe, den Ruck­sack aus­pa­cke und meine Unter­kunft um eine gesamte Woche verlängere.

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Am frü­hen Abend steige ich schweiss­trie­fend die vie­len Stu­fen bis zur Spitze des Phousi Moun­ta­ins hin­auf (von den Ein­hei­mi­schen kind­lich kichernd gerne Pussy Moun­tain genannt). Von hier oben sei die Stadt am Schöns­ten – lei­der kein Geheimtipp.

Da ich ohne Beglei­tung unter­wegs bin, quet­sche ich mich oben ange­kom­men auf unver­schämte Art und Weise durch die Menge und finde tat­säch­lich noch ein lee­res Plätz­chen in der vor­ders­ten Reihe. Hier bleibe ich so lange ste­hen, bis auch der letzte Son­nen­strahl hin­ter den ent­fern­ten Ber­gen ver­schwun­den ist. Die Aus­sicht über den Mekong und die Stadt ist tat­säch­lich wunderschön.

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So viel Geduld wie ich hat­ten sonst nicht viele und so ist der kleine Platz bereits bei­nahe leer, als ich mich umdrehe. Auf dem Phousi Moun­tain gibt es zwei Wege. Der eine führt ins Zen­trum zum Nacht­markt und der andere hin­un­ter zum Fluss. Alle wäh­len den offi­zi­el­len Weg zum Markt, ich hin­ge­gen ent­scheide mich für die Alter­na­tive, denn ich habe mich in einem Restau­rant am Fluss mit eini­gen Freun­den ver­ab­re­det, die ich vor eini­gen Tagen beim Über­que­ren der Grenze ken­nen­ge­lernt habe.

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Ich denke mir nichts dabei, als ich beim Ein­dun­keln alleine die Stu­fen durch den Wald hin­un­ter schreite. Auf hal­ber Stre­cke halte ich inne, da ich mir die Bud­dha Sta­tuen am Weges­rand etwas genauer anse­hen will. Plötz­lich läuft ein jun­ger Mönch auf mich zu, schät­zungs­weise Anfang Zwan­zig. Sofort ver­wi­ckelt er mich in ein Gespräch, will wis­sen wie ich heisse, wo ich her­komme und wes­halb ich in Laos bin. Auch ich stelle Fra­gen und freue mich über den kul­tu­rel­len Aus­tausch. Um uns herum wird es immer dunkler.

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Auf die Frage, ob ich alleine reise ant­worte ich in ähn­li­chen Situa­tio­nen, dass mein Freund von Kopf­schmer­zen geplagt im Hos­tel auf mich war­tet. Doch warum sollte ich einen Mönch belü­gen? Ich ant­worte also ehr­lich. Auch auf die Frage ob ich einen Freund habe ant­worte ich ohne zu zögern mit: „Nein, hab ich nicht.“

Ich weiss nicht wel­cher Teu­fel mich gerit­ten hat, als ich ihm die Frage zurück stelle. Meine Freunde wer­den mir spä­ter sagen, dass ich damit mit ihm geflir­tet hätte, was in keins­ter Weise meine Absicht war… Ich erkläre es mir damit, dass bei nor­ma­len Small­talk Gesprä­chen nun mal viele Gegen­fra­gen gestellt wer­den und dass das bereits so in mei­nem Hirn abge­spei­chert ist, dass die Worte nur so aus mir her­aus­strö­men: „Hast du eine Freundin?“

„Nein ich habe keine Freundin, aber ich will eine. Ich will dich!“

Ok… Jetzt ver­stehe ich auf was das alles hin­aus läuft… Per­plex starre ich ihn an. Als ich mich wie­der gefan­gen habe, frage ich, ob es ihm über­haupt erlaubt sei eine Freun­din zu haben. Er bejaht (Ich war danach noch sechs Wochen in Laos unter­wegs und hab mir an ver­schie­de­nen Orten und von meh­re­ren Ein­hei­mi­schen bestä­ti­gen las­sen, dass das nicht stimmt…).

„You know, we can do….“ Ich weiss sofort was er meint, stelle mich aber blöd in der Hoff­nung, dass er auf­gibt. Lei­der ohne Erfolg. „We can have Sex.“ Jetzt bin ich end­gül­tig geschockt!

Warum nimmt ein Mönch dieses Wort überhaupt in den Mund?

„I live here. I have my own room.“ So lang­sam wird mir das Ganze echt unan­ge­nehm. Ich lehne dan­kend ab und sage, dass ich jetzt echt los muss, weil unten meine Freunde auf mich war­ten. (Hät­ten meine Freunde nicht tat­säch­lich auf mich gewar­tet, wäre dies ein guter Zeit­punkt gewe­sen einen Mönch zu belügen.)

