Eigent­lich hat­ten wir uns vor­ge­nom­men in jedem süd­ame­ri­ka­ni­schen Land ein Fuß­ball­spiel im Sta­dion zu sehen. Was span­nend klingt, ent­puppte sich lei­der viel zu oft als äußerst lang­wei­lige Ange­le­gen­heit. Nun bin ich qua­li­ta­tiv schlech­ten Fuß­ball von mei­nem Hei­mat­ver­ein gewohnt. Doch wäh­rend mein blau-weiß-rotes Herz im hei­mi­schen Sta­dion alles ver­zei­hen kann, leide ich als neu­tra­ler Beob­ach­ter in Süd­ame­rika qualvoll.

In Cara­cas bie­tet sich uns nun eine inter­es­sante Abwechs­lung. Wäh­rend in den latein­ame­ri­ka­ni­schen Natio­nen Fuß­ball natür­lich der Volks­sport Num­mer eins ist, bekommt er in der Kari­bik, zu der sich Vene­zuela selbst zählt, Kon­kur­renz vom Baseball.

Ein Sport, von dem wir nicht den Hauch einer Ahnung haben. Auch die Express­ein­füh­rung in das Regel­werk, die uns unser Gast­ge­ber Juan Car­los anbie­tet, lässt mehr Fra­gen offen, als sie beantwortet.

So gehen wir quasi nichts wis­send ins Sta­dion. Die Leo­nes del Cara­cas, die Löwen aus Cara­cas, haben ein Heim­spiel. Die Mann­schaft ist so etwas wie der F.C. Bay­ern Mün­chen des vene­zo­la­ni­schen Base­balls. Ein Umstand, der nichts ver­spricht, aber unsere Erwar­tun­gen den­noch schürt.

Das Sta­dion auf dem Uni­ver­si­täts­cam­pus fasst 25.000 Zuschauer, gut die Hälfte der Plätze ist belegt. Noch ist alles wie gewohnt. Vor den Toren wer­den Schwarz­markt­ti­ckets ver­kauft, über­all gibt es Bier, laute Musik dröhnt aus den Boxen.

Im Sta­dion selbst begeg­nen wir zunächst dem Löwen höchst­per­sön­lich, bevor wir unsere Plätze ein­neh­men und der Dinge har­ren, die noch kom­men werden.

Löwe

Base­ball ist dabei mehr als ein Sport, es ist ein Unter­hal­tungs­pro­gramm. Unten auf dem Grün tan­zen schon vor dem Spiel pro­fes­sio­nelle Cheer­lea­der, Bier­ver­käu­fer lau­fen durch die Sitz­rei­hen und für die Hung­ri­gen reiht sich eine Fress­bude an die nächste. Von Are­pas über Pizza bis zur klas­si­schen Sta­di­on­wurst gibt es alles.

Die neun Innings (Abschnitte) eines Spiel, so erklärt uns Juan Car­los, kön­nen sich schon ein­mal über meh­rere Stun­den hin­zie­hen. Da ist es gut, wenn zwi­schen­durch für das leib­li­che Wohl gesorgt wird.

Sann betre­ten die Mann­schaf­ten betre­ten das Spiell­feld. Der heu­tige Geg­ner sind die Bra­vos de Mar­ga­rita. Die Natio­nal­hymne erklingt und es geht end­lich los. Nach anfäng­li­cher Auf­re­gung, in der ich ver­su­che das Spiel zu ver­ste­hen, sinkt meine Span­nung nach weni­gen Minu­ten erheb­lich. Es pas­siert über­haupt nichts. Keine Home Runs, keine Punkte. Maxi­mal die erste der vier Basen wird von einem Spie­ler besetzt, dann ist er auch schon wie­der aus dem Spiel.

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Die mobi­len Bier­ver­käu­fer erge­ben plötz­lich viel mehr Sinn und auch ein lan­ger Spa­zier­gang ent­lang der vie­len Imbiss­bu­den erscheint mir nach dem ers­ten Inning sehr verlockend.

