Auf den ers­ten Blick ist Bogotá farb­los. Auf den zwei­ten Blick ist die Metro­pole jedoch bunt. Denn an den ehe­mals blas­sen Wän­den in den Häu­ser­schluch­ten Bogo­tás gibt es jede Menge Street Art zu ent­de­cken. Will­kom­men in der Haupt­stadt von Kolum­bien, will­kom­men in der süd­ame­ri­ka­ni­schen Haupt­stadt der Graffiti.

Die Zie­gel­steine der meter­ho­hen Wand sind schwarz und gelb ange­sprüht. In der Mitte ist eine Frau zu sehen. Sie hat eine Mischung aus Gewehr und rie­si­gem Foto­ap­pa­rat ange­setzt. Der Fin­ger ist am Abzug, der Blitz der Kamera wird ausgelöst.

Dies ist eines der unzäh­li­gen Graf­fiti in den Stra­ßen der kolum­bia­ni­schen Haupt­stadt Bogotá. Vor allem im his­to­ri­schen Zen­trum La Can­del­aria reiht sich ein Kunst­werk nach dem anderen.

Hier gibt die 8‑Mil­lio­nen-Metro­pole ein beson­ders inter­es­san­tes Bild ab. Es ist diese Kom­bi­na­tion aus archi­tek­to­nisch unin­spi­rier­ten Hoch­häu­sern, in die Jahre gekom­me­nen Fas­sa­den, engen Gas­sen und bun­ten Graf­fiti, die Farbe in das Grau der hek­ti­schen, nicht immer ein­la­dend wir­ken­den Groß­stadt transportieren.

Den gesprüh­ten Wer­ken der Straße sind wir auf der Spur, als wir einen Vor­mit­tag durch La Can­del­aria schlen­dern. Wir haben uns der Bogotá Graf­fiti Tour ange­schlos­sen, die vor zwei Jah­ren ins Leben geru­fen wurde, täg­lich um zehn Uhr am Plaza de Peri­odi­stas star­tet und vom Street-Art-Exper­ten Chris, der in Kolum­bien gebo­ren wurde, in den USA auf­ge­wach­sen ist und nun in Bogotá lebt, gelei­tet wird.

Stink­fish, Juega Siempre, APC, Saga & Co.: Street-Art-Grö­ßen von Bogotá

Die Tour­gruppe bleibt vor einer lan­gen Mauer ste­hen. Dar­auf ist ein psy­cho­de­lisch aus­se­hen­der Käfer mit Horn zu erken­nen. Auch eine Art Robo­ter-Maus wurde an die Wand gesprüht. Oder eine üppige, fast nackte Frau. Der Schrift­zug Saga prangt in roten Let­tern darüber.

„Saga ist nur einer von vie­len Street-Art-Künst­lern aus Bogotá, die sehr bekannt sind“, sagt Chris. Wei­tere Grö­ßen der Szene sind APC oder Juega Siem­pra. Und Stink­fish, des­sen Graf­fiti im gan­zen Vier­tel ver­teilt sind.

Chris ver­rät, dass der Kolum­bia­ner bereits als Jugend­li­cher zur Sprüh­dose gegrif­fen hat. Zuerst habe er soge­nannte „Sten­cils“ ver­wen­det. Von die­ser bekann­ten Scha­blo­nen­tech­nik habe er sich mitt­ler­weile jedoch los­ge­löst. Heute ahmt er Foto­gra­fien nach, indem er sie an Wände sprüht.

Auch gesell­schafts­re­le­vante Inhalte wer­den immer wie­der in den Bil­dern der Street-Art-Künst­ler Bogo­tás ver­ar­bei­tet. Damit pran­gern sie an, was aus ihrer Sicht in Kolum­bien in der Ver­gan­gen­heit schief gelau­fen ist und noch immer nicht funktioniert.

Häu­fig wer­den Waf­fen dar­ge­stellt. Meis­tens im Zusam­men­hang mit dem Stre­ben nach Macht und Geld. Doch dar­aus ent­stand in den tur­bu­len­ten Bür­ger­kriegs­jah­ren ins­be­son­dere Leid und Armut – für einen Groß­teil der Bevöl­ke­rung Kolumbiens.