Er lässt nicht so schnell locker, er müsse sowieso auch in meine Rich­tung und wolle mich des­we­gen noch ein Stück beglei­ten. Es dau­ert nicht lange, da beginnt die Fra­ge­rei von neuem. Die­ses mal dreht sich alles nur um ein Thema: Sex.

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Wir kom­men an eini­gen klei­nen Häu­sern vor­bei, offen­bar woh­nen hier noch andere junge Mön­che. Einige sind halb­nackt am Duschen, andere noch in ihre Bücher ver­tieft. Als wir an ihnen vor­bei gehen zwin­kern sie ihm lachend zu und bli­cken uns nach. Ich fühle mich wie in einem fal­schen Film.

„Warum willst du nicht mit mir schla­fen?“ „Wie viele Sex­part­ner hat­test du bereits?“ „Fin­dest du lao­ti­sche Män­ner attrak­tiv?“ Auf alle Fra­gen ant­worte ich ehr­lich. Ich weiss nicht, wes­halb ich nicht ein­fach sage, dass ihn das nichts angeht. Viel­leicht, weil ich immer noch etwas unter Schock stehe.

„Can I touch your pussy?“ – „No!“ „Can I kiss you?“ – „No!“

Er bleibt immer höf­lich und wie­der­holt sogar meine Ant­wort mit einem: „Ok, no.“ Seine direkte Art ver­blüfft mich. In einer sei­ner Atem­pau­sen hole ich aus zum Gegen­schlag: „Hat­test du schon Sex?“ – „Nein ich bin noch Jung­frau.“ Lang­sam geht mir ein Licht auf. Aus Irri­ta­tion wird Ver­ständ­nis. Aus Abnei­gung wird Mitleid.

Viele Eltern bestim­men für ihre Söhne, dass sie Mönch zu wer­den haben, weil sie so kos­ten­los eine gute Schule besu­chen kön­nen. Des­we­gen sind auch seine Eng­lisch­kennt­nisse so gut. Obwohl ich bezweifle, dass er Wör­ter wie Kiss, Sex und Pussy in der Schule gelernt hat…

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Ich kann die­sen Men­schen, der zuerst vol­ler Hoff­nung vor mir stand und inzwi­schen eher ver­zwei­felt und etwas pein­lich berührt wirkt, gut ver­ste­hen. Ich erkenne in ihm einen nor­ma­len jun­gen Mann mit Bedürf­nis­sen, wie sie jeder andere auch hat. Warum sollte er kein Ver­lan­gen nach kör­per­li­cher Nähe spü­ren? Ich weiss, es war dumm von mir zu den­ken, dass Mön­che kei­ner­lei Inter­esse an Sex hät­ten, nur weil es ihnen nicht erlaubt ist… Ganz genau so habe ich das wohl auch nicht gedacht –  ich habe eher ein­fach gar nicht an ihr Sexu­al­le­ben gedacht.

Von nun an betrachte ich junge Mönche mit anderen, mehr realistischen Augen.

Der Weg gabelt sich. Freund­lich ver­ab­schie­den wir uns von ein­an­der und wün­schen uns alles Gute. Kopf­schüt­telnd und etwas ver­stört begebe ich mich zu besag­tem Restau­rant. Kaum habe ich meine Freunde begrüsst, bricht auch schon ein gan­zer Rede­schwall aus mir her­aus. Es fällt ihnen schwer mir zu fol­gen, da ich immer wie­der ungläu­big pau­siere, um gleich dar­auf wie­der wild drauf­los zu quas­seln. Auch sie sind geschockt.

Ihr Fazit: Hät­test du doch mit ihm geschla­fen, dann wäre es eine noch bes­sere Story!

Cate­go­riesLaos
  1. Dario says:

    Haha, eine echt wit­zige Story. Sol­che Gedan­ken habe ich mir auch noch nie gemacht… Hof­fen wir mal – für den Mönch – dass seine Mit-Mön­che (?) kein Deutsch kön­nen und nicht zufäl­lig beim nächs­ten Mal „pussy“ – ich meine „phousi“ – goog­len auf dei­nen Arti­kel stossen ;-)

    1. Norah says:

      Danke Dario :) Stimmt, viele der Mön­che hat­ten Smart­phones, Face­book und Whats App! Doch es würde bestimmt an der Spra­che scheitern ;)

  2. Elena says:

    Ich finde es so schon eine super Story, obwohl du nicht mit ihm geschla­fen hast ;-)
    Wirk­lich tolle Geschichte und sehr schön geschrieben..
    Ich freue mich auf wei­tere Geschich­ten von dir:-)

    1. Norah says:

      Danke Elena!
      Dass dir die Geschichte auch so gefällt, freut mich sehr :)
      Ich bereue in keins­ter Weise, dass ich sein Ange­bot abge­lehnt habe ;)

