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Beachhopping im brasilianischen Nordosten

Die wind­ge­peitschte Nord­ost­küste Bra­si­li­ens ermög­licht ein Leben am Strand. Die­ser Ver­lo­ckung sind wir gefolgt. An vier klei­nen Ort­schaf­ten am Meer haben wir ent­spannte, aber auch erleb­nis­rei­che Tage an aus­ge­dehn­ten Strän­den verbracht. 

Pipa, Jacumã, Canoa Queb­rada und Jer­i­coa­co­ara hei­ßen die Sta­tio­nen auf unse­rer mehr­wö­chi­gen Reise ent­lang der bra­si­lia­ni­schen Nord­küste, an denen wir einige der bekann­tes­ten Strände des Lan­des besucht haben. Aber nicht nur. Schließ­lich gab es noch mehr zu ent­de­cken und zu erleben:

Pipa – Del­fine sind die bes­se­ren Wellenreiter

„Wie, ihr wart noch nicht an der Baía dos Golf­in­hos? Da müsst ihr aber unbe­dingt hin. Dort könnt ihr Del­fine aus der Nähe beob­ach­ten“, sagen zwei Deut­sche zu uns, die sich in der Pousada am Strand­ort Pipa ein­ge­mie­tet haben, in der wir eben­falls über­nach­ten. „Das müs­sen wir auf jeden Fall machen“, ent­geg­nen wir – und ent­schlie­ßen uns, am kom­men­den Mor­gen in der Bucht vorbeizuschauen.

Um zur Baía dos Golf­in­hos zu gelan­gen, bre­chen wir erst ein­mal zu Pipas Haupt­strand mit sei­nen vor Anker lie­gen­den Boo­ten und sei­ner gro­ßen, röt­lich-brau­nen Sand­klippe auf. Als wir um die Klippe bie­gen, liegt die weite Bucht, die eben­falls von Steil­klip­pen ein­ge­grenzt wird, bereits vor uns.

Wir spa­zie­ren am Strand ent­lang. Kleine Wel­len schwap­pen in die Bucht. War­mes Was­ser läuft über unsere Füße. Unsere Bli­cke sind in Rich­tung Ozean gerich­tet. Erst erbli­cken wir ein paar Stand-Up-Padd­ler, die ihre lan­gen Bret­ter mit Pad­del­schlä­gen fort­be­we­gen. Wenig spä­ter sehen wir tie­ri­sche „Sur­fer“ im Was­ser, die rasend-schnell die Wel­len ent­lang­glei­ten. Ab und zu machen sie sogar einen Satz in die Luft. Die Del­fine bewei­sen somit, dass sie weit geschick­ter in die­ser Sport­art sind als ihre mensch­li­chen Pendants.

Gesurft wird auch an einem ande­ren Strand in Pipa, näm­lich am Praia do Amor. Die im Ver­gleich zur Baía dos Golf­in­hos höhe­ren und wuch­ti­ge­ren Bre­cher begut­ach­ten wir zuerst von oben, denn auch die­ser geschwun­gene Strei­fen Sand weist Steil­klip­pen auf. Doch in unser Sicht­feld gera­ten nicht nur die Wel­len­rei­ter. Es ist auch zu erken­nen, dass unter blauen, wei­ßen und grü­nen Son­nen­schir­men Strand­gäste auf Lie­gen faulenzen.

Am Praia do Amor ist eine Slack­line zwi­schen zwei Holz­po­des­ten gespannt. Dies fällt uns auf, als wir den Strand ent­lang­schlen­dern. Sofort steht unser Ent­schluss fest: Das müs­sen wir mal aus­pro­bie­ren. Und schon ver­sucht sich Daniela in der Gleich­ge­wichts­übung. Sie balan­ciert ganz vor­sich­tig. Die Arme streckt sie dabei nach außen. Trotz­dem wackelt nach jedem Schritt die Slack­line stär­ker. So stark, dass sie sich nicht mehr hal­ten kann. Es geht zurück in den Sand.

Jetzt bin ich an der Reihe. Bereits nach der ers­ten zag­haf­ten Bewe­gung auf der Slack­line gerate ich ins Rudern. Mein Ober­kör­per kippt auf die rechte Seite. Ich schwinge zurück – und stehe gera­deso immer noch auf dem Balan­cier­ge­rät. Doch die Freude hält nicht lange an. Etwas mehr als ein Vier­tel der Stre­cke bringe ich hin­ter mich, dann gewinnt auch bei mir die Schwer­kraft. Wir benö­ti­gen mehr Übung, um diese Auf­gabe meis­tern zu kön­nen, das ist uns mitt­ler­weile klar.