Nach einer Stunde und fünf Innings steht es 1:4. Wenigs­tens die Gäste haben es geschafft ein paar mal mit dem Schlä­ger den Ball zu tref­fen. Die Stim­mung ist im Kel­ler, bei mir sowieso, aber auch bei den ande­ren Besu­chern. Juan Car­los gibt zer­knirscht auf. Das Spiel ist für ihn gelaufen.

Leones de Caracas

Für das sechste Inning ver­las­sen wir den Innen­raum des Sta­di­ons und bege­hen damit den größ­ten Feh­ler des Abends. Wäh­rend wir genüss­lich unsere Are­pas essen, geht ein Auf­schrei durchs Sta­dion. An den klei­nen Bild­schir­men hin­ter den The­ken der Imbiss­bu­den sehen wir fei­ernde Leo­nes-Spie­ler und als wir nach etwa zehn Minu­ten zurück auf unse­ren Plät­zen sind, führt Cara­cas plötz­lich 5:4.

Das Sta­dion ist nun voll da. Nicht, dass das Publi­kum aus­ras­ten würde wie beim Fuß­ball, aber es liegt wie­der Span­nung in der Luft. Noch drei Innings sind zu spie­len. Auch das siebte geht mit zwei Punk­ten an die Leo­nes und als das achte Inning mit zwei Punk­ten für beide Teams endet, hallt fre­ne­ti­scher Jubel durch das Stadion.

Am Ende sie­gen die Löwen nach zwei­ein­halb Stun­den in einem ver­mut­lich durch­schnitt­li­chen Spiel mit 9:6 Punk­ten. Base­ball ergibt nun auch für mich etwas mehr Sinn. Den­noch ziehe ich wohl lang­wei­lige Fuß­ball­spiele mit dritt­klas­si­ger Betei­li­gung vor. Herz­blut bleibt eben Herzblut.

Baseball

Cate­go­riesVene­zuela
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Morten & Rochssare

Per Anhalter und mit Couchsurfing reisen Morten und Rochssare ab 2011 zwei Jahre lang zwischen Feuerland und der Karibik kreuz und quer durch Südamerika. Seit 2014 trampen die beiden auf dem Landweg von Deutschland nach Indien und weiter nach Südostasien. Von ihren Abenteuern und Begegnungen erzählen sie auf ihrem Blog und in ihren Büchern „Per Anhalter durch Südamerika“ und „Per Anhalter nach Indien“, jeweils erschienen bei Malik National Geographic.

  1. Jacky says:

    Ohhh ich fühle tat­säch­lich mit dir! Auf unse­rem Tripp durch die USA vor einem Jahr haben wir lei­der auch ein Base­ball Spiel besucht! Eigent­lich war es eher ein Joke von einer mei­ner Freun­din­nen, „lasst mal zum base­ball, das ist bestimmt total auf­re­gend“ :-D naja wir sind dann hin und das beste an dem Spiel war, das uns die Spie­ler am Ende ein­ge­la­den haben mit denen zu fei­ern .… aber ins­ge­samt habe ich mich in den knapp 3,5 Stun­den schon sehr gelangweilt!

    schöne grüße aus mei­nem Urlaub,

    Jackyy

    1. Morten und Rochssare says:

      Ja. So ein Base­ball­spiel im Sta­dion ist wirk­li­che etwas gewöh­nungs­be­dürf­tig. Vor allem dann, wenn man mit ande­ren Ball­sport­ar­ten groß gewor­den ist. Aber viel­leicht geht es beim Besuch eines Base­ball­spiels auch gar nicht um den Sport, son­dern eher um das Zusam­men­sein mit Gleich­ge­sinn­ten. Dazu gibt’s Brat­wurst und Bier.
      Und wenn am Ende noch eine Feier mit den Spie­lern her­aus springt, dann hat Base­ball auch viele span­nende Aspekte. ;)

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