Jo Bui­ten­dach, Che­fin von Past Expe­ri­en­ces, ist der per­fekte Guide um das neue Johan­nes­burg, auch Job­urg oder Jozi genannt, ken­nen­zu­ler­nen. Die stu­dierte Archäo­lo­gin ist ein gro­ßer Fan ihrer Hei­mat­stadt und kennt die Stra­ßen­kunst Job­urgs wie ihre Wes­ten­ta­sche. Sie nimmt mich mit auf einen Spa­zier­gang durch das „Mekka der Wandgemälde“.

„Job­urg is the whole Afri­can con­ti­nent in one City“ lässt mich Jo wis­sen. Sie ist hier auf­ge­wach­sen und hat sich bewusst im Zen­trum Johan­nes­burgs selbst­stän­dig gemacht. In den letz­ten fünf Jah­ren habe sich die Stadt fun­da­men­tal ver­än­dert. Rege­ne­ra­tion nen­nen sie die­sen Pro­zess hier. Viele Men­schen fürch­ten sich immer noch vor Johan­nes­burg und die meis­ten Tou­ris­ten nut­zen Job­urg ledig­lich als Hub auf der Durch­reise zum Krü­ger Natio­nal Park. Die Stadt zählt zu den gefähr­lichs­ten Metro­po­len der Welt, die Kri­mi­na­li­täts­rate ist hoch und es gibt sicher­lich Stadt­teile, die nachts mei­den sollte, wer an Leib, Leben und sei­ner Brief­ta­sche hängt. Doch die gibt es schließ­lich auch in L.A. oder Paris.

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Am ehes­ten lässt sich der Geist Job­urgs mit den pul­sie­ren­den süd­ame­ri­ka­ni­schen Groß­städ­ten oder etwa Detroit ver­glei­chen: roh, unge­stüm, leben­dig, jung und ein wenig chaotisch.

Die Stadt hat sich ihrem Sicher­heits­pro­blem an- und den Kampf gegen die Kri­mi­na­li­tät auf­ge­nom­men. Über­wa­chungs­ka­me­ras und Poli­zei sind omni­prä­sent. Es gibt Bezirke, Stra­ßen und Ecken, die für Ein­woh­ner und Besu­cher sicher sind und dies lockt Krea­ti­vi­tät und finan­zi­elle Inves­ti­tio­nen an. In Vier­teln wie Bra­am­font­ein, New­town, Mabo­neng, Park­hurst und Mel­rose Arch lässt sich eini­ger­ma­ßen unbe­schwert fla­nie­ren. Auf­bruchs­stim­mung liegt in der Luft. Manch einer nennt es auch Gentrifizierung.

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Wir star­ten unsere City-Tour im Vier­tel Bra­am­font­ein, wo sich beson­ders viele kunst­volle Graf­fi­tis fin­den las­sen. Dazu gibt es Gale­rien, schi­cke Bou­ti­quen, die so auch in Ber­lin Mitte ste­hen könn­ten, Cof­fee­shops und tren­dige Craft-Beer-Bars, in denen sich die krea­tive Szene trifft. Trial and error, so beschreibt Jo den Pro­zess der Rege­ne­ra­tion. Die Stadt ist mutig genug Pro­zesse zuzu­las­sen und bie­tet jun­gen Men­schen und Künst­lern Raum sich aus­zu­pro­bie­ren. So gehen 1% von allen öffent­li­chen Aus­ga­ben an Kunst­pro­jekte. In den letz­ten Jah­ren sind mehr als 1.000 Kunst­werke im urba­nen Raum ent­stan­den. Dabei spie­len auch The­men wie Re-and Upcy­cling, Kunst aus Müll und Going Green eine große Rolle. Viele Kin­der haben in der Schule kei­nen Kunst­un­ter­richt. Bei die­sen Pro­jek­ten haben sie die Mög­lich­keit ihre künst­le­ri­sche Seite aus­zu­drü­cken und ihr Leben in Job­urg zu reflek­tie­ren. Eine Groß­zahl der Art­works sind scharf­sin­nig und haben eine poli­ti­sche oder gesell­schafts­kri­ti­sche Botschaft.