Bewusst ist uns auch, dass die Zei­ten, als Pipa ein ver­schla­fe­nes Fischer­dorf ohne Stra­ßen­zu­gang war, längst vor­bei sind. Sur­fer haben den Land­strich am Meer in den 1970er Jah­ren ent­deckt. Heut­zu­tage reiht sich Bar an Restau­rant an Hos­tel auf der rund zwei Kilo­me­ter lan­gen Haupt­straße der Ort­schaft, der Ave­nida Baía dos Golf­in­hos, die par­al­lel zum Strand ver­läuft. Schade. Aller­dings hat es auch seine guten Sei­ten, müs­sen wir zuge­ben, als wir in den Bus ein­stei­gen, der uns näher an unser nächs­tes Ziel an der Nord­ost­küste Bra­si­li­ens bringt: Jacumã.

Jacumã – Mit Moto­ta­xis zum schö­nen Strand

Über den Zwi­schen­stopp João Pes­soa – die Haupt­stadt des bra­si­lia­ni­schen Bun­des­staa­tes Paraiba – errei­chen wir bei Anbruch der Dun­kel­heit Jacumã. Ein Schild zeigt zu der Strand­pen­sion, in der wir ein Zim­mer reser­viert haben. Es geht in einen Tram­pel­pfad hin­ein. Dann ste­hen wir vor dem Ein­gang. Und klin­geln. Die Besit­ze­rin öff­net uns die Tür. „Herz­lich will­kom­men“, begrüßt sie uns auf Deutsch. Kein Pro­blem für die Blon­dine, da sie aus Deutsch­land stammt, auch wenn sie bereits seit fast 20 Jah­ren in Bra­si­lien ist. Wir wech­seln noch ein paar Worte, zie­hen uns aber geschafft vom Tag schnell in unsere Unter­kunft zurück.

Am nächs­ten Tag nut­zen wir die char­mante Pousada jedoch aus­gie­big. Vor allem der kleine, aber feine Pool, der von Pal­men und Blu­men umrahmt ist, hat es uns ange­tan. Bei son­ni­gem Wet­ter las­sen wir uns im küh­len Nass trei­ben. Das reicht uns aber noch nicht. Rund zehn Kilo­me­ter von unse­rer Unter­kunft liegt der beliebte Strand Tam­baba ent­fernt. Und dort geht es nun für uns hin.

Von Jacumã düsen wir mit zwei­räd­ri­gen Moto­ta­xis los. Die grüne Land­schaft fliegt an uns vor­bei. Nach circa 15 Minu­ten bie­gen wir von der Asphalt­straße auf eine Schot­ter­piste. Holp­rig ist die Fahrt. Der Fah­rer weicht immer wie­der im letz­ten Moment Schlag­lö­chern aus. Dann geht es bergab, bis wir auf Höhe des Mee­res­spie­gels sind. Wir sind am Strand Tambaba.

Der Strand ist nur zu Beginn belebt. Einige hun­dert Meter wei­ter tref­fen wir keine andere Men­schen­seele. Wir suchen uns ein net­tes Plätz­chen – und brut­zeln etwas in der Sonne. Nach­dem wir genü­gend Sonne getankt haben, lau­fen wir den schö­nen Praia in die Gegen­rich­tung ab. Die­ser Strand­ab­schnitt ist pal­men­rei­cher – und fast ebenso verlassen.

Canoa Queb­rada – Und täg­lich grüßt die Postbeamtin 

Ver­las­sen sind wir auch ein biss­chen in Canoa Queb­rada. Aber auf eine andere Art und Weise. Der Grund: Wir haben einen Teil unse­rer Kla­mot­ten in einer Wäsche­rei in Sal­va­dor zurück­las­sen müs­sen, da diese geschlos­sen hatte, als wir auf­bre­chen muss­ten. In einem Tele­fo­nat mit dem Besit­zer haben wir aller­dings ver­ein­bart, dass er uns die Wäsche zu „unse­rer“ Pousada in Canoa Queb­rada schickt. Vor­her haben wir uns infor­miert, wie lange das Paket unge­fähr bis in den berühm­ten Bade­ort in Ceará benö­tigt. Es müsste pas­sen. Das dach­ten wir zumin­dest anfangs.

