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Allein auf Galapagos: Mein erster Hai

Es ist ein schö­ner Mor­gen auf Isa­bela, der schöns­ten der Gala­pa­gos-Inseln. Ich bin früh auf­ge­stan­den, habe mei­nen Instant­kaf­fee im Hotel getrun­ken und bin auf dem Weg zu einer wei­te­ren orga­ni­sier­ten Tour. Wie­der mit neuen Leu­ten. Ich über­lege, ob es viel­leicht doch ein Feh­ler war ohne einen beson­de­ren Men­schen hier­her zu kom­men. Oder wenn schon allein, dann wenigs­tens ganz auf eigene Faust, so wie der Ecua­do­ria­ner Juan. Heute Abend werde ich ihn wie­der tref­fen. Er hat sich einen Platz im coo­len Back­pa­cker-Hos­tel gegen­über gesi­chert. Mein Ein­zel­zim­mer in der bür­ger­li­chen Pen­sion war lei­der schon vorgebucht.

links im Bild ist die Casa Rosa: ein Hostel für coole Backpacker

In einem Tauchladen,
Mein Tauch­an­zug passt. Die Flos­sen auch. Es ist etwas hek­tisch, weil eine Fami­lie aus Washing­ton D.C. mit indi­schen Wur­zeln auch gerade die Aus­rüs­tung fürs Schnor­cheln zusam­men­sucht. Die elter­lich mah­nen­den Worte mit hef­ti­gem indi­schen Akzent mischen sich mit dem quen­ge­li­gen (wenn auch per­fek­ten) Ame­ri­can Eng­lish der Kin­der. Ich ver­ziehe mich auf eine Bank. Eine schöne Bel­gie­rin gesellt sich zu mir und beginnt von sich zu erzäh­len. Sie macht Frei­wil­li­gen­ar­beit auf den Inseln, hat einen Vater der in Costa Rica lebt, und war schon mit Haien tau­chen. Außer­dem hat sie eine Kamera, die unter Was­ser foto­gra­fie­ren kann. Sie ist defi­ni­tiv coo­ler als ich.

Tin­to­re­ras ist Spa­nisch für … Haie

Unsere Tour beginnt auf Las Tin­to­re­ras, einem der Insel Isa­bela vor­ge­la­ger­ten Eiland. Man kann hier Leguane beob­ach­ten. Gerade ist Paa­rungs­zeit. Die Bun­ten sind die Männ­chen. Wenn ein Männ­chen mit dem Kopf wackelt, will es ein ande­res belei­di­gen und zum Duell her­aus­for­dern. Ein biss­chen tat­t­rig wirkt das Balz­ge­habe. Vor ein paar Mona­ten hatte mich ein Leguan noch fast zu Tode erschreckt. Inzwi­schen erschei­nen mir die Tiere, die hier mas­sen­weise faul in der Sonne her­um­lie­gen, fast schon gewöhnlich.

 

paarungswilliger Galapagos-Leguan

 

Im zwei­ten Teil der Tour soll geschnor­chelt wer­den. Doch bevor wir uns dafür auf dem Boot umzie­hen, gibt es noch eine Attrak­tion auf Las Tin­to­re­ras: Ein klei­ner Kanal. Inmit­ten von Lava­ge­stein. War­mes Was­ser sam­melt sich hier. Ich beob­achte eine Mee­res­schild­kröte. Gemäch­lich glei­tet sie durch den Kanal. Plötz­lich ver­än­dert sich ihr Unter­grund dra­ma­tisch. Gänz­lich unbe­küm­mert glei­tet sie wei­ter. Hin­weg über ein Dut­zend Weißspitzenriffhaie.

Ja, das sind Haie. Viele Haie!

Ja, das sind Haie. Viele Haie.