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Die Auf­wer­tung der Alley­ways ist eines der wich­tigs­ten Pro­jekte in Bra­am­font­ein. Die Gas­sen, die zwi­schen den Häu­ser­blocks ver­lau­fen, waren jahr­zehn­te­lang Brut­stätte von Gewalt, Dro­gen und Kri­mi­na­li­tät und wur­den schließ­lich von der Stadt­ver­wal­tung kom­plett gesperrt. Vor weni­gen Jah­ren wur­den sie für Künst­ler zur Gestal­tung frei­ge­ge­ben. Das Ergeb­nis sind wun­der­bar bunte und viel­fäl­tige Alley­ways, die wie­der frei begeh­bar sind. Cafés und Fir­men sie­deln sich an, das Leben kehrt zurück an Orte, die Jahre lang für Gefahr und Bru­ta­li­tät stan­den. Geadelt wurde die gesamte Street­art-Szene durch ein brand­neues, acht Meter hohes Mural von Graf­fiti-Legende She­pard Fairey, zu Ehren des 25. Jah­res­tag der Purple Rain Pro­tests. Es zeigt  Süd­afri­kas Natio­nal­hel­den Man­dela im strah­len­den Pur­pur und ist in der Jutta Street zu finden.

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In New­town besich­ti­gen wir die Bus Fac­tory. In der weit­läu­fi­gen Halle wur­den einst Stra­ßen­bah­nen repa­riert und Busse gela­gert. Heute behei­ma­tet sie Stu­dios und Arbeits­plätze für eine wach­sende Arts and Crafts Bewe­gung, NGOs, krea­tive Start-ups und Jung­un­ter­neh­mer. Hier fin­det sich auch Artist Proof Stu­dios, wo junge Stu­den­ten, meist mit Sti­pen­dien geför­dert, pro­fes­sio­nelle Print­tech­ni­ken und Gra­fik­de­sign stu­die­ren. Die Stu­den­ten prä­sen­tie­ren ihre Arbei­ten in eige­nen Aus­stel­lun­gen und ver­wirk­li­chen sich in zahl­rei­chen Koope­ra­tio­nen mit bereits erfolg­rei­chen Künst­lern. 2015 steht die Akkre­di­tie­rung des Stu­di­en­gangs auf der Agenda. So sol­len die Stu­den­ten einen inter­na­tio­nal aner­kann­ten Abschluss erhalten.

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Unser Rund­gang endet bei Arts on Main in Mabo­neng. Der back­stei­nerne Indus­trie­kom­plex ist ein zen­tra­ler Hot­spot für Gale­rien, Büros, Stu­dios, Restau­rants und Bars und ist ein gro­ßer, krea­ti­ver Netz­werk­hau­fen. Im Ober­ge­schoss schauen wir bei I was shot in Job­urg vor­bei. Das Label wurde von ehe­ma­li­gen Stra­ßen­kin­dern gegrün­det und ist Foto­gra­fie-Work­shop für sozial benach­tei­ligte Kin­der und Jugend­li­che und erfolg­rei­ches Busi­ness in einem. Mit Ein­weg­ka­me­ras schie­ßen die Kids Bil­der ihrer Hei­mat­stadt und zie­hen diese auf Lein­wand auf, dru­cken sie auf Kalen­der, Shirts, Notiz­bü­cher, Tas­sen und Co. Der Name ist dabei sehr bewusst gewählt. Der nega­tive Ruf, der Job­urg vor­aus eilt wird gue­ril­la­mä­ßig zu etwas Posi­ti­vem und Schö­nem umge­deu­tet. Ziel ist es Jozi in einem ande­ren Licht zu zei­gen und den Kids eine Stimme zu geben. Auf den Bil­dern zei­gen sie eine coole, mul­ti­kul­tu­relle, schnelle und bunte Stadt.

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Sicher, Johan­nes­burg hat noch einen wei­ten Weg zu gehen. Die him­mel­schrei­ende soziale Unge­rech­tig­keit, die Kluft zwi­schen arm und reich, schwarz und weiß und die immer noch vor­herr­schende all­täg­li­che Gewalt und Kri­mi­na­li­tät las­sen sich nicht romantisieren.

Doch hier pas­siert etwas – Wan­del, Krea­ti­vi­tät und Hoff­nung lie­gen in der Luft. Das spürt man mit jedem Atem­zug. Das ist schön und auf­re­gend zu beob­ach­ten. Job­urg rock on!

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Tau­send Dank an Süd­afrika für die Einladung!

Cate­go­riesSüd­afrika

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