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Auf Nim­mer­wie­der­se­hen, Lonely Planet

Das Zeit­li­mit mei­ner Tou­ren der letz­ten 7 Jahre war klar: Maxi­mal vier Wochen. Mehr ging nicht, und auch das war (ver­ständ­li­cher­weise) immer ein klei­ner Kampf in den Agenturen.

Diese Zeit­be­schrän­kung machte eine gewisse Pla­nung unumgänglich:

Eine gemüt­li­che Vor­be­rei­tung mit Rei­se­füh­rern, Blogs etc. (wel­che für mich auch immer zum Rei­se­spaß gehört hat).

Aus­ser­dem eine Grob­pla­nung, wel­che Orte ich besu­chen will, und ein unge­fäh­rer Ablauf. Denn ich mußte ja recht­zei­tig zum Abflug wie­der parat sein, und zwi­schen­durch feine Dinge erlebt haben.

Und ein Rei­se­füh­rer, der nicht nur für die prak­ti­schen Infos genutzt wurde (wo schla­fen, wo essen, wie von da nach dort), son­dern auch Land- und Stadt­kar­ten, aus­gie­bige Hin­ter­grund­in­fos zu Land, Geschichte und Sehens­wür­dig­kei­ten bot, die bei War­te­zei­ten und lan­gen Fahr­ten die Zeit vertrieben.

Dies war der Lonely Pla­net.

Ab 2001 war LP mein Rei­se­füh­rer der Wahl. Gab es ihn bis vor weni­gen Jah­ren nicht in deutsch, kam mir die eng­li­sche Aus­gabe auch sehr gele­gen – ist es doch auch meist die Spra­che, in der ich unter­wegs kom­mu­ni­ziere. Und so nicht erst müh­sam die Worte von deutsch auf eng­lisch über­set­zen muss.

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Es ist bes­ser, wenn man an einem neuen Plätz­chen nach stun­den­lan­ger Fahrt aus dem Bus tritt, eine unge­fähre Ahnung zu haben, wo ver­flixt man gerade gestran­det ist. Was der Ort an (akzep­ta­blen und güns­ti­gen) Schlaf­plät­zen bie­tet, ob die Ent­fer­nung eher Kilo­me­ter oder Meter sind, und in wel­che Rich­tung man sich (selbst­be­wuss­ten Bli­ckes und ziel­ge­rich­te­ten Schrit­tes) direkt nach Aus­stei­gen aus der schrei­en­den Meute der Schlep­per, Nep­per und Klys­fän­ger entfernt…

Doch die Qua­li­tät der Infor­ma­tio­nen, die der LP bie­tet, vari­iert sehr stark: Land oder Region, Autoren, Genau­ig­keit der Kar­ten, Alter der Aus­gabe und die manch­mal sehr flap­sige Aus­drucks­weise haben mich schon man­che Stunde ver­wirrt durch die Pampa geschickt… (vor allem den Viet­nam-Füh­rer habe ich has­sen gelernt, und mit einem ber­li­ner Pär­chen vor Ort schon fiese Rache­pläne geschmiedet ;-) )…
Im gro­ßen und gan­zen hel­fen sol­che Rei­se­füh­rer aber schon, sich ansatz­weise zurecht­zu­fin­den, Zeit und Geld zu spa­ren und schöne Orte und Dinge zu fin­den. Das bestreite ich nicht.

Es gibt aber einen Punkt, der viel schwe­rer wiegt als jede Ungenauigkeit:
Mit der Infor­ma­tion geht ein Stück weit meine Offen­heit flöten.

Ich weiß ja schon, wohin ich soll, wor­auf ich ach­ten soll, ob ein Ort inter­es­sant oder nur ein unnö­ti­ger Zwi­schen­stop ist. Und 90 Pro­zent aller ande­ren (Langzeit)Touristen wis­sen dies genauso „gut“ wie ich.

Aber wir wis­sen nicht, ob das hoch­ge­lobte Hos­tel im letz­ten Jahr ob des LP-Back­pa­cker­an­sturms seine freund­li­che Atmo­sphäre ver­lo­ren hat.
Oder ob um die Ecke ein neuer Laden geöff­net hat, der arg­wöh­nisch igno­riert wird, weil er nicht in der „Bibel“ steht…
Oder ob der Autor eine kleine extra­nette Behand­lung bekommt, und sich Infor­ma­tio­nen über die ande­ren Hotels nur noch aus zwei­ter Hand zusammenreimt…

Um das Geschwur­bel auf den Punkt zu brin­gen: Diese Reise, die ohne Zeit­li­mit und ohne Pla­nung statt­fin­det, soll auch in der Rei­se­füh­rer-The­ma­tik anders sein. Es ist ein Expe­ri­ment, denn ich hab das noch nie gemacht: Infor­ma­tio­nen von Tou­ris­ten und Ein­ge­bo­re­nen ;-) statt Ein­heits­brei aus dem Lonely Pla­net. Ohne Kar­ten der Städte, ohne Preis­an­ga­ben zu Hotels und Restau­rants, ange­wie­sen auf die Freund­lich­keit und Ehr­lich­keit Anderer.

Und dem Inter­net, soweit ver­füg­bar. Denn einen Lap­top habe ich dabei – soviel Abhän­gig­keit muss sein… :-)

Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Mathilde says:

    Jaaaa, einen Ver­such ist es alle­mal wert. Auch wenn es bestimmt bedeu­tet, die einen inter­es­sen­ge­lei­te­ten Infor­ma­tio­nen gegen andere Inter­es­sen ande­rer Leute zu tau­schen. Ich bin gespannt, was sich durch die LP Abs­ti­nenz verändert.

  2. Steffi says:

    Lange Zeit geliebt und dann has­sen gelernt – so ging es mir auch! Allein die ewige War­ne­rei! Wer einen Grund sucht, nicht zu ver­rei­sen, kauft sich am Bes­ten einen LP, macht sich nach dem Lesen vor Angst die Hosen voll und bleibt zu Hause. Und wer auf Rei­sen einen Gefähr­ten trifft, der auf­fal­lend ner­vös ist, weiss: Er hat ihn gelesen!!!
    Nur: Wo ist die Alternative???

    1. klys says:

      die gibt’s lei­der meist nicht, fürchte ich – und wenn man sie rich­tig und mit ver­nünf­tig zwei­feln­dem geist stu­diert, dann rei­chen sie auch, oder?

  3. Pingback:Reisedepesche » Blog Archiv » I’m sorry, Lonely Planet

  4. Susan says:

    Kom­men­tie­ren? Gerne! Ich gou­tiere dein „NO“ zum Lonely Pla­net! Es gibt kein düm­me­res Rei­se­buch. Hau ihn wech, nimm bloß kei­nen mit. Wir haben an der Grenze zu Chile einen LP für Chile geschenkt bekom­men und ich freue mich schon drauf, ihn wei­ter­zu­ver­schen­ken (wer will, wer will, wer hat noch nicht?) Ich brau­che keine 20 versch. Hos­tels pro Ort, ich schlafe für gewöhn­lich nur in einem Hos­tel und das ist alle­mal bes­ser im Inter­net recher­chiert oder noch bes­ser durch Emp­feh­lung ande­rer Rei­sen­der gebucht. Und essen tu ich da wo es mir optisch gefällt, nicht dort und da, wo es der LP mir als „Insi­der Tipp“ vorschlägt.
    Ver­brennt die Bücher! …Aber nur die LPs!
    Susan mit dem bren­nen­den Streichholz

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