die unerschrockene Wasserschildkröte

die uner­schro­ckene Meeresschildkröte

Kurz dar­auf Im Wasser

Ich frage mich  warum Leute Schnor­chel-Tou­ren buchen, wenn sie noch nie in ihrem Leben geschnor­chelt sind und auch nur so leid­lich schwim­men kön­nen. Unser Tour­guide ist damit beschäf­tigt die Fami­lie aus Washing­ton mit zusätz­li­chen Schwimm­wes­ten und Schwimm­flü­gen aus­zu­stat­ten. Von ihm ist keine Füh­rung  zu erwar­ten. Ich folge der Bel­gie­rin, die sich ziel­si­cher durch das Riff foto­gra­fiert. Wir haben uns ein Stück von der Gruppe ent­fernt, als ich wie­der eine Was­ser­schild­kröte ent­de­cke. Fast habe ich das Gefühl, als wolle diese mir etwas zei­gen. Ich bewun­dere ihre gleich­mä­ßi­gen Bewe­gun­gen. Der Unter­grund ver­än­dert sich und wir bekom­men Gesell­schaft. Adre­na­lin flu­tet mei­nen Kör­per. Ich ver­gesse fast Luft durch den Schnor­chel zu zie­hen. Soeben habe ich mei­nen ers­ten Hai gese­hen. Ich ver­su­che die schöne Bel­gie­rin her­zu­win­ken, aber sie ist wenige Meter vor mir mit foto­gra­fie­ren beschäf­tigt und sieht mich nicht. Noch ein­mal zischt der Hai unter mir ent­lang. Mit der frag­wür­di­gen Ästhe­tik einer Atom­bombe sicher kein schö­nes Tier. Mit wei­ßer Spitze auf der Rücken­flosse wohl unge­fähr­lich. Aber das ist gerade nicht wichtig.

Wie­der auf dem Boot erzähle ich nur kurz von mei­ner Ent­de­ckung. Irgend­wie ist es mir fast ein biss­chen unan­ge­nehm etwas gese­hen zu haben, was kein ande­rer gese­hen hat. Der Nach­teil, wenn man Erleb­nisse nicht tei­len kann.

Ein Nach­mit­tag zur freien Verfügung

Ich habe mich direkt nach der Tour von der Gruppe getrennt. Und so lang­sam beginne ich Gefal­len daran zu fin­den Gala­pa­gos ganz allein zu erkunden.

junge Seelöwenbullen gelten als aggressiv

Ein jun­ger See­lö­wen­bulle ver­sperrt mir den Weg (Wenn Du eine Ext­ra­mi­nute hast, gibt’s hier die Geschichte zum Foto)

Vorsicht! Kreuzende Leguane

Vor­sicht! Kreu­zende Leguane

Normalerweise ist es schwierig mit einem Smartphone gute Aufnahmen von Vögeln zu machen. Es sei denn, man steht unwissentlich direkt neben einem toten Fisch.

Nor­ma­ler­weise ist es schwie­rig mit einem Smart­phone gute Auf­nah­men von Vögeln zu machen. Es sei denn, man steht unwis­sent­lich direkt neben einem toten Fisch.

Den malerischen Sonnenuntergang genieße ich heute fast allein. Nur ein paar Leguan-Männchen wackeln aufgeregt mit ihren Köpfen.

Den male­ri­schen Son­nen­un­ter­gang genieße ich heute fast allein. Nur ein paar Leguan-Männ­chen wackeln auf­ge­regt mit ihren Köpfen.

Wie­der­se­hen mit Juan

Am Lager­feuer in der Casa Rosa,
Juan ist im hip­pen Hos­tel um die Ecke abge­stie­gen. Eine Gruppe Aus­tra­lier hat Feuer gemacht. Einer von ihnen war in den USA im Gefäng­nis, weil er in der Öffent­lich­keit uri­niert hatte. Dann sind da noch ein paar junge Euro­päe­rin­nen mit blon­den Locken, die in Ecua­dor Frei­wil­li­gen-Arbeit leis­ten. Ich scherze mit Juan, dass wir West­ler hier­her kom­men müs­sen, um zu hel­fen das Land auf­zu­bauen. Er lacht. Wir ver­glei­chen wel­che Tiere wir schon gese­hen haben. Er ist mir einen Manta-Rochen und einen Pin­guin vor­aus. Dafür feh­len ihm Haie und Meeresschildkröten.

Am Feuer gibt es noch einen Ex-Bör­sen-Mak­ler, der sei­nen Job gekün­digt hat, weil er’s nicht mehr ertra­gen hat. Auch er reist allein. Ein Leip­zi­ger reist nur mit sei­nem klei­nen Sohn. Warum sie allein rei­sen, frage ich nicht. Beim ein­hei­mi­schen Bier aus der Liter­fla­sche ver­rät mir Juan, warum er diese Reise eigent­lich allein ange­tre­ten ist. Ursprüng­lich war alles mit sei­ner Freun­din geplant. Aber dann war kurz vor­her Schluss. Ich muss an Bogotá den­ken und jeman­den mit dem ich jetzt gern hier wäre. Es scheint als hätte jeder seine ganz eigene Geschichte, warum er allein auf Gala­pa­gos ist.