  3. Lily Issa says:

    meine liebe freundin

    diese trau­rige note, wel­che durch die geschichte führt, lässt mich selbst jetzt noch nicht los. schreck­lich wie das schick­sal die­ses jun­gen man­nes, auf­grund sei­ner her­kunft beein­flusst wurde.
    wun­der­bar jedoch deine erzähl­weise. trotz des wis­sens, dass du wohl­auf dei­nen weg nach hause gefun­den hast, zog ich gie­rig die letz­ten worte in mich hin­ein. – in einem thril­ler hätte die geschichte ver­mut­lich düs­ter geendet. 

    in gespann­ter erwar­tung auf deine nächs­ten geschich­ten und mit einer herz­li­chen umarmung,

    anna

    1. Norah says:

      Liebe Anna,

      vie­len Dank für deine Worte. Ja, es hat wirk­lich etwas Tra­gi­sches. Ich sehe es nicht gerne, wenn einem Men­schen etwas ver­wehrt bleibt, was er eigent­lich möchte (solange es nie­man­dem schadet!). 

      Auch wenn die Situa­tion sehr unge­wohnt war und ich mich alleine mit ihm im dun­keln Wald befand (was in einem Thril­ler tat­säch­lich nie etwas Gutes zu bedeu­ten hat…), hatte ich zu kei­ner Zeit Angst – und das obwohl ich sonst ein eher ängst­li­cher Mensch bin. Der Fakt, dass er Bud­dhist ist und ich annahm, dass ihm tag­täg­lich ein­ge­trich­tert wird nie­man­dem etwas zu Leide zu tun, hat dabei sicher eine grosse Rolle gespielt. Zudem war er gut einen Kopf klei­ner als ich und von schmäch­ti­ger Statur ;)

      Ich freue mich sehr, dass dir meine Erzähl­weise gefällt. Das motiviert!

      Eine herz­li­che Umar­mung zurück,
      Norah

  4. Hey Norah,

    ich glaube irgendwo bei Osho gele­sen zu haben, dass das nicht unge­wöhn­lich und sogar akzep­tiert ist. Keine Ahnung zu wel­cher bud­dhis­ti­schen Rich­tung er ange­hört hatte, aber er hat ja auch zumin­dest ein Buch über bewusste kör­per­li­che Liebe geschrie­ben, kann aber auch was über­aus Kon­tro­ver­ses sein :-)

    Dass er sich sehr direkt dazu geäu­ßert hat (und freund­lich), hängt aber bestimmt mit dem Bud­dhis­mus zusam­men, die mögen keine ver­blüm­ten Schnör­ke­leien – so erkläre ich es mir zumin­dest :D

    Btw. schöne Story, so im Nachhinein ;-)

    Liebe Grüße,
    Mad

    1. Norah says:

      Hi Mad,

      vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar! Es freut mich, dass dir der Bericht gefällt :)

      Span­nend, was du geschrie­ben hast! Ich hab mich nun über Osho infor­miert und du hast recht, er hat wirk­lich viel über Sex gespro­chen :) Jedoch hat er mit sei­ner gros­sen Samm­lung an Uhren und Rolls Royce auch sonst nicht so den tra­di­tio­nel­len Wer­ten bud­dhis­ti­scher Mön­che entsprochen…

      In Thai­land habe ich meh­rere Tage mit Mön­chen medi­tiert und hatte dabei auch die Gele­gen­heit einige Fra­gen zu stel­len. Für sie war klar, nie­mals eine Frau zu berüh­ren und sie erklär­ten es damit, dass nicht ein­mal ein Ver­lan­gen nach etwas ent­ste­hen soll, dass sie in ihrem medi­ta­ti­ven Zustand stö­ren könnte. 

      Bestimmt gibt es von Land zu Land und von Mönch zu Mönch Unter­schiede. Ich bin froh über die Tat­sche, dass es einem Mönch jeder­zeit erlaubt ist sein Mönchs­da­sein auf­zu­ge­ben und dass er, wenn er möchte eine Fami­lie grün­den kann, etc. So wer­den sie nicht zu etwas gezwun­gen, das sie nicht wol­len. Doch auch wenn man sich bewusst für die­ses Leben ent­schei­det, stelle ich es mir sehr schwer vor sich tat­säch­lich an alle Regeln zu halten…

      Ich habe es sehr genos­sen durch Län­der zu rei­sen, in den der Bud­dhis­mus weit ver­brei­tet ist. Denn wie du gesagt hast, sind die Men­schen sehr freund­li­che und direkt. Diese Art ist sehr ange­nehm und ich habe mich auch immer sehr sicher gefühlt. 

      Liebe Grüße,
      Norah

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