Ein son­ni­ger Tag bricht in Canoa Queb­rada – das auf Deutsch „Zer­bro­che­nes Boot“ bedeu­tet – an. Wir tre­ten aus der Haus­türe. Und schauen auf der einen Seite auf große, gelbe Sand­dü­nen, die typisch für die­sen Küs­ten­ab­schnitt sind, auf der ande­ren Seite strahlt der tür­kis­grüne Atlan­ti­sche Ozean, in dem ver­ein­zelt Jan­ga­das – Segel­flöße, die sowohl zum Fisch­fang als auch für Aus­flüge mit Tou­ris­ten genutzt wer­den – düm­peln. Doch unser ers­ter Gang des Tages führt uns nicht zum Meer, son­dern zur win­zi­gen Post­fi­liale der Ortschaft.

Wir tre­ten ein. Die Post­be­am­tin kennt uns schon. Schließ­lich waren wir die bei­den letz­ten Tage schon hier, um uns nach unse­rer Lie­fe­rung zu erkun­di­gen. Sie zuckt mit den Schul­tern, als sie uns erkennt. „Es tut mir leid. Das Paket ist immer noch nicht da“, sagt sie fast ent­schul­di­gend. „Aber kön­nen sie es viel­leicht im Sys­tem aus­fin­dig machen?“, fragt Daniela. Sie kann es. Mehr oder wenig. „Auf dem Weg nach Canoa Queb­rada“ ist ihrem Com­pu­ter zu ent­neh­men. Wenig hilf­reich. Denn diese Infor­ma­tion ist äußerst unge­nau. Zwi­schen Sal­va­dor und Canoa Queb­rada lie­gen schließ­lich viele Kilo­me­ter. Was soll’s, den­ken wir und ver­ab­schie­den uns mit einem freund­li­chen „Bis morgen“.

Der nächste Tag. Und täg­lich grüßt das Mur­mel­tier. Keine Wolke befin­det sich am Him­mel. Sonne satt. Das typi­sche Bild in Canoa Queb­rada. Auch für die Mit­ar­bei­te­rin der bra­si­lia­ni­schen Post. Denn wir ste­hen wie­der auf der Matte. Neu­ig­kei­ten? Fehl­an­zeige! Kein Päck­chen. Dies­be­züg­lich auch keine neue Was­ser­stands­mel­dung. Unser Gedulds­ba­ro­me­ter zeigt unauf­hör­lich nach unten. Aber uns sind die Hände gebun­den. Wir beschlie­ßen, noch ein biss­chen in Canoa Queb­rada zu blei­ben, das sowohl von ein­hei­mi­schen als auch von aus­län­di­schen Tou­ris­ten stark fre­quen­tiert wird.

Marco, ein dür­rer Ita­lie­ner, der seit 18 Jah­ren in der Ort­schaft an der Nord­ost­küste Bra­si­li­ens lebt, ver­zieht des­we­gen sein son­nen­ge­gerb­tes Gesicht, wenn er über seine Wahl­hei­mat spricht: „Frü­her war dies ein ver­schla­fe­nes Fischer­dorf, das Aus­stei­ger für sich ent­deckt haben. Über­all hat jemand Kunst gemacht. Es war span­nend.“ Heute sei Canoa Queb­rada gewöhn­lich gewor­den, behaup­tet der Pousadabesitzer.

Das sehen wir ähn­lich. Okay, der Strand mit sei­ner dra­ma­ti­schen roten Steil­klippe, die mit einem wei­ßen Halb­mond und einem Stern ver­ziert ist, ist durch­aus beson­ders. Der Ort mit sei­nen vie­len Bars und Restau­rants ist – trotz einer ent­spann­ten Atmo­sphäre – aller­dings nicht außergewöhnlich.

Außer­ge­wöhn­lich ist hin­ge­gen, wie lang­sam die Post in Bra­si­lien ist. Nach dem sechs­ten Anlauf bei unse­rer Bekann­ten von der „Brief­trä­ger­ver­ei­ni­gung“ geben wir letzt­end­lich auf. Wir rei­sen wei­ter nach Jer­i­coa­co­ara. Ohne unser Paket – und somit ohne unsere ver­lo­re­nen Anzieh­sa­chen. Immer­hin: Jetzt sind unsere Ruck­sä­cke leichter.