Ich mit Juan und kaltem Cerveza

Nur Ein ers­ter Hai

Am mei­nem letz­ten Abend, zurück auf der Haupt­in­sel Santa Cruz,
Es wird gleich dun­kel und ich will heute noch etwas Beson­de­res essen. Ich schlen­dere Rich­tung Hafen als mir ein ver­trau­tes Gesicht ent­ge­gen­kommt. Es ist die schöne Bel­gie­rin. Sie hat die Tage auf Santa Cruz genutzt und war rich­tig tau­chen. 50 Ham­mer­haie hat sie gese­hen. Ich halte mein freund­li­ches Lächeln und wün­sche ihr noch eine gute Zeit.

Am Pier sind gerade die Abend­fäh­ren ein­ge­trof­fen. Ich beob­achte einen Anfang Zwan­zig­jäh­ri­gen mit asia­ti­schen Gesichts­zü­gen, der hier schein­bar mit sei­ner bes­ten Freun­din unter­wegs ist. Die bei­den schei­nen das erste Mal einen Leguan am Weges­rand ent­deckt zu haben. Sie wis­sen noch nicht wie nahe sie ihm kom­men kön­nen. Sie kichern auf­ge­regt und wol­len die­sen Moment fest­hal­ten. Ich freue mich für sie und bin ein klei­nes biss­chen neidisch.

Ich habe immer noch ein Lächeln auf den Lip­pen als ich kurz dar­auf in der Calle de Comi­das eine gegrillte Lan­guste nur für mich bestelle. Meine erste eigene Lan­guste. Über­haupt gibt es wohl nur Einen ers­ten See­lö­wen, Eine erste Mee­res­schild­kröte  oder Einen ers­ten Hai. Und natür­lich ist es schön, wenn man beson­dere Momente tei­len kann. (Ich will irgend­wann mal mit einem beson­de­ren Men­schen Giraf­fen in Afrika beob­ach­ten.) Aber darum ging es nicht auf Gala­pa­gos. Man­che Ein­drü­cke sind inten­si­ver, wenn man sie allein hat. Gala­pa­gos war für mich.

ENDE

Meine erste Galapagos-Languste

Meine erste Galapagos-Languste

Galapagos: Eine Märchenland, in dem kleine Prinzessinnen von Drachen beschützt werden

Gala­pa­gos: Eine Mär­chen­land, in dem kleine Prin­zes­sin­nen von Dra­chen beschützt werden

Cate­go­riesGala­pa­gos
Gregório Jones

Das Beste am Reisen sind all die unerwarteten Begegnungen. Seit seinem Sabbatical in Südamerika reist der abenteuerlustige Reiseschriftsteller Gregório Jones mit einer Mission: Catching Smiles around the Globe.

  1. Patrick says:

    Allein oder zu zweit – bei­des hat seine Son­nen- und lei­der auch Schattenseiten.
    Schluss­end­lich zählt doch nur, dass man etwas aus sei­ner Zeit gemacht und etwas erlebt hat – ob allein oder in Zweisamkeit :)
    Dank dir für’s Tei­len dei­ner Erleb­nisse und Gefühle.

    1. Das stimmt. Und bringt den fas­zi­nie­ren­den Neben­ef­fekt, dass sich ein Ort ver­än­dert, abhän­gig davon in wel­cher Beset­zung man ihn erkun­det. Danke für den Kommentar

  2. Hallo Gre­gório,

    deine Zei­len haben mir in Erin­ne­rung geru­fen, dass mein Herz immer schon rei­sen will.
    Auch wenn es mein Leben bzw. meine Rea­li­tät zur Zeit nicht erlaubt, dass ich ganz spon­tan die­sem Ruf folge, so freue ich mich um so mehr, dass ich mit dei­nen Zei­len rei­sen kann. Allein sein mit sich und der Natur ist ein Stück Segen. Es ist Frie­den und Frei­heit gleichermaßen. 

    Beson­ders schön und berüh­rend finde ich das letzte Bild mit der Prin­zes­sin und dem Drachen.
    Ich finde es ist eine sehr gelun­gene Medi­ta­tion. Ein Ort auf die­ser Welt, der noch weit­ge­hend unberührt
    und ursprüng­lich ist. Gala­pa­gos – Mär­chen­land. Bin ich selbst doch mit mei­nem Her­zen immer noch auf
    der Reise in mein Reich, ins Wunderland.

    Danke so sehr für dei­nen Bericht. Mach bitte wei­ter so. 

    Alles Liebe

    Petra

    1. Hola Petra,

      danke dir für die­sen schö­nen Kom­men­tar, der mir gerade wie­der ein ande­res Phä­no­men bewusst macht. Denn auch wenn man die eigent­li­che Reise allein erlebt hat, bleibt die Geschichte der Reise nur dann leben­dig, wenn man sie mit ande­ren tei­len kann.

      Liebe Grüße

      Gre­gório

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