Die schlimms­ten Zei­ten schei­nen der Ver­gan­gen­heit anzu­ge­hö­ren. Doch die Stra­ßen­künst­ler wer­den nicht müde, auch wei­ter­hin auf Miss­stände hin­zu­wei­sen. Mahn­male im Großstadtdschungel.

„Street Art gehört mitt­ler­weile zur DNA von Bogotá“

Doch warum kön­nen sich die Sprayer in Bogotá eigent­lich so aus­to­ben? Warum ist gefühlt jedes zweite Haus in der Innen­stadt mit einem Graf­fiti versehen?

Chris lie­fert wäh­rend der Bogotá Graf­fiti Tour Erklä­rungs­an­sätze: „Fast alle gro­ßen Arbei­ten sind mit den Eigen­tü­mern abge­spro­chen oder wur­den sogar von ihnen beauf­tragt. In die­sen Fäl­len hat die Poli­zei keine Hand­habe. Aber auch so: Bogotá ist sehr libe­ral in Sachen Street Art. Wird ein Sprayer erwischt, wenn er ohne Erlaub­nis sprüht, droht ihm nur eine milde Geldstrafe.“

So wurde Bogotá zur inof­fi­zi­el­len Graf­fiti-Haupt­stadt Süd­ame­ri­kas. „Street Art gehört mitt­ler­weile zur DNA von Bogotá“, fasst Chris zusammen.

Und die­ser Ruf eilt Bogotá vor­aus. Selbst Künst­ler aus dem Aus­land schauen in der kolum­bia­ni­schen Metro­pole vor­bei und hin­ter­las­sen einen blei­ben­den Ein­druck in Form von Graf­fiti. Da ist zum Bei­spiel der spa­ni­sche Graf­fiti-Künst­ler Pez. Seine grin­sen­den Fische fin­den wir nicht nur ein­mal in La Candelaria.

Eine Tra­gö­die führt zum Umdenken

Die Tole­ranz der Stadt gegen­über Stra­ßen­kunst und ihrer Prot­ago­nis­ten ist jedoch auf eine Tra­gö­die zurück­zu­füh­ren: Ein Graf­fiti-Sprü­her wurde 2011 in Bogotá von einem Poli­zis­ten erschos­sen, als er beim Sprü­hen erwischt wurde und ver­sucht hatte, weg­zu­lau­fen. „Grau­sam war das. Aber dar­auf­hin setzte ein Umden­ken ein. Street Art ist akzep­tiert in Bogotá“, so Chris.

Wir sind trotz­dem immer noch geschockt, als wir wie­der am Plaza de Peri­odi­stas ankom­men, uns von Chris und den ande­ren Tour­teil­neh­mern ver­ab­schie­den und jetzt alleine in die mit Graf­fiti förm­lich über­sä­ten Stra­ßen von Bogotá eintauchen.

Wei­tere Infos zur Bogotá Graf­fiti Tour gibt es hier.

Cate­go­riesKolum­bien
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Christian & Daniela

Christian und Daniela tauschten ihren durchgeplanten Alltag in Deutschland gegen die ungewisse Freiheit einer langen Reise durch das holprig-schöne Südamerika. Langweilig wird es dem Journalisten und der (Hobby-)Fotografin dabei nicht. Denn im kunterbunten Ländermix des Abenteuerkontinents wandern sie über die längste Gebirgskette der Erde, verlaufen sich in Megastädten, schippern über den mächtigsten Strom der Welt und verschwinden tief im grünen, verworrenen Dschungel. Und da sie denken, dass sie nicht nur alleine etwas von diesen Erlebnissen haben sollten, drücken sie so oft wie möglich auf den Auslöser ihrer Kamera und tippen fleißig in die Tastatur ihres Laptops. Das Ergebnis: Geschichten von einer Reise.

  1. Wow! Ich bin rich­tig begeis­tert! Mir war gar nicht bewusst, wie man Graf­fi­tis gestal­ten kann. Meis­tens sind es ja nur irgend­wel­che Schmie­re­reien. Aber eure Fotos zeu­gen vom Gegen­teil! Dau­men hoch!

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