Jer­i­coa­co­ara – Ein Meer aus Dünen 

Nach einer wil­den Fahrt mit einer Art All­rad­trak­tor über unbe­fes­tigte Sand­pis­ten ste­hen wir nun mit weni­ger Gewicht auf dem Rücken in Jer­i­coa­co­ara. Die letzte Ort­schaft auf unse­rer aus­ge­dehn­ten Beach­hop­ping-Tour an der win­di­gen Nord­ost­küste Bra­si­li­ens. Zugleich ist es das Zen­trum eines Dünen­ge­bie­tes, des­sen Wan­der­dü­nen sich kilo­me­ter­weit ins Lan­des­in­nere erstrecken.

Eine die­ser Dünen befin­det sich unmit­tel­bar neben Jer­i­coa­co­ara am Strand, und ist somit quasi die „Haus­düne“ der Bewoh­ner des Ortes. In den Abend­stun­den, wenn die Flut kommt, reicht das Was­ser des Mee­res bis an den Fuß des immensen Sand­hau­fens. Und dann herrscht Hoch­be­trieb auf der Düne. Schließ­lich möch­ten sich (fast) alle Tou­ris­ten von dort den Son­nen­un­ter­gang anschauen. Auch wir sind dabei.

Der Wind peitscht, als unsere Füße im wei­chen Sand ver­sin­ken. Win­zige Sand­kör­ner wir­beln umher, tref­fen immer wie­der unsere Kör­per, es zwackt und kit­zelt glei­cher­ma­ßen. Auf der Düne ist bereits die Hölle los. Wir fin­den aber noch recht­zei­tig einen Platz mit bes­tem Blick auf den unter­ge­hen­den Feu­er­ball. Als die­ser hin­ter dem Hori­zont ver­schwin­det, bran­det spon­ta­ner Applaus auf. So, wie wenn ein Bil­lig­flie­ger auf einer Feri­en­in­sel im Mit­tel­meer lan­det. Das muss man nicht mögen, kann man aber auch nicht wirk­lich ver­hin­dern. Wir schmun­zeln dar­über und hüp­fen den Sand­berg nach unten.

Nach oben geht es für uns wie­der am kom­men­den Tag, an dem wir näm­lich von Jer­i­coa­co­ara zu einem Leucht­turm auf einem Hügel bum­meln. Von hier haben wir einen gran­dio­sen Aus­blick auf das Meer aus Sand­dü­nen rund um Jer­i­coa­co­ara. Aber auch das „rich­tige“ Meer ist von die­sem Punkt zu sehen. Und dahin machen wir uns jetzt auf den Weg. Diese Idee hat­ten eben­falls viele andere. Denn an einer Fels­for­ma­tion, die einem Tor­bo­gen ähnelt, bal­len sich die Schau­lus­ti­gen, die Fotos knip­sen. Durch­ge­hen ist aber auch mög­lich – und genau das tun wir, um am fel­si­gen Strand ent­lang zurück nach Jer­i­coa­co­ara zu gelangen.

Das Meer aus Dünen spielt bei unse­rem nächs­ten Aus­flug erneut eine Rolle, der uns mit einem Jeep eben durch diese beein­dru­ckende Land­schaft zur Lagoa do Paraiso führt. Der See begrüßt uns mit einem wei­ßen Sand­strand und kla­rem Was­ser. In die­sem sind Hän­ge­mat­ten an Pfäh­len befes­tigt. Ein idea­ler Ort, um einen ent­spann­ten Nach­mit­tag zu genie­ßen und dabei die erlebte Schön­heit der Nord­ost­küste Bra­si­li­ens in Gedan­ken noch ein­mal Revue pas­sie­ren zu lassen.

Cate­go­riesBra­si­lien
Christian & Daniela

Christian und Daniela tauschten ihren durchgeplanten Alltag in Deutschland gegen die ungewisse Freiheit einer langen Reise durch das holprig-schöne Südamerika. Langweilig wird es dem Journalisten und der (Hobby-)Fotografin dabei nicht. Denn im kunterbunten Ländermix des Abenteuerkontinents wandern sie über die längste Gebirgskette der Erde, verlaufen sich in Megastädten, schippern über den mächtigsten Strom der Welt und verschwinden tief im grünen, verworrenen Dschungel. Und da sie denken, dass sie nicht nur alleine etwas von diesen Erlebnissen haben sollten, drücken sie so oft wie möglich auf den Auslöser ihrer Kamera und tippen fleißig in die Tastatur ihres Laptops. Das Ergebnis: Geschichten von einer Reise.

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